Ende August ging der Handelskrieg zwischen den weltgrößten Volkswirtschaften USA und China in die nächste Runde. Die US-Regierung hatte 42 chinesische Firmen in ihre Liste mit Handelsbeschränkungen aufgenommen. Washington setzt auf Konfrontation mit China: US-Präsident Joe Biden bemüht sich zwar um eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zur Volksrepublik. Die Strafzölle seines Vorgängers und möglichen Nachfolgers Donald Trump will er aber nicht zurücknehmen.
Die bevorstehenden Präsidentschaftswahlen dürften die Lage kaum entspannen. „Unabhängig davon, wer die Wahlen in den USA gewinnt, die politischen Beziehungen zwischen Washington und Peking werden angespannt bleiben“ prognostiziert Andy Rothman, Investmentstratege beim Asien- und Schwellenländerspezialisten Matthews Asia. Zölle und Exportkontrollen dürften zunehmen.
Brian Recht, Portfoliomanager bei Janus Henderson Investors, rechnet angesichts der zunehmenden geopolitischen Spannungen mit einem Investitionsumfeld, das auf Sicht der kommenden zehn Jahre von einer Deglobalisierung geprägt sein wird. „Sie könnte Unternehmen dazu veranlassen, ihre Produktion verstärkt im Inland anzusiedeln, was zu einer strukturell höheren Inflation und höheren Kapital- und Arbeitskosten führen könnte“, glaubt der US-Experte. Umso erleichterter zeigten sich die Marktbeobachter, dass zumindest die Risiken einer harten Landung der US-Wirtschaft zuletzt nachgelassen haben. Mit einem Anstieg des Bruttoinlandsprodukts von drei Prozent wuchs die US-Wirtschaft im zweiten Quartal stärker als erwartet.
Derweil lässt in China das Erwachen des Drachen weiter auf sich warten. Zwar ist das Reich der Mitte weit von einer Rezession entfernt. Nach wie vor wird die chinesische Wirtschaft von einer schwachen Inlandsnachfrage, hoher Jugendarbeitslosigkeit und der andauernden Immobilienkrise belastet. „Die Menschen sparen lieber, als zu konsumieren“, sagt Portfoliomanagerin Stefanie Dyballa von der KSW Vermögensverwaltung in Nürnberg, „eine erneute Eskalation des Handelskrieges würde die Lage zusätzlich verschärfen.“
Alles nur halb so wild im Reich der Mitte?
Immer mehr Beobachter bezweifeln, dass das diesjährige Wachstumsziel von fünf Prozent erreicht wird. Im zweiten Quartal lag es nur bei 4,7 Prozent und Besserung ist nicht in Sicht: Die US-Investmentbank Goldman Sachs geht bereits davon aus, dass sich der bereits von 2013 bis 2018 zu beobachtende Trend rückläufiger Wachstumsraten auch in den kommenden fünf Jahren fortsetzen wird.
„Das Tempo des aktuellen Wirtschaftswachstums Chinas wird ordentlich bleiben, wenn auch wenig inspirierend für Investoren im In- und Ausland“, sagt Matthews Asia-Investmentstratege Andy Rothman voraus. Eine Krise droht seiner Meinung nach aber nicht: „China wird wahrscheinlich auch weiterhin gut ein Fünftel des weltweiten Wirtschaftswachstums ausmachen – ein größerer Anteil als der aller G-7-Länder zusammen.“ Auch die Auswirkungen des Handelsstreits auf die chinesische Wirtschaft werden wahrscheinlich nicht so gravierend sein, wie viele erwarten, da es sich um eine Wirtschaft handelt, die von der Binnennachfrage bestimmt wird, entwarnt der langjährige China-Kenner.
„Wir glauben, dass die wirtschaftliche Erholung gegen Ende des Jahres deutlicher sichtbar sein wird, da die Lockerungsmaßnahmen der Zentralregierung in Peking mit Verzögerung auf die Wirtschaft durchschlagen“, entwarnt auch Mike Shiao, CIO Asia ex Japan bei Invesco. Optimistische Anleger hoffen, dass spätestens dann die Durststrecke an den chinesischen Börsen endet. Nach drei aufeinanderfolgenden Jahren mit Verlusten gibt es auch in diesem Jahr bislang wenig Anzeichen für eine Trendwende. Die Malaise spiegelt sich zwischenzeitlich auch im MSCI Emerging Market Index wider, wo die zur Jahresmitte 2021 noch bei knapp 35 Prozent gelegene China-Quote auf zuletzt 22,8 Prozent gesunken ist.
Für chinesische Aktien sprechen nach Einschätzung von Vermögensverwalterin Dyballa die historisch günstige Bewertung und die aktuelle Dollar-Schwäche. Angesichts der Risiken einer Trump-Wiederwahl und der derzeitigen Wachstumsschwäche Chinas hält sie den Zeitpunkt für eine Investition aber noch für zu früh. Ihr Ratschlag; „Anleger sollten noch den Ausgang der US-Wahl abwarten.“
Chancen bei chinesischen A-Aktien
Risikofreudige Anleger, die schon jetzt erste Engagements im Reich der Mitte eingehen möchten, könnten sich Invesco China Focus Equity Fund näher anschauen. Fondsmanager Mike Shiao setzt auf Unternehmen in strukturell wachsenden Branchen, ist aber vorsichtig bei Branchen, die von makroökonomischem Gegenwind und geopolitischen Faktoren wie etwa dem Handelsstreit zwischen den USA und China betroffen sein könnten. Shiao konzentriert sich vor allem auf zwei Anlagetrends: Zum einen die „Ausweitung und Vertiefung des Binnenkonsums“ mit Unternehmen aus den Sektoren Textilien, Bekleidung, E-Commerce, Hotel- und Gaststättengewerbe, langlebige Haushaltsgüter und Automobile. Und zum anderen der Bereich „Fortschritte bei innovativen Technologien“ mit Internetunternehmen, IT-Dienstleistern, Medien und Unterhaltung. Die größten Positionen waren zuletzt die weltweit größte B2B-Handelsplattform Alibaba, der Internetriese Tencent und die Bank of China.
