Zunächst stellte das Oberlandesgericht München fest, dass nicht nur Abschlussprovisionen, sondern auch Bestandsprovisionen eine „entgeltliche Leistung“ sind, für die als reale Gegenleistung die Kundenpflege erbracht wird. Diese Erkenntnis ist im Finanz- und Versicherungsvertrieb sicher nicht neu.
Aus Sicht der Münchener Richter bedufte sie aber einer besonderen ausdrücklichen Feststellung, weil der Insolvenzverwalter im Hinblick auf die besonderen Anfechtungsmöglichkeiten von Rechtsgeschäften in der Insolvenz auch damit argumentiert hatte, bei den Bestandsprovisionen läge eine unentgeltliche Leistung vor. Dem wollten die Richter nur teilweise folgen.
Nach dem Urteil kommt es nämlich darauf an, ob der Provision objektiv eine angemessene ausgleichende Gegenleistung gegenübersteht.
Objektiv überhöhte Bestandsprovisionszahlungen müssen nach dem Richterspruch aufgeteilt werden, und zwar in einen angemessenen und damit entgeltlichen Teil und in einen unangemessenen und damit unentgeltlichen Teil. Was theoretisch eindeutig klingt, ist im Regelfall der Praxis allerdings oft weniger klar. Wer soll generell entscheiden, ob einer Bestandsprovision objektiv eine angemessene Gegenleistung gegenüber steht?
Im Phoenix-Verfahren hatten es die Richter insoweit leicht, als die tatsächlichen Kapitalbestände gegenüber den Scheinbeständen als objektiv falscher Berechnungsgrundlage der Bestandsprovisionen in den Rechtsstreit eingeführt worden waren. Daher ließ sich rechnerisch ermitteln, welche Bestandsprovisionen die „richtigen“ gewesen wären.
Auch im Hinblick auf die objektiv gerechtfertigten Provisionen drehten die Richter jedoch noch eine „juristische Pirouette“. Sie verwiesen zunächst darauf – was selbst der klagende Insolvenzverwalter zunächst nicht verfochten hatte –, dass aufgrund der zivilrechtlichen Nichtigkeit der Anlageverträge bei einem Schneeballsystem wegen Sittenwidrigkeit gemäß Paragraf 138 BGB „eigentlich“ für die Vermittlung derartiger Verträge auch kein Provisionsanspruch entstanden sein könne.
Hier rechnete das Gericht jedoch dem Vertriebsunternehmen seine Gutgläubigkeit an. Da es ebenso wie die Kunden von einem seriösen Anlageprodukt ausgegangen sei, müsse es jedenfalls nach Treu und Glauben im Verhältnis zum Produktgeber als dem eigentlichen „Übeltäter“ so gestellt werden, als ob tatsächlich wirksame Verträge zustande gekommen wären.
Die gezahlten Provisionen hätten nicht die Aufgabe gehabt, damit die Vermittler nur zur Fortsetzung ihrer Tätigkeit und letztlich dem Fortbestand des Schneeballsystems zu motivieren, sondern sie sollten auch die konkrete Vermittlungstätigkeit gemäß den Vermittlungsverträgen entlohnen. Damit durfte das gutgläubige Vertriebsunternehmen den auf tatsächlich zutreffender Grundlage berechneten Provisionsanteil endgültig behalten, auch wenn die vermittelten Verträge rechtlich unwirksam gewesen waren.