Joe Foster, Portfoliomanager und Strategist bei VanEck, gibt in Best- und Worst-Case-Szenarios einen Ausblick, was die Zukunft für die Wirtschaft und die Märkte im Hinblick auf Gold bereithält.
Gold ließ während der jüngsten Abverkäufe an den Märkten die meisten Anlageklassen hinter sich. Das gelbe Edelmetall beendete den Monat März mit einem leichten Verlust von 8,51 US-Dollar (-0,5%) und schloss bei 1577,18 US-Dollar je Feinunze. Zu Beginn des Monats markierte Gold am 9. März mit 1703 US-Dollar den höchsten Stand seit sieben Jahren. Allerdings taten sich Fonds wie schon während des Börsencrashs 2008 schwer, ihre Verlierer abzustoßen, und sie sind nun verzweifelt auf der Suche nach Liquidität. Da sich die Panik an den Märkten ausweitete, wurde auch Gold abgestoßen, um Nachschussforderungen, Rücknahmen und die Umsetzung einer defensiveren Positionierung zu finanzieren. Das Monatstief von 1451 US-Dollar wurde am 16. März erreicht und war wohl der rasanteste Rückgang über 250 US-Dollar in der Geschichte des Edelmetalls. Nach der zweiten Notfall-Zinssenkung durch die U.S. Federal Reserve (Fed) stieg der Goldpreis wieder sprunghaft an. Am 23. März, nachdem die Fed beispiellose Programme zur Ausweitung ihrer Wertpapierkäufe und zur Einrichtung von Krediten für Unternehmen, Kleinunternehmer, Gewerbehypotheken, US-Bundesstaaten, Kommunen und Verbraucher bekannt gab, zog der Preis weiter an.
Fed kündigte unbegrenzte Käufe von Staatsanleihen an
Außerdem signalisierte die Fed unbegrenzte Käufe von Staatsanleihen und hypothekenbesicherten Wertpapieren (auch bekannt als quantitative Lockerung bzw. QE). Allerdings setzten sich die Kursverluste an den Aktienmärkten fort, denn die Anleger wissen nur zu gut, dass die Fed keine Kreuzfahrttickets kaufen, Sportstadien füllen oder Restaurants besuchen kann. Das ist letztlich aber genau das, was die Wirtschaft braucht. Ein Großteil der Bemühungen der Fed konzentriert sich auf massive Liquiditätsspritzen für die Kreditmärkte, an denen es zu Engpässen gekommen war. Sogar bei US-Staatsanleihen wurde die Lage problematisch: Sie wurden an manchen Tagen zusammen mit Aktien abgestoßen. Gold fungiert als Absicherung sowohl gegen die Turbulenzen an den Märkten als auch gegen eine Inflation, die das Endergebnis all dieser Interventionen sein könnte. Bis zum 26. März, als die US-Regierung ein Konjunkturprogramm in Höhe von 2,2 Billionen US-Dollar verkündete, das die bestehende jährliche Haushaltslücke von 1 Billion US-Dollar leicht in den Schatten stellt, verteidigte das Edelmetall seine Gewinne.
Bislang haben sich Goldaktien während des Börsencrashs im Einklang mit dem breiteren Aktienmarkt entwickelt, da der NYSE Arca Gold Miners Index (GDMNTR)1 im März 10,4% einbüßte. Der MVIS Global Junior Gold Miners Index (MVGDXJTR)2 gab um 21,3% nach und blieb aufgrund seiner kleineren, weniger liquiden Komponenten hinter dem GDMNTR zurück. In einem Crash handelt es sich dabei um eine für Goldaktien normale Entwicklung, und bislang nehmen sich die Verluste seit dem letzten Hoch geringer aus als 2008. Sobald die Panik nachlässt und Unternehmen wieder in vollem Umfang ihre Produktion aufnehmen können, dürften Goldaktien wieder steigen und die zugrunde liegende Stärke des Goldpreises reflektieren.
