Verbot für Geld in Rüstung soll fallen: „Hoffentlich nur ein schlechter Scherz“

Torsten Müller
Foto: Andreas Endermann
Torsten Müller, Ökoworld

EXKLUSIV Deutsche Banken- und Fondsverbände wollen Investitionen nachhaltiger Anlageprodukte in konventionelle Rüstungsgüter nicht länger untersagen. Was auf Nachhaltigkeit spezialisierte Fondshäuser dazu sagen.

Vor dem Hintergrund der geopolitischen Veränderungen, des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine sowie Europas Wettbewerbsfähigkeit rückt der Ausbau der Rüstungsindustrie in den Fokus der Politik. Geld dafür soll nach dem Willen der EU-Kommission auch aus der Finanzwirtschaft kommen. Das Aufgeben des „Nein“ zur Verteidigungsindustrie sei „ein wichtiger Schritt hin zur EU-weiten Standardisierung der Mindestanforderungen an nachhaltige Fonds“, sagte ein Sprecher des Deutschen Fondsverbands BVI.

Bei den auf Nachhaltigkeit spezialisierten Fondshäusern stoßen die Pläne auf wenig Gegenliebe. „Das ist hoffentlich nur ein schlechter Scherz – denn was bringt es, wenn der Panzer aus recyceltem Stahl gebaut wird, sein Ziel aber die Zerstörung von Infrastruktur und Menschenleben ist? Das hat in unseren Augen nichts mit Nachhaltigkeit zu tun“, sagt Ökoworld-Vorstandsmitglied Torsten Müller. „Wir stehen als Ökoworld nach wie vor zu unseren Grundfesten, dass Waffentechnologie alles andere als nachhaltig ist und nichts in unseren Fonds zu suchen hat. Gleiches gilt für Atomenergie, Erdöl, Chlorchemie und Kinderarbeit.“


Das könnte Sie auch interessieren:

Beim Schweizer Investmenthaus Arete Ethik Invest wird das neue Vorgehen in dieser Form ebenfalls klar abgelehnt. „Ein ethischer Gehalt ist in der kommunizierten Begründung gänzlich fehlend. Stattdessen scheint man getrieben von Wettbewerbszwängen und argumentiert wie früher auf dem Schulhof, wenn man nach einer Missetat von einer Lehrperson konfrontiert wird: Aber die anderen würden sich doch auch so verhalten“, sagt Ethik-Analyst Dr. Michael Heumann. „Unabhängig davon, wie man zum Thema Ethik, Nachhaltigkeit und Rüstung steht – ob streng pazifistisch oder ein Stück weit die Notwendigkeit zur Verfügungstellung von Mitteln zur Führung eines gerechten Krieges anerkennend, ob man Rüstungsinvestitionen absolut ausgeschlossen sehen möchte oder aus ethisch-nachhaltiger Sicht auch eine andere Haltung einnimmt und die Tür ein Stück weit öffnet für bedingte Investitionen in ausgewählte Rüstungsprodukte und -unternehmen – wirtschaftliches Sachzwangdenken oder moralisch-politisch opportunes Surfen auf der Zeitgeistwelle können die Verantwortung zu einer fundierten ethischen Begründung in diesem moralisch hoch sensiblen Bereich nicht ersetzen, sondern stehen einer guten Ethik klar entgegen.“

Auch das Forum Nachhaltige Geldanlagen (FNG), ein Fachverband für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich, Liechtenstein und der Schweiz, spricht sich gegen eine Vermischung der Sicherheits- mit der Nachhaltigkeitsdebatte aus. „Die Nachhaltigkeitsdebatte sollte wissenschaftsbasiert und nicht politisch motiviert geführt werden“, erklärt Geschäftsführerin Verena Menne. „Dabei möchten wir ausdrücklich festhalten, dass wir einem Land nicht das Recht absprechen, sich im Falle eines Angriffs mit Waffen zu verteidigen. Das FNG erkennt an, dass es durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine einen großen Bedarf an der Finanzierung von Verteidigungswaffen gibt. Diese Investitionen sind jedoch bereits Stand heute möglich.“ Die Diskussion drehe sich aktuell bei Rüstung hauptsächlich um den positiven Beitrag zur Sicherheit. Es werde dabei jedoch außer Acht gelassen, ob durch die Rüstungsindustrie signifikanter Schaden entsteht. „Diese Frage ist mit einem eindeutigen ‚Ja‘ zu beantworten – damit ist Rüstung nicht nachhaltig“, betont sie.

Immerhin: Völkerrechtlich geächtete Waffen sollen auch weiterhin vollständig für Investitionen ausgeschlossen bleiben. Die Aufsichtsbehörden müssen noch grünes Licht für die Pläne geben.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments