Ukraine-Krieg, Inflation und Gasknappheit, aber auch die Bedrohung durch ein zunehmend aggressiver auftretendes totalitäres China dominieren die Diskussion und auch das Verhalten der Verbraucherinnen und Verbraucher: Nachhaltigkeitsaspekte rücken aktuell deutlich in den Hintergrund rücken. Das zeigt eine aktuelle Umfrage der Sparkassen Direktversicherung zu Umwelttarifen in der Kfz-Versicherung sowie Mehrbeiträgen zur CO2-Kompensation eindrücklich.
Die 50-Euro Schmerzgrenze
Nur zehn Prozent der Teilnehmenden würden einen Klimazuschlag von bis zu 50 Euro bezahlen wollen, zwei Prozent einen Zuschlag von mehr als 50 Euro. 74 Prozent gaben an, dass sie sich um diese Angelegenheit lieber selbst kümmerten. 14 Prozent sagten: „Die Idee ist unsinnig; CO2-Ausstoß kann man gar nicht kompensieren.“
„In der Tat: Geht es nach den ‚Klimafrage-Puristen‘, ist jede Kompensation ohnehin Augenwischerei. Nur hundertprozentige Vermeidung ist die Lösung. Also: keine Autos mehr – und damit auch keine Kfz-Versicherung“, resümiert Dr. Jürgen Cramer, Vorstandsmitglied der Sparkassen Direkt Versicherung AG.
Eine mögliche Alternative könnte das Heraussaugen von CO2 aus der Atmosphäre (das sogenannte „Direct Air Capture“) sein – so wie es das Schweizer Start-up Climeworks betreibt. Nur: Für eine Tonne CO2 fallen im Moment um die 600 Dollar an. Man erwartet, dass diese Kosten erst in den nächsten zehn bis zwölf Jahren auf 150 Dollar die Tonne sinken könnten.
Wenn aber das eigene, für Fahrten zum Arbeitsplatz unverzichtbare Auto mit der dazugehörigen Jahresfahrleistung beispielsweise vier Tonnen CO2 in die Luft bläst, dann ist die Elimination von CO2 mittels Direct Air Capture mit in diesem Fall 2.400 Dollar pro Jahr um ein Vielfaches teurer als die Kfz-Versicherung selbst.
Entscheidungen treffen
Die Kunst ist also, die richtige Mitte zu finden. Unrealistische Maximalforderungen nach kompletter Vermeidung von CO2-Emissionen (das hieße Stilllegung aller Autos) helfen genauso wenig wie Greenwashing, also Aktionismus für das eigene Image ohne tatsächliche Wirkung. Es kann nur ein ehrlicher, sinnhafter Ansatz der Kompensation sein, der bei diesem Problem des CO2-Ausstoßes durch Autos tatsächlich hilft.
Dass laut Umfrage nur zwölf Prozent der Kfz-Versicherten bereit sind, die Lösung des Klimaproblems durch Zahlung höherer Beiträge mit anzugehen, ist natürlich bedauerlich. Aber dieser Wert passt zum Ergebnis anderer jüngst veröffentlichter Studien.
Inflation dominiert Kaufverhalten
Das Deutsche Institut für Lebensmittelqualität berichtete kürzlich, dass die steigenden Preise momentan das Kaufverhalten dominierten. In einer repräsentativen Online-Umfrage gaben fast 70 Prozent an, deutlich mehr Geld für Essen auszugeben als vor dem Ukraine-Krieg. Beim Einkaufen achte man daher verstärkt auf Sonderangebote und günstige Lebensmittel. Für einen Teil der Menschen seien Klima- und Umweltschutzaspekte in den Hintergrund gerückt.
Eine Befragung von Yougov im Auftrag von Bearingpoint – speziell bezogen auf Versicherungen – zeigte, dass die Kundschaft das Thema Nachhaltigkeit sehr wohl schätzt. Nur mehr kosten darf es nicht. Und: Das Thema Nachhaltigkeit wird unwichtiger. 2021 fanden noch 71 Prozent der deutschen Verbraucherinnen und Verbrauchern, dass Versicherungsunternehmen mit ihren Produkten nachhaltiges Verhalten fördern sollten, 2022 waren es nur noch 53 Prozent. Ein klarer Absturz in puncto Bedeutung. 32 Prozent wären bereit („eher ja“ war die Antwortvariante), für mehr Nachhaltigkeit auf Versicherungsleistungen zu verzichten, 27 Prozent würden für mehr Nachhaltigkeit eine höhere Prämie zahlen.
Nachhaltigkeit ja, aber keine Mehrkosten
Natürlich könnte es sein, dass unter den 74 Prozent der Kfz-Versicherten, die bei der eingangs genannten Umfrage mit „Um diese Angelegenheit kümmere ich mich lieber selbst“ antworteten, sich viele befinden, die in der Tat aus eigener Kraft Klimakompensationen vornehmen. Effizienter erscheint allerdings eine Bündelung der Aktivitäten.