USA: Wann kommt denn nun die Rezession?

Fallende Aktienkurse auf US-Flagge neben der Freiheitsstatue
Foto: Shutterstock
Droht in den USA immer noch eine Rezession?

„Vom Verbraucher hängt alles ab. Ohne Konsumentenschwäche wäre eine Rezession nur schwer denkbar“, erläutert Philip Bold, Portfolio Manager bei ETHENEA Independent Investors S.A., die kurz- bis mittelfristigen Aussichten für die US-Wirtschaft. „Der positive Beitrag, den die Konsumausgaben 2022 noch zum Bruttoinlandsprodukt geleistet haben, scheint 2023 auf der Kippe zu stehen.“

Dreht der Arbeitsmarkt, steht der Rezession nichts mehr im Wege – zumindest auf den ersten Blick. Denn: „Die Inversion der Zinskurve zeigt, dass die Teilnehmer des Anleihenmarktes einen ökonomischen Abschwung für wahrscheinlich halten. Obwohl die Rezession in aller Munde ist, scheint aber der Aktienmarkt, der die realwirtschaftliche Entwicklung vorwegnimmt, nur einen relativ milden Abschwung zu berücksichtigen“, gibt Bold zu bedenken. Der Aktienmarkt habe 2022 schon viele Federn gelassen, wodurch sich die Bewertungen einigermaßen normalisiert haben; eine Gewinnrezession auf Unternehmensseite würde weiteren Tribut fordern. 

2022 war das Konsumverhalten der US-Haushalte erstaunlich robust. Gestützt wurde es von den Überschussersparnissen aus der COVID-19-Pandemie und einem starken Arbeitsmarkt. „Beide Faktoren kommen jedoch ins Wanken“, so der Ethenea-Experte. Angesichts der doppelten Belastung durch höhere Preise, beispielsweise für Lebensmittel und Benzin, und höhere Zinsen, etwa auf Hypotheken, war der Stress für Konsumenten zuletzt so hoch wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Die Konsumenten gelten insbesondere in den USA als ökonomisches Rückgrat. Mit 70 Prozent stemmen sie den Löwenanteil der Wirtschaftsleistung. Per Jahresende lag die Arbeitslosenquote mit 3,7 Prozent immer noch nahe dem historischen Tief vergangener Jahrzehnte. Die überwältigende Mehrheit der Erwerbsbevölkerung ist also noch in Lohn und Brot.

„Nun bröckelt es: Die abnehmenden Überschüsse und die ökonomische Unsicherheit beeinträchtigten die Konsumstimmung“, fasst Bold zusammen. Die Bereitschaft, langlebige Haushaltsgüter anzuschaffen, ist laut Konsumentenumfrage der University of Michigan zuletzt auf historische Tiefstände gefallen. Gleiches gilt für die Anschaffung anderer diskretionärer Güter. Aber auch bei der Versorgung mit Alltäglichem zeichnen sich Probleme ab: In der letzten Haushaltsumfrage des US-Zensus gaben rund 40 Prozent der Befragten an, dass sie Schwierigkeiten hätten, ihre gewöhnlichen Haushaltsausgaben zu stemmen. „Hier zeichnet sich der Druck auf die niedrigen Einkommensquartile ab, die umgangssprachlich ‚von der Hand in den Mund leben‘ und besonders unter sinkenden Reallöhnen leiden“, erklärt Bold. Gleichzeitig dreht der Arbeitsmarkt: „Die Anekdoten zu Einstellungsstopps und Entlassungen kommen zwar überwiegend aus der Tech-Branche, sie finden aber in der Breite statt. Vorlaufende Arbeitsmarktindikatoren, zum Beispiel die Erstanträge auf Arbeitslosenunterstützung, bestätigen diese Tendenz. Das wird zusätzlichen Druck auf das Ausgabeverhalten der Konsumenten ausüben.“

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