US-Zollpolitik: Wird aus dem Handels- am Ende ein Finanzkrieg?

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Dr. Eckhard Schulte, MainSky AM

Mit der Eskalation des Handelskrieges sind die Finanzmärkte nach einem schon beinahe routinemäßig positiven Start ins neue Börsenjahr endgültig in schwere Turbulenzen geraten. Alte Muster gelten plötzlich nicht mehr, gewohnte Favoriten müssen Federn lassen. Anleger sollten auf die veränderten Rahmenbedingungen mit Umschichtungen in ihren Portfolios reagieren.

Es begann mit einem Paukenschlag in Form einer Papptafel, auf der US-Präsident Trump mit reziproken Zöllen zwischen 20 und 50 Prozent gegen fast alle Länder der Erde die wirtschaftliche Weltordnung mit Globalisierung und Freihandel aus den Angeln zu heben versuchte. Auch wenn der Republikaner nur eine Woche später und Billionen an Börsenwert weniger eine 90-tägige Pause dieser Zölle ankündigte, bleibt ein zerstörtes Vertrauen in die größte Volkswirtschaft, in die Leitwährung der Welt und mit den US-Staatsanleihen in den sichersten Hafen zurück. Letztere waren es dann auch, die Trump zum Umlenken bewegt haben dürften. Denn China als der größte Gläubiger der USA zeigt den größten Widerstand gegen Trumps Handelspolitik, weil es weiß, dass es auch mit vielen Rohstoffen und Vorprodukten die größten Trümpfe für Amerikas Wachstum in der Hand hält.

Zwar ist US-Präsident Trump inzwischen zurückgerudert und hat eine 90-tägige Aussetzung der reziproken Zölle angekündigt, worauf Kompromisse mit vielen Ländern folgen werden. Dennoch dürfte der durchschnittliche US-Zollsatz deutlich steigen. Trump will die US-Wirtschaft „umbauen“, und Einnahmen über Zölle sind ein wichtiger Bestandteil dieser Strategie. Wir erwarten nicht, dass er seinen Kurs komplett revidiert. 


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Damit sollte die „Zollpanik“ am „Liberation Day“ zwar ihren Höhepunkt überschritten haben, aber in den kommenden Monaten werden die direkten Effekte des nun losgetretenen Handelskrieges in Form von schwachen Konjunkturdaten und deutlichen Abwärtsrevisionen bei den Unternehmensgewinnen die Schlagzeilen bestimmen. Wir erwarten, dass die US-Konjunktur im ersten Quartal nicht mehr gewachsen ist und im zweiten Quartal schrumpfen wird. Eine „technische“ Rezession in den USA ist wahrscheinlich; wir erwarten aber, dass die Wirtschaft nicht langfristig völlig aus dem Tritt kommt und diesen Schock überwinden kann. 

Fed bleibt auf Zinssenkungskurs


Zudem besteht für uns kein Zweifel daran, dass die Federal Reserve trotz der temporär etwas höheren Inflation die Zinsen weiter senken wird. Mittelfristig ist der Zollschock disinflationär, da Zölle zu einem Rückgang des Welthandels führen und einen negativen Einkommenseffekt auslösen, der den relativen Preiseffekt höherer Zölle um ein Vielfaches übersteigt. Zudem wird die Fed im Rahmen ihres globalen Mandats auch ein Auge auf das Wachstum haben und mit dem Rückgang unter das Potenzial die Zinsen deutlich senken. Wir bleiben bei der Erwartung eines kleinen Zinsschrittes nach unten auf der Sitzung im Juni, dem in der zweiten Jahreshälfte weitere Senkungen um insgesamt 75 Basispunkte folgen dürften. 

S&P 500 bei 4.300/500 Punkten in der „Schnäppchen-Zone“


Der S&P 500 hat seit seinem Hoch Ende Januar 20 Prozent verloren. Historisch gesehen verliert die Wall Street in einer Rezession rund 30 Prozent. Somit preist der Markt aktuell eine Zwei-Drittel-Wahrschein-lichkeit einer Rezession in den USA ein. Vor dem Hintergrund unserer Erwartung einer technischen Rezession und einer anschließenden Erholung 2026 sollte das weitere Abwärtspotenzial begrenzt sein. Nimmt man an, dass dieses Jahr im S&P 500 wegen Trumps verfehlter Politik kein Gewinnwachstum stattfindet, 2026 der Markt aber wieder zum Konsens-gewinnwachstum Richtung USD 270 zurückkehrt, würde sich bei einer Korrektur von 30 Prozent aus der Spitze – d.h. bei einem Niveau von ca. 4.300/500 Punkten – bei einem Forward P/E von 16 ein „Schnäppchen-Niveau“ ergeben.

