Die Fähigkeit, genau zu erspüren, was in anderen vorgeht, wird übrigens als „empathic accurancy“, also als empathische Treffsicherheit bezeichnet. Sie beträgt, wie Studien von William Ickes, Psychologie-Professor an der Universität Texas, zeigten, bei Freunden etwa 20 Prozent und bei verheirateten Paaren etwa 35 Prozent. Werte über 50 Prozent erreichen nur wenige. Es sei denn, man trainiert. Wie das geht? Das steht im Kasten.
Professionelle Menschenversteher gefragt
Jeder Mensch ist einzigartig. Und keiner ist wie Sie. Wir neigen ja gerne dazu, anzunehmen, andere sähen die Welt ein wenig wie wir. Und sind dann immer wieder erstaunt, wie jemand eine so völlig andere Sicht der Dinge haben kann.
Doch so wie jedes Gesicht einzigartig ist, so ist auch das Gehirn jedes Individuums anders gebaut. Und deswegen denkt, fühlt, handelt, entscheidet und kauft jeder auf seine eigene einzigartige Weise.
Also gilt es, die Kaufmotive aufzuspüren und dann die Botschaften zu senden, die nicht nur relevant sind, sondern auch den jeweiligen Kunden emotional berühren – um damit sein Belohnungssystem zum Jubeln zu bringen. Denn nur dann ist ein Ja zu erzielen.
Deswegen heißt es, sich von standardisierten Gesprächen und stereotypen Leitfäden endgültig zu trennen. Je nachdem, ob wir es mit männlichen oder weiblichen Kunden zu tun haben und überdies auf den limbischem Typ ausgerichtet sind völlig unterschiedliche Verkaufsgespräche zu konzipieren.
Am Verhandlungstisch ist dieses Wissen dann virtuos einzusetzen. Sind etwa beide Geschlechter zugegen, dann sagen wir das, was zu sagen ist, mal auf eine männliche und mal auf eine weibliche Weise. Nur so nämlich fühlen sich alle im Gespräch wirklich angenommen und verstanden. Und nur, wer sich verstanden fühlt, der kauft.
Wir können den Menschen nur vor die Stirn schauen. Was sich dahinter tut, lässt sich nur durch Fragen erfahren. Fragen heißt anklopfen, und der Hausherr macht mentale Türen und Fenster auf und lässt uns ein wenig in seine Hirnwindungen schauen. Damit wir nun die emotionalen Bereiche seines Oberstübchens erreichen, benötigen wir emotionalisierende Fragen.
Emotionalisierende Verkaufsgespräche
Emotionalisierende Fragen beschäftigen sich ganz gezielt mit der Sichtweise unseres Gesprächspartners, mit seinem Blickwickel und auch mit seinem Gefühlsleben. Und so hört sich das an:
– Was wäre denn Ihr größter Wunsch an uns?
– Was fasziniert Sie an … denn so ganz besonders?
– Was halten Sie denn ganz persönlich von dieser Sache?
– Aus welchen Gründen ist das so wichtig für Sie?
– Was geht in Ihnen vor, wenn Sie das hören?
– Stellen Sie sich doch nur mal vor, wenn Ihr Herzenswunsch in Erfüllung ginge.
– Was wäre Ihr größter Traum?
Solche Fragen können in alle Phasen eines Verkaufsgesprächs eingestreut werden. Achten Sie besonders darauf, dass Männer und Frauen einen unterschiedlichen Zugang zu ihren Gefühlen haben. Je nach Situation kann man einen weiblichen Gesprächspartner durchaus mal fragen: „Wie fühlen Sie sich dabei, Frau X?“ Bei männlichen Kunden klingt das eher so: „Wie wirkt das auf Sie, Herr Y?“
Noch verstärkt werden emotionalisierende Fragen durch den Nachsatz „Erzählen Sie mal…“. Die Erzählen-Sie-mal-Frage ist geradezu magisch, denn im Plauderton deckt der Kunde am ehesten seine wahren Motive auf. Und so erhalten Sie womöglich durch einen klitzekleinen Hinweis den Wissensvorsprung, den Sie brauchen, um emotionalisierend zum Abschluss zu kommen.
Anne M. Schüller ist Diplom-Betriebswirtin, Business-Speaker und Trainerin. Sie gilt als führende Expertin für Loyalitätsmarkting und bietet Seminare zum Thema an.