Vanguard: „ETFs demokratisieren die Geldanlage“

Sebastian Külps, Vanguard
Foto: Olaf Jahnke
Sebastian Külps, Vanguard: „Die Nettomittelzuflüsse und das Wachstum liegen auf Rekordniveau.“

EXKLUSIV Sebastian Külps leitet die Geschäftsentwicklung für Deutschland und Nordeuropa bei Vanguard. Mit ihm sprach ich über das Geschäft 2023 und in diesem Jahr, die Trends bei ETF und die Perspektiven für Multi-Asset-Fonds.

Herr Külps, sind Sie mit der Geschäftsentwicklung im vergangenen Jahr zufrieden?
Külps: Für Vanguard insgesamt war 2023 wieder ein sehr, sehr starkes Jahr. Wir haben sehr gute Nettomittelzuflüsse gehabt über viele Bereiche – auch in Deutschland. Wir haben unseren Wachstumspfad weiter fortsetzen können und auch unser Angebot weiterentwickelt. Und wir haben neue Vertriebskanäle vorangetrieben, mit denen wir jetzt noch stärker verpartnert sind.

Welche sind das?
Külp: Vor allem digitale Kanäle. Wir sind sehr zufrieden, wie stark wir in Deutschland auch mit Blick auf unseren Bekanntheitsgrad und von unserer Brandentwicklung an Aufmerksamkeit gewinnen konnten.

Und in diesem Jahr?
Külps: Die Nettomittelzuflüsse und das Wachstum liegen auf Rekordniveau. Zum positiven Geschäftsverlauf trägt auch bei, dass wir unser Team mit Blick auf strategische Partnerschaften weiter ausgebaut haben und diesen Kanal deutlich breiter angehen als zuvor. Und gerade im Anleihenbereich, den wir forciert haben, hat sich sehr viel getan.

Wie weit war das Thema marktgetrieben?
Külps: Grundsätzlich war es natürlich so, dass Anleihen hinsichtlich des Rendite-Risiko-Profils mehrere Jahre weniger spannend aussahen. Nun fließt wieder Kapital in die Anleihemärkte hinein: bonds are back. Der große Unterschied zum vergangenen Zyklus ist, dass es stärker in passive Anleiheninstrumente fließt.

Wie verteilen sich die Zuflüsse auf die unterschiedlichen Anlageklassen?
Külps: Ein hoher Prozentsatz fließt in unsere Anleihenprodukte, gerade auch im deutschen Markt. Gerade bei den großen Vermögensverwaltern und bei den Family Offices beobachten wir einen signifikanten Zuwachs bei Anleihen. Bei Endkunden ist der Trend nicht so ausgeprägt.

Sehen Sie Ihren Schwerpunkt bei ETFs oder gemanagten Produkten?
Külps: Wir versuchen, Anlegern langfristig die besten Renditechancen zu bieten. Dabei machen wir keinen Unterschied zwischen ETFs oder gemanagten Produkten, weil es sich ja nur um eine Hülle handelt. Eine Hülle, die es ermöglicht, Produkte anders zu handeln. Die digitalen Kanäle sind inzwischen sehr ETF-affin, in Deutschland ist auch das Verständnis für passive Investments sehr stark ETF-getrieben. Der ETF ist auf dem Siegeszug.

Was steckt hinter Ihrem 360-Grad-Beraterprogramm?
Külps: Wir haben es ins Leben gerufen, um Beratern zu zeigen, welchen Mehrwert sie für ihre Kunden bei einer ganzheitlichen Beratung generieren können. Mit unserer Studie „Advisor’s Alpha“ konnten wir empirisch nachweisen, dass dieser Mehrwert bei rund drei Prozent pro Jahr liegen kann. Die dafür notwendigen Hilfsmittel wollen wir den Beratern an die Hand geben. Das tun wir über Materialien, technische Lösungen, Schulungen und mit der Unterstützung ihrer Fortbildung.

Wie reagieren Ihre Berater auf dieses Angebot?
Külps: Wir machen das schon seit ungefähr drei Jahren und sind extrem zufrieden. Wir haben Tausende Berater geschult, sind auch mit ebenso vielen Beratern im Kontakt und bekommen sehr gute Resonanz. In Kürze wird das Beraterprogramm weiterentwickelt. Es wird leicht umbenannt, und es kommen eine Vielzahl weiterer Hilfsmittel und technologischer Lösungen dazu.

Was sind die wichtigsten Trends im ETF-Bereich?
Külps: ETFs gehen nun auch beim Retailkunden in die Breite, so wie früher im institutionellen und professionellen Bereich. ETFs und passives Investieren demokratisieren die Geldanlage und ermöglichen einen kostengünstigen Marktzugang mit breiter Diversifizierung. Ein weiteres wichtiges Thema sind Anleihen. Auch Multi Asset wird wieder eine deutlich größere Aufmerksamkeit zuteil. Gleiches gilt für Themenfonds. Aber hier bin ich vorsichtiger. Erst kürzlich hat eine Morningstar-Studie gezeigt, dass auf Zehn-Jahres-Sicht mehr als die Hälfte der Themenfonds schließen und die Hälfte, die übrig bleibt, underperformt.