Ausblick für US-Dollar negativ


Donald Trumps konfrontative Zoll- und Wirtschaftspolitik sorgt dafür, dass globale Anleger weniger Appetit auf US-Titel haben. China als größter Gläubiger könnte schon bald US-Staatsanleihen verkaufen und den Zollkrieg zu einem Finanzkrieg ausweiten. Anfang April waren genau solche ungewöhnlichen Bewegungen zu beobachten, als Verkäufe von US-Staatsanleihen die US-Renditen steigen und den US-Dollar fallen ließen. Der Vertrauensverlust in die US-Wirtschaftspolitik ist ein Belastungsfaktor für den US-Dollar. In den kommenden Wochen sollte zudem die durch die Trump-Administration angestrebte Absetzung von Jerome Powell in den Fokus rücken. Wir gehen davon aus, dass das Weiße Haus den Fed-Vorsitzenden stürzen will, um letztlich die Notenbank unter direkten politischen Einfluss zu stellen. Dies würde die USA endgültig auf das Niveau einer „Bananenrepublik“ bringen und zu einer Beschleunigung des Vertrauensverlusts in die US-Währung führen. Somit bleibt der Ausblick für den US-Dollar negativ.

China als der große Profiteur


Langfristig dürfte China der große Gewinner des US-Zolldebakels sein. Trump wertet Xi zum globalen Stabilitätsanker auf und den Investitionsstandort USA relativ zu China ab. Kurzfristig lastet auf dem chinesischen Markt aber die Zolleskalation mit Trump, wobei wir davon ausgehen, dass China und die USA eine Lösung im Zollstreit finden werden. Für beide Seiten sind die Kosten zu hoch, sich nicht zu bewegen. China braucht den US-Exportmarkt, um seine Wachstumsziele zu erreichen und die USA brauchen China als zweitgrößten US-Gläubiger. Bei einer Eskalation vom Handelskrieg zum Finanzkrieg säße China am längeren Hebel, da sie durch einen Verkauf von US-Anleihen im großen Umfang sowohl den US-Dollar als auch den US-Anleihemarkt massiv schädigen könnten. 

USA wird weiter untergewichtet


In der Konsequenz ist unsere regionale Aktienallokation im zweiten Quartal recht ausgewogen, aber keinesfalls US-lastig. Im Vergleich zum MSCI-World-Index ergibt sich eine klare US-Untergewichtung. In den USA sind wir weiterhin kaum in den Tech-Giganten investiert. Zwar sind deren Bewertungen deutlich zurückgekommen, noch aber sind keine Kapitulationsniveaus wie Ende 2022 erreicht worden, die einen Einstieg trotz der Risiken lohnenswert machen. Stattdessen sehen wir hier defensive- und Dividendentitel als attraktiv an. Zudem legen wir den Fokus auf Unternehmen, die stark von der Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) profitieren und so ihre Profitabilität steigern können. Diese finden wir in vielen Sektoren der US-Wirtschaft, insbesondere im Finanzsystem, dem Gesundheitswesen sowie bei Mobilität und Prozessautomatisierung. 
 

Defensive Titel in Europa


In Europa sind für uns vor allem defensive Titel, die wenig Exportabhängigkeit aufweisen und damit wenig anfällig für höhere Zölle sind, attraktiv. Zudem profitieren diese vom Rückenwind fallender EZB-Zinsen. Dazu gehören Versorger, Telekommunikationsdienstleister und Konsumgüterhersteller, aber auch Immobilienaktien. Auch Banken und Versicherungen sind weiterhin recht attraktiv. In China investieren wir primär in Technologietitel. Die hohe Leistungsfähigkeit dieser Unternehmen steht außer Frage und die Bewertungen sind gegenüber US-Technologietiteln noch immer günstig. Hier gilt es, strategisch durch den Zollnebel hindurchzusehen und in der Schwäche Positionen aufzubauen.

Autor Dr. Eckhard Schulte ist Vorstandsvorsitzender von MainSky Asset Management.

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