Das entzauberte Orakel von Omaha“ – so oder so ähnlich lauteten in den vergangenen Jahren die Schlagzeilen, wenn es um Star-Investor Warren Buffett ging. Buffett gilt als einer der bekanntesten Value-Investoren. Doch auch er bekam die Schwächephase von Value-Aktien in den vergangenen Jahren zu spüren. Daher war das Aufsehen im Mai 2019 groß, als er sich am US-Technologiekonzern Amazon beteiligte – dem Paradebeispiel eines Growth-Unternehmens und damit dem Gegenteil eines Value-Investments. Dies befeuerte auch die anhaltende Debatte, ob nun Growth- oder Value-Aktien langfristig aussichtsreicher seien.
Die Value-Growth-Debatte hält sich seit Jahrzehnten
Value oder Growth – diese Debatte hält sich seit vielen Jahrzehnten. In den vergangenen Monaten gewann sie an Dynamik. Denn es gibt Anzeichen dafür, dass Value gegenüber Growth aufholt. Das wäre ein Paradigmenwechsel, schließlich entwickelten sich Growth-Aktien im Durchschnitt betrachtet viele Jahre lang besser als Value-Werte. Letztere galten daraufhin bei einigen Marktteilnehmern bereits als nicht mehr zeitgemäß. Das scheint sich nun zu ändern – nur vorübergehend oder anhaltend?
Um den Unterschied der beiden Stile kurz zu umreißen: Value-Investing verfolgt das Ziel, unterbewertete Aktien zu kaufen – in der Hoffnung, dass die Börsenkurse aufholen und den wahren Wert des entsprechenden Unternehmens künftig besser widerspiegeln. Typisch für Value-Firmen sind ein niedriges Kurs-Gewinn- (KGV) oder Kurs-Buchwert-Verhältnis (KBV), eine hohe Dividendenrendite und eine hohe Eigenkapitalquote. Viele solcher Werte haben zudem einen eher zyklischen Charakter, wodurch sie stärker von konjunkturellem Wachstum profitieren. Im Gegensatz dazu ist das Wachstum von Growth-Unternehmen eher strukturell und damit unabhängiger vom Makroumfeld.
Seit der globalen Finanzkrise hat Growth die Nase vorn
In den vergangenen Jahren fuhren Anleger mit Growth-Aktien deutlich besser als mit Value. So legte der globale Aktienindex MSCI World Growth in den vergangenen zehn Jahren um 286 Prozent zu. Der MSCI World Value kam im gleichen Zeitraum auf nur 138 Prozent (Stand: 13. April 2021). Sprich: Growth bescherte Anlegern mehr als doppelt so viel Rendite wie Value. Ausgangspunkt für diese Value-Underperformance ist das Jahr 2008 – die Zeit der groß angelegten geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen, um die wirtschaftlichen Folgen der globalen Finanzkrise einzudämmen. Die Zentralbanken senkten ihre Leitzinsen damals auf historisch niedrige Niveaus und initiierten die sogenannte quantitative Lockerung (Quantitative Easing), kauften also in großem Stil Anleihen, um die Märkte liquide zu halten und Firmen mit Kapital zu versorgen.
Dieses anhaltende Niedrigzinsumfeld begünstigte Growth-Aktien. Denn zum einen sind niedrige Kapitalmarktzinsen für strukturelle Wachstumsunternehmen tendenziell förderlich, weil diese ihre Expansion großenteils über Kredite finanzieren. Zum anderen führen niedrige Zinsen dazu, dass die künftig erwarteten Gewinne geringer zu diskontieren sind – sprich: Sie sind unter dem Strich gegenwärtig mehr wert. Auch das generell niedrige Wachstumsumfeld war für Growth-Werte förderlich. Denn wenn Aktien in diesem Marktterrain noch Wachstum boten, waren Anleger bereit, dafür einen Aufschlag zu zahlen. Für den Bankensektor wiederum, tendenziell eher dem Value-Spektrum zuzuordnen, hatte das Niedrigzinsumfeld und die damit einhergehende flache Zinsstrukturkurve negative Auswirkungen.