Erfolg oder Misserfolg der Biden-Administration dürfte von drei Dingen abhängen: Covid-19, Klimawandel und China. Die ersten Aufgaben des neuen Präsidenten werden die Pandemie betreffen. Dazu zählen ein weiteres Steuerpaket, Test- und Rückverfolgungsinitiativen sowie Impfstoffverteilung und Logistikmanagement. Sofortige fiskalische Erleichterungen müssen durch längerfristige Investitionen ergänzt werden, um die Erholung nach der Pandemie zu stärken.
Herausforderung Rassismus
Außerdem gilt es, Herausforderungen anzugehen, die schon lange vor dem Virus bestanden, insbesondere Einkommensunterschiede und Rassismus. Während Biden wahrscheinlich in der Lage sein wird, parteiübergreifende Unterstützung für ein weiteres Stimuluspaket zu sammeln, könnte die Verzögerung bis zu seinem Amtsantritt am 20. Januar und der Verabschiedung eines Steuerpakets viele im Land teuer zu stehen kommen. Selbst wenn die Demokraten am Ende eine hauchdünne Mehrheit im Senat haben sollten, wird es für die Biden-Administration schwierig sein, ein Gesetz ohne die Unterstützung der Republikaner zu verabschieden.
Eine solche parteiübergreifende Unterstützung dürfte sich jedoch eher auf Infrastrukturausgaben konzentrieren, da mehrere Republikaner bei diesem Thema bereits Bereitschaft signalisiert haben.
Megathema Klimawandel
Biden hat immer wieder betont, wie wichtig das Thema Klima für seine Wirtschaftspläne sei. Ein Infrastrukturpaket könnte daher klimafreundliche Vorschläge enthalten, wie z.B. die Begrünung und energetische Sanierung bestehender Gebäude und die Auflage, dass Neubauten energieeffizient sein müssen.
Die Verabschiedung eines Klimapakets, das nur annähernd das Volumen von 2 Billionen US-Dollar erreicht, mit dem Biden im Wahlkampf geworben hatte, wird jedoch aufgrund der allgemeinen Abneigung der Republikaner, den Klimawandel anzugehen, extrem schwierig sein. Um ernsthafte Fortschritte zu erzielen, wird die Biden-Administration hier kreativ sein müssen.
US-Außenpolitik neu ausrichten
In der Außenpolitik schließlich wird Biden die Chance haben, einige wichtige Beziehungen neu zu gestalten. In Bezug auf China wird sich die US-Politik wahrscheinlich nicht wesentlich ändern, wohl aber der Umgangston. Biden ist dafür bekannt, gegen China einen strengen Kurs anzustreben, sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus humanitären Gründen.
Zunächst wird er entscheiden müssen, was mit den milliardenschweren Zöllen auf chinesische Produkte geschehen soll. Statt sie ganz abzuschaffen, wird Bidens Team sie wahrscheinlich als Druckmittel einsetzen, um politische Ziele zu erreichen. Die Biden-Administration dürfte für China als auch für Investoren größere Stabilität und Vorhersehbarkeit bei der Entscheidungsfindung bedeuten.
Hoffnung auf ausgewogene Europa-Politik
Die EU wurde in den letzten vier Jahren unter der Trump-Administration hart angegangen, einschließlich bei der Auferlegung von Zöllen. Bidens Umgang mit Europa dürfte viel geradliniger sein. Die Lösung von Handelsstreitigkeiten mit Europa wird wahrscheinlich eine hohe Priorität haben. Der Wiedereintritt in das Pariser Klimaabkommen wird für die USA der erste Schritt sein, um zum Multilateralismus zurückzukehren und die eigene Glaubwürdigkeit im Ausland wiederherzustellen. Genau wie für China dürfte die Berechenbarkeit einer der größten Vorteile einer Präsidentschaft Bidens sein: Entscheidungen werden über traditionelle Kanäle erfolgen und wahrscheinlich nicht auf Twitter verkündet werden.
Wie wirkt sich der Führungswechsel in den USA auf Investments aus?
In den USA erwarten wir vom designierten Präsidenten Biden bedeutende politische Veränderungen, rechnen aber gleichzeitig mit einem Stillstand in der Gesetzgebung. Der EU-Rettungsfonds und die Konjunkturprogramme in China sollten das Wachstum vor Ort ankurbeln, während die USA auf eine zyklische Erholung nach der Pandemie werden warten müssen. Wir gehen davon aus, dass die Zentralbanken weiterhin versuchen werden, das Wachstum zu stimulieren, obwohl sie nur noch wenige Instrumente zur Verfügung haben.
Insgesamt werden Investoren auch im kommenden Jahr vor schwierigen Entscheidungen in Bezug auf eine angemessene und ausgewogene Kapitalanlage stehen. Wir gehen davon aus, dass es für den Erfolg mehr denn je auf die Titelselektion ankommen wird. Wir würden dazu raten, sich auf die Fundamentaldaten jedes einzelnen Wertpapiers zu konzentrieren und gleichzeitig dem Drang zu widerstehen, sich zu großen Risiken auszusetzen.
Das vergangene Jahr war turbulent, aber es gibt einen Lichtblick am Horizont. Die Pandemie hat außerdem die Kraft wissenschaftlicher Innovationen unter Beweis gestellt und stimmt uns optimistisch hinsichtlich der Bewältigung anderer großer Herausforderungen wie chronischer Gesundheitsprobleme und des Klimawandels.