Versicherer und Nachhaltigkeit: „Tue Gutes und sprich darüber“

Foto: Q_Perior
Eva Baumgart (li.) und Thanh Ngoc Bui

Nachhaltigkeit wird für Versicherer und ihre Kunden zu einem immer zentraleren Faktor. Eine aktuelle Studie von Q_Perior zeigt, worauf Kunden bei diesem Thema besonders achten, wie die großen Versicherer wahrgenommen werden – und wie viel mehr Kunden bereit sind, für Nachhaltigkeit zu zahlen. Von Eva Baumgart und Thanh Ngoc Bui

Im November 2021 erlebte der FC Bayern München die wohl turbulenteste Jahreshauptversammlung seiner Geschichte. Der Auslöser: der Sponsoring-Vertrag des FC Bayern mit der Fluglinie Qatar Airways. Bei einigen Mitgliedern hatte sich Widerstand gegen diese umstrittene Partnerschaft geregt, der Verein wollte nicht darüber reden – und unterschätzte die Sprengkraft des Themas.

Die Stimmung in der Halle kippte, ein überforderter Präsident Herbert Hainer stoppte abrupt die Aussprache, Buhrufe und Pfiffe füllten die Halle. Der sonst selten sprachlose Uli Hoeneß stand stumm hinterm Rednerpult und verließ dann die Versammlung mit den Worten, dies sei die schlimmste Veranstaltung gewesen, die er je beim FC Bayern erlebt habe.

Es sollte noch rund anderthalb Jahre dauern, aber im Sommer 2023 wurde schließlich die Zusammenarbeit zwischen Qatar Airways und dem FC Bayern München beendet. Dieser Streit erstaunte nicht nur die Fußballwelt, er zeigt insbesondere, wie viel Bedeutung das Thema der guten Unternehmensführung mittlerweile hat. Das gilt für Fans ebenso wie für Verbraucherinnen und Kunden, und hauptsächlich auch für Versicherungskunden: 85 Prozent erachten verantwortungsvolle Unternehmensführung bei Versicherern als wichtig oder sehr wichtig. Das ist ein zentrales Ergebnis der aktuellen Studie „Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche: Das erwarten Kunden beim Thema ESG entlang der Customer Journey“ des Beratungsunternehmens Q_Perior.

Diese gute Unternehmensführung steckt hinter dem „G“ in ESG und steht für Governance. Hinzu kommen das „E“ für Environment und das „S“ für Social aus ESG, also die Bereiche Umwelt und Soziales. Diese ESG-Kriterien rücken in gesellschaftlichen Diskussionen, in der medialen Berichterstattung und auch in der Politik immer stärker in den Fokus. Sie haben dabei längst die Diskursebene verlassen und entfalten wachsende Bedeutung im wirtschaftlichen Alltag – auch bei Versicherern. Denn nicht nur der regulatorische Druck wird größer, auch für Kunden werden Nachhaltigkeitsfaktoren immer wichtiger.

Deutliche Entwicklung in kurzer Zeit

So zeigt die Studie von Q_Perior, dass zwei Drittel der Befragten die Umsetzung von ESG-Kriterien bei Versicherungsunternehmen als wichtig erachten. Interessant dabei: Während in der breiten öffentlichen Debatte üblicherweise das Thema Umwelt am stärksten beachtet wird, ist dieses für Versicherungskunden nicht zentral. Zwar stimmten 61 Prozent der Aussage zu „Mir ist wichtig bzw. sehr wichtig, dass das Versicherungsunternehmen einen Beitrag zum Umweltschutz leistet“, aber die Dimensionen Soziales und Governance werden als deutlich wichtiger bewertet: Neben den bereits erwähnten 85 Prozent, die Unternehmensführung als wichtig und sehr wichtig bewerten, gaben auch 76 Prozent an, dass ihnen die soziale Verantwortung wichtig sei.

Die aktuelle Studie zeigt darüber hinaus die gestiegene Bedeutung von Nachhaltigkeitsfaktoren für Versicherungskunden. So geben 80 Prozent der Befragten an, mindestens ein ESG-Kriterium beim nächsten Abschluss berücksichtigen zu wollen. Mehr als ein Drittel möchten sogar mindestens zwei Kriterien berücksichtigen und 20 Prozent wollen auf alle drei Kriterien achten. Bei einem vergangenen Abschluss haben hingegen nur 40 Prozent mindestens ein ESG-Kriterium berücksichtigt.

Im Vergleich: Das Marktforschungs- und Beratungsinstitut Heute und Morgen hat vor etwa zwei Jahren eine Studie veröffentlicht, laut der rund 60 Prozent der Verbraucher sich vorstellen können, in Zukunft gezielt nachhaltige Versicherungsprodukte abzuschließen. Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studie von Heute und Morgen achteten nur rund zehn Prozent der Befragten von sich aus auf Nachhaltigkeit.

Das richtige Produkt für die richtige Zielgruppe

Zudem kam die Studie von Heute und Morgen 2021 zu dem Ergebnis, dass die große Mehrheit der Verbraucher im Versicherungsbereich kaum bereit war, für nachhaltige Produkte höhere Kosten oder Leistungsverzichte in Kauf zu nehmen. Auch hier zeigen die aktuellen Zahlen eine klare Entwicklung. Laut der Studie sind 58 Prozent der Befragten bereit, mehr für nachhaltige Produkte zu zahlen – und zwar im Durchschnitt 7 Prozent mehr.