Goldabbaugesellschaften besser positioniert, um Krise zu meistern
Goldminen waren von der Pandemie bislang nur am Rande betroffen. Die Goldabbaugesellschaften halten die mittlerweile üblichen Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften ein. Einige Länder, welche die Wirtschaftsaktivitäten eingeschränkt haben, haben den Bergbau als Sektor von nicht „grundlegender Bedeutung“ eingestuft. Bank of America Global Research ist laut einem Bericht vom 30. März der Meinung, dass aktuell 9% der Minenproduktion weltweit vorübergehend stillgelegt sind. Allerdings konnten die meisten Goldminen ihre Förderung aufrechterhalten. Bislang sind uns keine Fälle bekannt, bei denen es aufgrund des Coronavirus zu Schließungen gekommen ist. Goldminen sind besser positioniert als viele andere Branchen, um mit dieser Krise umzugehen.
In der Regel befinden sich die Minen in entlegenen Gebieten, weit entfernt von den Krisenherden des Coronavirus. Viele haben aufgrund von AIDS und Ebola Erfahrung mit Epidemien und damit, wie man Mitarbeitende schützt und gleichzeitig die Produktion aufrechterhält. Der Sektor ist dank einer niedrigen Verschuldung und starker Cashflows finanziell gut aufgestellt. Ein BMO Capital Markets Universum von 27 großen und mittelgroßen Produzenten weist ein durchschnittliches Verhältnis zwischen Nettoverschuldung und EBITDA von 0,34 auf, verglichen mit einem Durchschnitt von 1,78 im S&P 500. Die Gesamtkosten belaufen sich auf durchschnittlich rund 950 US-Dollar je Feinunze und niedrige Treibstoffkosten werden dazu beitragen, einen in diesem Jahr möglicherweise aufkommenden Kostendruck aufzufangen.
Best-Case-/Worst-Case-Szenarios für die Wirtschaft
„Dotcom“-Aktien, hypothekenbesicherte Wertpapiere, FAANG-Aktien – erinnern Sie sich noch an diese großen Symbole für Selbstgefälligkeit und Marktexzesse in vergangenen Zyklen? Die Expansionsphasen, die all diesen Blasen vorangingen, endeten infolge von Zinsstraffungen durch die Fed und wurden in der Regel von einem unerwarteten Auslöser begleitet. Die jüngste Expansion geriet aufgrund einiger Zinserhöhungen durch die Fed, eines rückläufigen Gewinnwachstums, exorbitanter Schuldenstände, einer globalen Rezession im verarbeitenden Gewerbe und Verzerrungen am Repo-Markt unter Druck. Dem gesellt sich nun die Mutter aller Krisenbeschleuniger hinzu. Derzeit konzentrieren sich Menschen auf der ganzen Welt auf ihre Freunde und Angehörigen, die entweder krank sind, oder an vorderster Front gegen das Coronavirus kämpfen.
Darüber hinaus versuchen sich die Anleger vorzustellen, wie die Welt nach Überstehen der COVID-19-Pandemie aussehen wird. Wir müssen uns dabei unweigerlich an unseren Kommentar im Juli 2019 erinnern, in dem wir auf das 1997 erschienene Buch The Fourth Turning der beiden Historiker Neil Howe und William Strauss verwiesen. In dieser Publikation wird dargelegt, wie in der Geschichte der Menschheit immer wieder Generationszyklen aufgetreten sind. Seit 2008 befindet sich Amerika in der vierten und letzten „Wende“ des aktuellen Zyklus. Diese vierte Wende „zeichnet sich durch eine Krisenzeit aus, welche die Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttert und den Kurs der Zivilisation grundlegend verändert.“
Diese vierte Wende endet mit einem mehrere Jahre andauernden Höhepunkt und „einem Funken, der eine Kettenreaktion von unnachgiebigen Reaktionen und weiteren Notfällen auslösen wird.“ Wir spekulierten im Juli, dass laut der Theorie von Howe und Strauss dieser Höhepunkt zwischen 2020 und 2023 einsetzen würde. In der Vergangenheit kulminierten die sogenannten vierten Wenden in Kriegen – dem zweiten Weltkrieg etwa oder davor dem Bürgerkrieg in den USA. Aktuell haben wir es mit einem globalen Krieg gegen einen unsichtbaren Feind zu tun.