Bei vielen Vermögensverwaltern kommt das Multi-Asset-Segment nicht wieder richtig in Fahrt. Was stimmt Sie so positiv?
Külps: Ich habe das Gefühl, dass viele aktive Marktteilnehmer es nicht geschafft haben, eine Outperformance zu generieren. Wenn ich unser passives 60/40- oder 80/20-Portfolio gegen einen der größeren Multi Asset Player vergleiche, kann es sich sehr gut sehen lassen.

Wichtig dürfte dabei vor allem sein, Multi Asset richtig zu verkaufen. Bislang wurde diese Strategie von Beratern ja häufig so angepriesen, dass jetzt endlich das Produkt gefunden worden sei, mit dem man niemals wieder Verluste erleidet.
Külps: Um Multi Asset zu verkaufen, wird häufig argumentiert, dass es einen aktiven Fondsmanager gibt, der weiß, dass wann die Aktien fallen werden und daher in dem Moment andere Assetklassen übergewichtet, um die Kursverluste abzufangen. Aber so ist es ja nicht. Auch die großen Multi Asset Manager haben ihre Risikobänder, in denen sie versuchen, Performance zu erzielen. Ebenso versuchen auch wir, stringent mit einer Quote eine breitere Diversifizierung abzubilden und somit Risikoprofile anzubieten, die für jeden passen können.

Was raten Sie den Anlegern angesichts der aktuelllen geo- und geldpolitischen Unsicherheiten?
Külps: Wir empfehlen ihnen: Bleibt diszipliniert, setzt euch ein Ziel und baut die richtige Balance in eurem Portfolio auf, um es zu erreichen. Wir wissen dank unserer Studien, dass dies der effektivste Weg ist, langfristig Vermögen aufzubauen. Wir können nicht um die Ecken schauen! Vielleicht liegt das Geheimnis von Vanguard in der Erkenntnis, dass wir das eben nicht können und stattdessen langfristig auf unserem Pfad bleiben. Ein Mantra unseres Gründers Jack Bogle lautete „stay the course“ – „bleibe auf deinem Kurs“.

Wie läuft Ihre Kooperation mit Standard Life?
Külps: Sie läuft hervorragend. Wir haben Standard-Life-Global-Index-Fonds mit ihnen gelauncht, ein Standard-Life-Produkt mit 100 Prozent Vanguard-Produkten. Der Start war sehr positiv und die Nachfrage stark.

Eine angelsächsische Kombination sozusagen.
Külps: Ja, aber wir haben auch sehr gute Partnerschaften mit deutschen Versicherern.

Wie sieht die Finanzberatung der Zukunft aus?
Külps: Sie wird weg vom Produktvertrieb hin zur ganzheitlichen Beratung gehen. Das heißt aber auch weg vom Portfoliomanagement und hin zu Lösungen. Zum Thema Lösungen sind wir beispielsweise gerade mit Reuss Private Bank für Wertpapierhandel eine strategische Partnerschaft für eine passive Vermögensverwaltung eingegangen, auch hier ist die erste Resonanz sehr positiv. Viele Anlageberater möchten sich noch als Portfoliomanager und im Market Timing beweisen, was aber meist nicht gut gelingt. Wenn ich die Zeit habe, mich der ganzheitlichen Beratung zu widmen, weiß ich, dass ich wahrscheinlich einen größeren Mehrwert generieren kann als mit Portfoliomanagement. Daneben werden Technologie und KI eine noch wichtigere Rolle spielen. KI wird den Anlageberater aber nicht ersetzen, weil eben die menschliche Komponente sehr wichtig ist.

Inwieweit integrieren Sie KI schon jetzt im Asset Management?
Külps: Als weltweit zweitgrößter Vermögensverwalter befassen wir uns natürlich mit diesem Thema. Dabei geht es aber nicht nur darum, Assets besonders effizient zu handeln. KI wird auch eine Rolle dabei spielen, wie wir Portfoliomanagement betreiben. KI wird auf jeden Fall eine wichtige Rolle dabei spielen, dass wir effizienter arbeiten können – sowohl im Portfoliomanagement, als auch im Vertrieb.

Es gibt Anbieter von vollumfänglich KI-gesteuerten Fonds, die behaupten, dauerhaft ein Alpha zwischen zwei und drei Prozent zu erzielen.
Külps: Hier fragt sich: Ist das wirklich eine reine Generierung von Alpha oder die Effizienz der Umsetzung? Man kann das in beide Richtungen betrachten. Wir müssen sehen, wie KI helfen kann, besseres Alpha zu generieren.

Interview: Frank O. Milewski, Cash.

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