Die Altersgruppe der 18- bis 29-Jährigen ist sogar bereit, 12 Prozent mehr zu zahlen und die 30- bis 39-Jährigen würden 11 Prozent mehr zahlen. Dieser Effekt verstärkt sich noch, schaut man in die Zielgruppe der jungen Eltern: Eltern unter 40 Jahren haben im Durchschnitt eine um 15 Prozent höhere Zahlungsbereitschaft. Das ist eine deutliche Entwicklung und eröffnet Versicherungen spannende Opportunitäten.

So zeigen diese Ergebnisse, dass zwar nicht alle Kunden bereit sind, mehr zu zahlen. Werden jedoch die richtigen Zielgruppen mit den richtigen Produkten angesprochen, können bislang unausgeschöpfte Potenziale gehoben werden. Gleich geblieben ist hingegen der Wunsch von Versicherungskunden nach Information. Bereits die Studie von vor zwei Jahren kommt zu dem Ergebnis, dass verstärkte Information von Versicherungsunternehmen über ihre Nachhaltigkeitsaktivitäten gut ankommt. Das hat sich bis heute nicht geändert, zeigt aber gleichzeitig, wo Versicherer noch Optimierungsbedarf haben. Wird eine Versicherung nicht als nachhaltig wahrgenommen, so liegt dies mit am häufigsten an fehlenden Informationen zu diesem Thema in der öffentlichen Kommunikation.

Dabei zeigen die aktuellen Zahlen einen sehr interessanten Effekt: Die Personengruppe, für die der öffentliche Auftritt einer Versicherung in Bezug auf Nachhaltigkeit hohe Relevanz hat, hat eine im Durchschnitt höhere Zahlungsbereitschaft von 13 Prozent für nachhaltige Produkte. Das unterstreicht, wie wichtig es für Versicherungen sein kann, die eigene Darstellung zu optimieren und transparent zu gestalten.

Transparent und glaubwürdig berichten

Wie nachhaltig Versicherer von ihren eigenen Kunden und vom Markt wahrgenommen werden, hat die Studie für 13 Unternehmen untersucht. Auffallend: Bei den eigenen Kunden hat die Sparkassenversicherung eine sehr gute Bewertung ihrer Nachhaltigkeit: 0,8 von 1. Bei allen Befragten erhält sie jedoch nur eine Bewertung von unter 0,4. Ähnliches gilt für die Zurich, die von ihren Kunden mit knapp 0,7 bewertet wird, in der allgemeinen Wahrnehmung jedoch nur bei 0,4 liegt. Die LVM und die HUK-Coburg schneiden übergreifend am besten ab.

Die HUK erhält eine Kundenbewertung von knapp 0,7 und eine allgemeine Bewertung von fast 0,8. Die LVM liegt bei Kunden sogar über 0,7 und in der allgemeinen Wahrnehmung knapp unter 0,8. Hier lohnt sich für Versicherer ein Blick auf die externe Kommunikation zum Thema Nachhaltigkeit, um die Wahrnehmung der eigenen Kunden sowie auch die des Marktes im Kontext Nachhaltigkeit zu schärfen.

Diese Wahrnehmung, insbesondere die der eigenen Kunden, ist für Versicherer durchaus zentral. Denn die Studie zeigt: Es gibt einen Zusammenhang zwischen der Kundenwahrnehmung von Nachhaltigkeit und der Kundenzufriedenheit. Und zufriedene Kunden sind loyaler, kündigen oder stornieren seltener ihre Verträge und haben höhere Anbindungsquoten als unzufriedene Kunden. Dabei fällt auch hier auf, dass die ESG-Dimensionen Soziales und Governance, beziehungsweise deren Wahrnehmung, einen größeren Einfluss auf die Kundenzufriedenheit haben als die Dimension Umwelt.

Die Ergebnisse der Q_Perior-Studie zeigen: ESG-Kriterien gewinnen immer stärker an Relevanz für Kunden. Sie haben signifikanten Einfluss auf Abschlussentscheidungen sowie die Kundenzufriedenheit und werden somit zum grundlegend Erfolgsfaktor. Versicherer müssen auf diesen Wandel reagieren. Entscheidend ist, sich in allen Bereichen der Wertschöpfungskette bestmöglich nachhaltig zu positionieren.

Die Kommunikation ist ein wesentlicher Schlüssel

Dabei liegt ein besonderer Fokus auf der Kommunikation von Versicherern. Grundlage dafür ist, dass Versicherer eine breit aufgestellte, übergeordnete Nachhaltigkeitsstrategie entwickeln und diese konsequent und glaubwürdig verfolgen. Ist das der Fall, sollten Versicherer dies auch stolz vertreten. Die Umsetzung nachhaltiger Maßnahmen und ihre Wirkung sollte entlang aller Customer Touchpoints nachvollziehbar dargestellt werden – getreu dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“.

Zu den Autorinnen: Eva Baumgart ist Managerin bei Q_Perior und berät Versicherungsunternehmen in den Bereichen Sales, Marketing, Regulatorik und Sustainable Finance. Thanh Ngoc Bui ist ebenfalls Managerin bei Q_Perior und hat den Fokus in globalen IT-Projekten und der ESG-Integration.

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