Mit einem Performance-Plus von 21 Prozent in den vergangenen drei Jahren deutlich überdurchschnittlich entwickelt hat sich der etwas sperrig klingende Market Access Stoxx China A Minimum Variance ETF von FundRock. Er bündelt Aktien chinesischer A-Aktien. Das sind Unternehmen, die an der Shanghai Stock Exchange und der Shenzhen Stock Exchange gehandelt werden und in Renminbi gehandelt werden. Zu den größten Positionen des Fonds zählen Beijing-Shanghai High Speed Railway China Yangtze Power und die Industrial & Commercial Bank Of China.
Mit Blick auf US-Fonds konnte der bereits Ende 1998 aufgelegte Janus Henderson US Forty Fund H2 in den vergangenen fünf Jahren den S&P 500-Index hinter sich lassen. Für Portfoliomanager Brian Recht überzeugen manche der „Magnificent Seven“-Unternehmen mit den besten Geschäftsmodellen weltweit. Dies spiegelt sich entsprechend in der Zusammensetzung des Fonds wider, in dem Microsoft, Nvidia, Amazon, Apple und Meta am höchsten gewichtet sind.
Auf einen sogenannten “All-Cap Opportunity”-Ansatz setzt T. Rowe Price-Fondsmanager Justin White: „Es ist eine Strategie, die über das gesamte Spektrum an Kapitalisierungsgrößen und Anlagestilen hinweg investieren und Anlagechancen am ganzen Markt nutzen kann, wo immer sie sich eröffnen“, erklärt er. „Das bedeutet, dass wir mal mehr in Growth-, mal mehr in Value-Aktien investiert sind, und mal mehr in kleinkapitalisierten und mal mehr in größer kapitalisierten Aktien.“ Die Fähigkeit, sich rasch an neue Konjunkturzyklen und sich verändernde Marktentwicklungen anzupassen, hält er für eine entscheidende Voraussetzung dafür, Anlegern eine beständigere Performance zu bieten. Die Performance des US All-Cap Opportunities Equity Fund seit seiner Auflegung im Oktober 2022 beläuft sich auf 30,2 Prozent. Der Vergleichsindex Russell 3000 kam seither auf ein Plus von 25,8 Prozent. Am höchsten gewichtet waren zuletzt die Technologie-Giganten Apple, Microsoft und Nvidia.
Indien als lachender Dritter
Dezidiert auf die Hightech-Granden setzt der FTGF ClearBridge US Large Cap Growth Fund. Portfoliomanagerin Margaret Vitrano geht davon aus, dass die langfristigen Thesen für die meisten dieser Mega-Cap-Wachstumswerte intakt sind. Ihr Credo: „Auch wenn sich das Gewinnwachstum und die Kursentwicklung im Vergleich zu den rasanten Zuwächsen der letzten 18 Monate verlangsamen werden, bleiben wir zuversichtlich, dass diese Unternehmen ihre Führungsposition bei den säkularen Wachstumstrends Cloud Computing, digitale Werbung und Einsatz von KI-Anwendungen behaupten werden.“ Seit seiner Auflage im April 2007 konnte der Fonds den S&P 500 hinter sich lassen, musste sich aber dem Russell 1000 Growth-Index geschlagen geben.
Als möglicher lachender Dritter im Handelsstreit zwischen China und den USA könnte sich Indien erweisen. „Viele Länder haben in den letzten Jahren in Indien eine Alternative zu China erkannt“, sagt KSW-Portfoliomanagerin Stefanie Dyballa, „die politischen Spannungen und die Lieferkettenproblematik, die besonders während der Covid-Pandemie offenbar wurde, lassen internationale Unternehmen vermehrt in Produktionsstandorte auf dem indischen Subkontinent investieren“. So wolle etwa Apple sein wichtigstes Produkt, das iPhone, künftig zu 25 Prozent in Indien herstellen.
Auch das fundamentale Umfeld präsentiert sich positiv: Die Wirtschaft auf dem Subkontinent wächst stabil mit jährlich rund 6,5 Prozent, und der indische Aktienmarkt konnte gemessen am MSCI India in den zurückliegenden zehn Jahren um durchschnittlich rund 20 Prozent pro Jahr zulegen konnte. Während die Rolle Chinas im MSCI Emerging Market Index in den vergangenen Jahren stetig sank, hat sich die Indien-Gewichtung im gleichen Zeitraum von 9,9 auf 19,2 Prozent fast verdoppelt. „Mit einem durchschnittlichen KGV von rund 27 im MSCI India ist der Markt derzeit allerdings bereits anspruchsvoll bewertet“, gibt Dyballa zwar zu bedenken. Die Marktkapitalisierung sei aber durch das hohe und konstante wirtschaftliche Wachstum unterlegt.
Mit einem Plus von 150 Prozent in den vergangenen fünf Jahren zählt der Mirae Asset India Mid Cap Equity Fund zu den erfolgreichsten aktiv gemanagten Indienfonds. Portfoliomanager Tanmay Mehta investiert breit gestreut in Aktien indischer Unternehmen mit mittlerer Marktkapitalisierung. Zu den zehn größten Positionen zählen die Axis Bank, der Reifenhersteller Ceat sowie der Pharmakonzern Lupin.
Autor Christian Euler ist Buchautor und Wirtschaftsjournalist.