Mit dem Start des Vergleichsportals für Baufinanzierungen hat der Online-Marktplatz Immobilienscout24 im letzten Jahr für Bewegung im Finanzierungs-segment gesorgt. Ralf Weitz, Mitglied der Geschäftsleitung, zieht eine erste Zwischenbilanz.
Cash.: Ende Februar 2012 hat Immobilienscout24 ein Finanzierungs-Vergleichsportal eingeführt. Wie fällt Ihr Zwischenfazit zu dem neuen Online-Marktplatz aus, wurden Ihre Wachstumserwartungen erfüllt?
Weitz: Nach einem Jahr hat unser Vergleichsportal für Baufinanzierungen die Erwartungen übertroffen. Die neue Transparenz im Finanzierungsmarkt – ermöglicht durch einen Anbietervergleich, den aktuellen Zinsüberblick und ein realistisches Bewertungssystem – kommt als Konzept bei Finanzanbietern und Interessenten gleichermaßen gut an. Dies wird sowohl von den Zahlen als auch vom Feedback auf Anbieter- und Nachfragerseite belegt. Aber wir gehen noch weiter und arbeiten kontinuierlich an unseren Produkten – die nächsten Monate bleiben spannend.
Wie hat sich die Zahl der Zugriffe und Anbieter auf dem Vergleichsportal entwickelt?
Die Zahl der Zugriffe auf Baufinanzierungsseiten von Immobilienscout24 hat sich in den letzten zwei Jahren mehr als verdoppelt. Das Wachstum in diesem Bereich ist nachhaltig und bestätigt den Trend, dass auch komplexe Finanzprodukte zunehmend über das Internet gefunden werden.
Wir konnten den Abstand zum Wettbewerb vergrößern und sind aktuell klar Marktführer bei Traffic und Usern. Aktuell informieren sich jeden Monat eine Million Menschen auf Immobilienscout24 zum Thema Baufinanzierung. Auf Anbieterseite nutzen mehr als 1.500 Banken und Finanzberater unser Portal.
Welche Resonsanz erhalten Sie insgesamt aus dem Markt?
Die starke Entwicklung unserer User- und Anbieterzahlen zeigt, wie groß das Interesse an unserem Vergleichsportal für Baufinanzierung ist. Nachfrager schätzen die Plattform, um in das komplexe Thema „Baufinanzierung“ einzusteigen und sich einen Überblick über die Konditionen zu verschaffen. Finanzvermittler und Banken erschließen einen neuen Vertriebskanal, erhalten Kontakt zu Finanzierungsinteressenten und können sich mit Seriosität und Beratungsleistung dank der Möglichkeit zur Bewertung von Mitbewerbern abheben.
Was tun Sie, um etwaige Manipulationsversuche im Rahmen der Bewertungsfunktion auf Ihrer Plattform zu unterbinden?
Wir haben hierfür zahlreiche technische Online-Lösungen entwickelt. Sie verhindern, dass ein Finanzanbieter sich selbst oder einem anderen Anbieter eine Baufinanzierungsanfrage stellen beziehungsweise eine Bewertung für sein oder ein anderes Unternehmen abgeben kann. Mit solchen Lösungen verhindern wir zum Großteil falsche Bewertungen.
Zudem kontrollieren wir stichprobenartig die Bewertungsresonanz einzelner Anbieter und gehen dem händisch bis zum Verbraucher nach. Weiter regelt ein Kodex, den wir zusammen mit der Uni München entwickelt haben, wie wir im Einzelnen mit Bewertungen umgehen und welchen Rahmen wir zur Kommentierung von Bewertungen setzen. Aber auch hier kann es keine 100-prozentige Sicherheit geben. Die Branche tut gut daran, Plattformen wie unsere nicht zu missbrauchen.
Inwieweit kann es auf Ihrer Plattform zu „Schaufensterkonditionen“ kommen?
Zunächst sind leider „Schaufensterkonditionen“ ein gelerntes Marketinginstrument in der Branche, daran hat auch die Verbraucherkreditrichtline in der Praxis wenig geändert. Wir als Marktplatz sind auf die Seriosität der Marktteilnehmer angewiesen, versuchen aber durch intelligente Feedbacksysteme, „ehrliche“ Konditionsangaben zu belohnen.
Jeder Anbieter von Baufinanzierungen muss dafür Sorge tragen, dass seine aktuellen Konditionen den geltenden Regeln der Verbraucherkreditrichtlinie entsprechen und dafür auch bei uns aktiv die Verbraucherkreditrichtlinien bestätigen. Und Verbraucher sind natürlich lernfähig, das heißt sie bemerken spätestens im Verlauf der Suche nach einem Kredit, wenn Konditionen nur Werbekonditionen sind. Als Ergebnis werden die Konditionen der Anbieter stärker hinterfragt. Die Möglichkeit, einen Anbieter negativ zu bewerten, wenn die Kondition im späteren Gespräch auffällig abweicht, wird auch tatsächlich genutzt.
Wie ist – gemessen am Feedback der Finanzierungsanbieter – die Qualität der über Ihren Marktplatz generierten Leads, sprich der Finanzierungsanfragen?
