Die Value-Rallye 2021 wurde durch den Optimismus über die „Wiedereröffnung“ beflügelt, endete jedoch abrupt mit dem Auftreten der Omikron-Variante. Die Rotation, die seit Anfang 2022 zu beobachten ist, dürfte nicht nur nachhaltiger, sondern auch weitreichender sein. Ein Umfeld mit höheren Zinsen und Inflation könnten andere Sektoren wie Finanzwerte, Energie und Werkstoffe begünstigen und nicht nur die „Corona-Aufschwung“-Werte. Für Dividendenstrategien ist dieses Klima positiv, jedoch sollten die Anleger gegenüber „Bond Proxies“ vorsichtig sein.
Robert Davis, Senior Portfolio Manager im European-Equity-Team bei NN Investment Partners, sagt: „Die Value-Rallye des letzten Jahres hat den ‚Deep Value‘-Aktien Aufschwung verliehen, insbesondere in den schwierigeren Sektoren wie Reise, Fluggesellschaften und Freizeit. Viele Unternehmen zahlen jedoch aufgrund schwacher Cashflows und angeschlagener Bilanzen keine Dividende. Da die Märkte dieses Jahr volatiler sind, könnte der Dividendenfaktor wieder wichtig werden. In Europa haben Dividenden mit der Zeit etwa 40 % der Gesamtrendite der Anleger ausgemacht.“
Value versus Growth
Value-Investments sind seit der Finanzkrise 2008 in Ungnade gefallen, da niedrige Zinsen und die Auswirkungen der quantitativen Lockerung zu hohen Bewertungen von Growth-Unternehmen führten. Da jedoch die Inflation und die Aussicht auf höhere Zinssätze die Entscheidungen der Anleger beeinflussen, könnten wir an einem Wendepunkt angelangt sein. Nach einem Fehlstart zu Jahresbeginn 2021 haben Value-Strategien seit November letzten Jahres die Growth-Strategien überflügelt. Dabei erlebte der Technologiesektor – und insbesondere die spekulativeren Aktien innerhalb dieses Sektors – eine Baisse. In der Vergangenheit konnte die Bevorzugung eines Anlagestils viele Jahre andauern, bevor es zu einer Rotation kam. Die berühmte „Value“-Rallye, die Mitte der 70er Jahre begann, dauerte fast zwei Jahrzehnte, bevor Growth die Oberhand gewann und mit dem „Dotcom“-Boom und der anschließenden Pleite endete. Der jüngste Wachstumszyklus begann mit der Bewältigung der Finanzkrise, als die Zentralbanken unkonventionelle geldpolitische Maßnahmen ergriffen, um die Zinssätze zu senken und die Konjunkturerholung anzukurbeln.
Die Folge war eine extreme Bewertungsdifferenz zwischen Growth- und Value-Aktien, die das Niveau des Höchststands der Technologieblase Ende der 90er Jahre sogar übertraf. Diese Bewertungsextreme haben die Stilentwicklungen für eine Rotation anfällig gemacht. Der Kurswechsel der Zentralbanken aufgrund wachsender Inflationsrisiken war der Katalysator für diese Entwicklung.
Eine andere Variante
Bei NN IP sind wir der Meinung, dass die diesjährige Value-Rotation wahrscheinlich einen anderen Verlauf nehmen wird. Davis fügt hinzu: „Es gab zwei Phasen der Rallye. Die erste fand nach den erfolgreichen Impfprogrammen statt, als die Volkswirtschaften wieder in Gang kamen. Nutznießer waren vor allem die Unternehmen. Sie litten unter einen Nachfragestopp oder schwerwiegenden Beeinträchtigungen der Lieferketten. Wir glauben, dass die diesjährige Rotation sich anders darstellt – als Folge der Inflation sind die Gewinner und Verlierer in diesem Umfeld andere Kategorie von Aktien.“
„Finanzunternehmen werden beispielsweise von höheren Zinssätzen profitieren. Niedrige oder sogar negative Zinssätze begrenzen den Spread zwischen den Zinssätzen, die die Banken für Kredite und Anleihen verlangen und einfordern können. Dadurch sind ihre Gewinnspannen unter Druck geraten. Wenn die Zinssätze steigen, sollte auch die Rentabilität der Banken steigen. Energie- und Rohstoffaktien haben ebenfalls eindeutig von der starken Nachfrage nach den jeweiligen Rohstoffen profitiert.“
In Verbindung mit der besseren Performance dieser Sektoren, die traditionell höhere Dividenden zahlen, dürften Dividendenstrategien im aktuellen Umfeld weitere Vorteile bieten. Für ertragsorientierte Anleger ist ein gewisser Inflationsschutz eingebaut, denn die Dividenden sollten mit den Unternehmensgewinnen steigen. Und da die Märkte volatiler und weniger richtungsorientiert reagieren, ist die Dividendenausschüttung das einzige Element der Gesamtrendite von Aktien, das leicht überschaubar ist. In einem entwickelten Markt wie Europa machen die Dividenden langfristig etwa 40 % der Gesamtrendite aus.
Dividenden-Ansatz
Es reicht jedoch nicht aus, auf hochrentierliche Aktien zu setzen. Unternehmen in Sektoren, die sich durch ein kontinuierliches, aber langsames Gewinnwachstum und daher stabile Dividenden auszeichnen, könnten ihren Renditevorteil durch Inflation und höhere Zinssätze verlieren. Dies kann Sektoren wie den Gesundheitssektor beeinträchtigen, in dem die Preisgestaltung von Medikamenten relativ unabhängig von der Wirtschaftsentwicklung ist. Es besteht also das Risiko, dass das Dividendenwachstum hinter dem Inflationsanstieg zurückbleibt. Bei anderen Titeln können die höchsten Dividendenausschüttungen ein Hinweis auf Schwierigkeiten sein und sollten gemieden werden: ein Indikator dafür, dass der Markt davon ausgeht, dass ein Unternehmen nicht in der Lage sein wird, das derzeitige Ausschüttungsniveau aufrechtzuerhalten.
NN IP konzentriert sich daher auf hochwertige Dividenden, die von Unternehmen gezahlt werden, die wachsende Cashflows erwirtschaften und nachweislich Barmittel an die Aktionäre ausschütten, aber auch wachstumsorientiert reinvestieren. Heutzutage bedeutet dies auch, Unternehmen mit großer Preissetzungsmacht zu finden, die höhere Inputkosten an ihre Kunden weitergeben können.
Davis dazu: „Innerhalb des Konsumsektors haben wir unser Exposure gegenüber dem Luxussektor erhöht. Während die Lebensmittelproduzenten Schwierigkeiten haben dürften, höhere Inputkosten wie Energie und Agrarrohstoffe weiterzugeben, scheinen Luxusgüterhersteller kaum Probleme zu haben, den Preis für eine Designer-Handtasche oder eine hochwertige Uhr um weitere 10 % zu erhöhen.“
Dieser Fokus auf Qualität ermöglicht es uns in den Fonds auch, Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien zu integrieren. ESG-Kriterien einzuhalten kann für Value- und Dividendenfonds schwierig sein, da sie oft auf Unternehmen der „Old Economy“ ausgerichtet sind. Davis fügt hinzu: „Wir streben eine niedrigere CO2-Intensität als unsere Benchmarks an. Durch den Erwerb von Unternehmen mit besserem ESG-Rating und geringerer Umweltverschmutzung können wir sogar Sektoren wie den Energiesektor übergewichten und gleichzeitig einen geringeren CO2-Fußabdruck als der breite Index einhalten.“