Zum Thema IMD 2 befragt, verbinden viele Vermittler hiermit nur Provisionsoffenlegungspflichten, Provisionsannahmeverbot und stärkere Regulierung. Dabei bringt die IMD 2 durchaus auch positive gesetzliche Neuregelungen mit sich.
Gastbeitrag von Jens Reichow, Kanzlei Michaelis
Dies zeigt beispielsweise ein Blick auf die Änderungen der Richtlinie zu den Pflichten im Rahmen des Vermittlungsvorganges.
VVG: Rigider, einheitlicher Vermittlungsvorgang
Die aktuelle gesetzliche Regelung des § 61 Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), welche auf der ursprünglichen EU-Vermittlerrichtlinie basiert, geht von einem einheitlichen Vermittlungsvorgang aus.
Der Vermittlungsvorgang beginnt dort mit der Erforschung der Wünsche und Bedürfnisse des (potenziellen) Versicherungsnehmers. Anschließend geht es dann zur Produktberatung über, bevor der Vermittlungsvorgang mit der Empfehlung des Vermittlers zugunsten eines bestimmten Produktes inklusive Begründung endet und der Versicherungsnehmer sich dann für oder gegen den Abschluss eines Versicherungsproduktes entscheidet.
Wollen Versicherungsnehmer und/oder Vermittler von diesen gesetzlichen Vorgaben abweichen, so ist dies nur durch eine gesonderte schriftliche Verzichtserklärung des Versicherungsnehmers möglich.
IMD 2: Mehr Freiraum bei der Vermittlung
Der Entwurf der IMD 2 gewährt den Parteien des Vermittlungsvorganges mehr Freiraum die wechselseitigen Pflichten zu gestalten. Er sieht eine Auftrennung des bisher einheitlichen Vermittlungsvorganges in zwei Teilbereiche vor: Vermittlung und Beratung. Er orientiert sich dabei stärker an dem gesetzlichen Leitbild der Pflichten von Anlagevermittler und -berater.
Die Trennung von Vermittlung und Beratung führt dazu, dass sich der Versicherungsvermittler zukünftig auf eine reine Vermittlungstätigkeit beschränken darf. Wie der Anlagevermittler schuldet er dann lediglich die Übermittlung von Informationen zu dem angebotenen Produkt, sodass der Versicherungsnehmer dann selbst eine Entscheidung treffen kann, ob er den ihm angebotenen Versicherungsvertrag abschließen möchte.
Haftungsrisiko des Versicherungsvermittlers sinkt erheblich
Der Versicherungsvermittler wird dadurch von seiner Pflicht zur Abgabe einer individuellen Empfehlung zugunsten eines Produktes entbunden und nicht mehr verpflichtet eine Geeignetheitsprüfung für den Versicherungsnehmer durchzuführen.
Der Versicherungsvermittler dürfte die ihm obliegenden Auskunftspflichten sogar regelmäßig durch Überlassung der Versicherungsbedingungen und sonstigen Vertragsbestimmungen nach § 7 VVG erfüllen. Das Haftungsrisiko des Versicherungsvermittlers würde damit erheblich sinken.
Die Beratung des Versicherungsnehmers, das heißt die Abgabe einer persönlichen Empfehlung samt Begründung zugunsten eines bestimmten Versicherungsproduktes, wird danach zukünftig nur noch eine Zusatzleistung des Versicherungsvermittlers sein.
Zusätzliche Verdienstmöglichkeiten
Zweifellos wird diese Zusatzleistung von den meisten Versicherungsvermittlern auch weiterhin angeboten werden, da viele Versicherungsnehmer eine solche aktiv nachfragen werden. Verbunden mit der höheren Flexibilität der Vergütungssysteme, welche nach Vorgaben der IMD 2 auch ein Nebeneinander von Provision und Honorar vorsehen, können sich für den Versicherungsvermittler aus dem Angebot einer individuellen Beratung allerdings zusätzliche Verdienstmöglichkeiten ergeben.
Die IMD 2 bietet dem Versicherungsvermittler also durchaus Chancen, sich zukünftig durch eigene Leistung und Preis von seinen Mitbewerbern abzugrenzen. Besonders aber die Anbieter von Vermittlungsplattformen und Vergleichsrechnern im Internet werden von der Aufteilung zwischen Beratungs- und Vermittlungsleistung profitieren.
Ihnen ist es nämlich zukünftig möglich eine echte Vermittlungsleistung zu erbringen. Bislang waren sie hieran aufgrund der mit der Vermittlungsleistung bisher verbundenen Beratungspflicht gehindert.
Autor Jens Reichow ist Rechtsanwalt in der Hamburger Kanzlei Michaelis und Spezialist für Bank- und Kapitalmarktrecht.
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