Am 20. Januar 2021 trat Joe Biden seine vierjährige Amtszeit als Präsident der Vereinigten Staaten an. Nun ist Halbzeit und die Zwischenwahlen (Midterms) liegen bereits hinter uns. Diese enden fast immer mit herben Verlusten für die regierende Partei. Doch diesmal schlugen sich die Demokraten deutlich besser als erwartet. Mit einer knappen Mehrheit ist das Repräsentantenhaus zwar republikanisch geworden – doch konnten die Demokraten ihre Mehrheit im Senat sogar leicht ausbauen. Angesichts der hohen Inflation, die auf der Stimmung der Wähler lastete, fällt es schwer, eine andere Erklärung für das gute Abschneiden der Demokraten zu finden, als den Trump-Faktor: Durch seine Rolle bei der Kandidatenauswahl verspielte der Ex-Präsident einen sicher geglaubten Erdrutsch-Sieg der Republikaner. Damit dürfte auch der Partei klar werden, dass man mit Trump keine Wahl gewinnen kann. Daher ist es zunehmend unwahrscheinlich, dass die Republikaner Donald Trump 2024 erneut ins Rennen um die Präsidentschaft schicken werden.
Fehlende Einigkeit wird zu Turbulenzen führen
Große Einigkeit und gemeinsame Gesetzesinitiativen sind in einem geteilten Kongress schon unter normalen Umständen kaum zu erwarten. Hinzu kommt in den nächsten beiden Jahren, dass es auch innerhalb der republikanischen Partei nicht allzu gut um die Einigkeit bestellt ist, wie die langwierige Wahl des Sprechers des Repräsentantenhauses gezeigt hat. Relevant ist das nur für sogenannte „must-pass bills“. Hier werden die Turbulenzen deutlich zunehmen. Bei diesen Gesetzesvorlagen ist eine Einigung zwischen beiden Parteien zwingend notwendig. Dazu gehört etwa die Erhöhung der Schuldenobergrenze, die im laufenden Jahr ansteht. Eine Einigung auf den absolut letzten Drücker – voraussichtlich im dritten Quartal 2023 – ist hier am wahrscheinlichsten. Die Unsicherheit an den Märkten wird im Vorfeld steigen. Sollte es zu keiner Einigung kommen, wäre die teilweise Zahlungsunfähigkeit der USA die Folge. Dieses Szenario ist aber unwahrscheinlich.
Lediglich in Bezug auf China dürfte ein überparteilicher Konsens weiterhin für Dynamik sorgen.
Denn: China stellt den Anspruch auf eine globale Führungsrolle und fordert die USA dadurch zusehends heraus. Die USA sehen darin ein Risiko für die nationale Sicherheit. In diesem Punkt sind sich beide Parteien einig. Sie sind sich auch darüber einig, dass man sich in diesem Umfeld keine strategischen Abhängigkeiten mehr von China leisten kann. Deshalb haben beide Parteien ein großes Interesse daran, China aus strategisch wichtigen Lieferketten zu verdrängen. Es verwundert daher kaum, dass zwei der drei großen Investitionsprogramme im vergangenen Jahr mit Stimmen beider Parteien verabschiedet wurden.
1,3 Billionen US-Dollar für die Transformation der Wirtschaft
Die staatlichen Investitionen sollen vor allem die eigene Wettbewerbsfähigkeit erhöhen und den (grünen) Wandel beschleunigen. Eine Mischung aus Investitionsanreizen und aktiver Industriepolitik soll gewährleisten, dass die Lieferketten von Zukunftstechnologien wie Computerchips, Batterien, Elektroautos und kritischen Mineralen vornehmlich im eigenen Land oder zumindest in befreundeten Regionen angesiedelt werden. Diese Bemühungen zeigen bereits erste Wirkungen: Allein in den vergangenen zwölf Monaten haben alle großen globalen Chip- und Batteriehersteller milliardenschwere Investitionsprojekte in den USA angekündigt. Diese Dynamik wird weiter zunehmen und positiv auf das langfristige Wachstumspotenzial wirken. Nachdem der gesetzliche Rahmen geschaffen wurde, geht es für die Biden-Regierung 2023 vor allem um die erfolgreiche Umsetzung der Investitionsprogramme.
Autorin Sandra Ebner, CFA, ist Volkswirtin im Bereich Research & Investment Strategy (RIS) bei Union Investment. Dort ist sie unter anderem mit den Analysen der amerikanischen Politik betraut.