Ein Marktplatz lebt von seiner Größe und Bedeutung. Für uns stand und steht im Fokus, diesen Marktplatz für Anbieter und Nachfrager größer und attraktiver zu gestalten.
Attraktivität definieren wir über Angebot und Informationen, sodass Nachfrager gern unseren Marktplatz nutzen, weil sie dort alles finden, was sie benötigen, um eine Entscheidung zu treffen. Und immer mehr User treffen ihre Entscheidung über unsere Plattform. So konnten Anbieter ihre Terminquoten und Abschlussquoten zum Thema Baufinanzierung im letzten Jahr weiter steigern.
Planen Sie Weiterentwicklungen? Und was sind Ihre Ziele mit dem Portal für 2013?
Wir wissen um den Auftrag und das Vertrauen unserer Kunden und so werden wir das Portal technologisch 2013 weiter vorantreiben. Ziel ist es, den Gesamtmarkt auf der Angebotsseite bis Ende dieses Jahres abzubilden.
Haben Sie mit Blick auf die Nachfrage auf dem Portal Veränderungen registriert – beispielsweise dahingehend dass weniger Eigenkapital eingesetzt wird?
Durch die eingehenden Finanzierungswünsche der Kaufinteressenten können wir auf unserem Portal genau messen, wie sich der Markt der Baufinanzierung verändert. Wir stellen ganz klar fest, dass Immobilienkäufer immer stärker dazu bereit sind, sich zu verschulden. Das Verhältnis von Darlehenswunsch und Haushaltseinkommen verschlechtert sich auf der Anfragenseite weiter.
In Großstädten wie München, Hamburg und Köln wird mittlerweile durchschnittlich das 70-Fache des Haushaltseinkommens als Darlehen angefragt. Das heißt, bei einer Zinsbindung von zehn Jahren und einer anfänglichen Tilgung von einem Prozent haben wir aufgrund der gestiegenen Kaufpreise in solchen Top-Lagen inzwischen theoretische Kreditgesamtlaufzeiten von mehr als 40 Jahren. Dies kann nicht im Interesse von Kreditnehmern und -gebern sein.
Welchen Einfluss haben Rahmendaten wie die aktuelle Zins-, aber auch die Preisentwicklung auf die Aktivität auf dem Portal?
Das Interesse an Immobilien – und damit auch an Baufinanzierungen – ist nach wie vor sehr groß. Das sehen wir auf Immobilienscout24 insgesamt, aber auch auf unserem Baufinanzierungsportal. Steigende Mieten in den Großstädten, das nach wie vor sehr niedrige Zinsniveau und die Skepsis gegenüber anderen Anlageformen machen den Kauf einer Wohnung oder eines Hauses für viele Menschen attraktiv. Die steigenden Immobilienpreise wirken dem nach unserer Einschätzung nicht entgegen.
Im Gegenteil: Auch Haushalte mit wenigen Ersparnissen und geringem Einkommen lassen sich durch die niedrigen Zinsen dazu verführen, nun über einen Immobilienkauf nachzudenken. Das sehen wir deutlich in den Finanzierungsanfragen, die jeden Tag auf unserem Portal eingehen. Die Verantwortung von Finanzberatern und Banken ist hier, diesen Interessenten vor Augen zu führen, ob sie eine langfristige Finanzierung wirklich realisieren können. Denn trotz der Rahmenbedingungen ist der Kauf einer Immobilie nicht für jeden die richtige Entscheidung. Die persönliche finanzielle Situation muss in jedem Fall – auch langfristig – stimmen.
Haben Sie grundsätzliche Ratschläge für Immobilienkäufer und Bauherren in der aktuellen Situation?
Da das Thema Baufinanzierung sehr individuell ist, ist diese Frage immer schwer zu beantworten. Grundsätzlich gilt: Verbraucher, die Sicherheit in der Kondition benötigen, machen in der aktuellen Situation nichts verkehrt, sich das im Rückblick niedrige Zinsniveau langfristig auch mit mehr als zehn Jahren Zinsbindung zu sichern. Zumal sie nach zehn Jahren stets die freie Wechselmöglichkeit haben. Kunden, die das Geld zum Kauf einer Immobilie haben, fahren mit einem variablen Kredit – wenn sie denn finanzieren wollen – besser und können so ihre Kreditkosten reduzieren.
Welche Konsequenzen erwarten Sie aus einer fortgesetzten europäischen Regulierung des Hypothekenmarkts?
Wenn Märkte reguliert werden, bedeutet dies häufig auch eine Konsolidierung. Dies muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil: Durch die angestrebte Regulierung sollen ja die Qualität in der Beratung steigen und die Verbraucherinteressen gestärkt werden. Dies ist meiner Einschätzung nach dringend notwendig. Der Verbraucher hat es verdient, über Kreditrisiken und die Kosten eines Kredites vor Abschluss durch seine Bank beziehungsweise seinen Berater verständlich aufgeklärt zu werden.
Interview: Thomas Eilrich
Foto: Immobilienscout24