Während es endlose Spekulationen darüber gibt, was die Zukunft für die Wirtschaft und die Märkte bereithält, präsentieren wir Best- und Worst-Case-Szenarios für unseren Ausblick:
- Das Best-Case-Szenario ist unseres Erachtens eine kurze, markante Rezession, gefolgt von einer allmählichen Erholung, nach der die Wirtschaft Ende 2021 wieder ihren Normalzustand erreicht. Unseres Erachtens gibt es zahlreiche Risiken, die in diesem Szenario für Gold sprechen und zu neuen langfristigen Hochs der Goldpreise führen könnten. Die US-Regierung wird nicht alle von der aktuellen Krise betroffenen Unternehmen und Privathaushalte retten können. Wahrscheinlich wird sie aber viele schlecht geführte Unternehmen retten, die es nicht verdient haben, die Krise zu überstehen. Fehlschläge und Konkurse sind unvermeidbar. Im Herbst könnte es dann zu einer zweiten Welle des Virus kommen. Die Anleger und das Verhalten der Verbraucher könnten wesentlich konservativer werden, zumindest in der Erholungsphase, wenn nicht sogar langfristig. US-Bundesstaaten und Kommunen sind aufgrund der massiven Kosten und des Ausfalls von Steuereinnahmen finanziell ruiniert. Die meisten Sorgen bereitet indes die Schuldenlast der US-Regierung und von Unternehmen, die ausgehend von ihren Rekordniveaus nun ausgeweitet werden, um mit dem Stillstand der Wirtschaft umzugehen. Andernorts in der Welt könnte es zu noch schlimmeren Folgen als in den USA kommen.
- Im Worst-Case-Szenario werden die Wirtschaftsaktivitäten über einen längeren Zeitraum stillgelegt als derzeit erwartet. Für 2020 steht eine tiefe Rezession an, und soziale Unruhen könnten in der Folge zu einem Problem werden. Unternehmenspleiten und zahlungsunfähige Privathaushalte werden zu weiteren billionenschweren Rettungspaketen führen. Die Fed bläht ihre Bilanz unvermindert um weitere Billionen auf, denn die Anleger sind nicht in der Lage oder nicht bereit, den Markt für US-Staatsanleihen zu tragen. Eine Vertrauenskrise zwingt die Regierung in der Folge zu noch extremeren Maßnahmen. Die Fed finanziert daraufhin US-Staatsanleihen direkt und am Devisenmarkt kommt es zu Verwerfungen. Geopolitische Risiken, die vor dem Virus in den Schlagzeilen standen, kehren zurück: möglicherweise eine Cyberattacke durch eine feindliche Regierung oder ein Militärmanöver, um von der Krise zu profitieren.
- Das Beste hoffen, sich aber auf das Schlimmste vorbereiten, ist eine angemessene Strategie, die derzeit angesichts all der Hamsterkäufe auf der Tagesordnung zu stehen scheint. In finanzieller Hinsicht dürfte es sinnvoll sein, im Rahmen einer solchen Strategie Gold und Goldaktien zur Absicherung gegenüber derartigen Turbulenzen zu erwägen. Darüber hinaus könnte – von einem Best-Case- bis hin zu einem Worst-Case-Szenario – die Sorglosigkeit des Marktes in Sachen Inflation zu einer Sorge umschlagen, sobald die Wirtschaft diese Flut an Liquidität absorbiert.