In dem entschiedenen Fall kommt nämlich noch ein Punkt hinzu, der in der Klagepraxis dem Vernehmen nach ebenfalls nicht selten ist: Der Anleger hatte im Prozess behauptet, den Prospekt nicht erhalten zu haben, obwohl er dies auf dem Zeichnungsschein bestätigt hatte (ohne Datum der Übergabe).
Das kann laut BGH nicht unberücksichtigt bleiben und muss vom OLG Celle nochmals untersucht werden. Das ist auch gut so. Zwar dürfte es durchaus vorkommen, dass Anleger den Zeichnungsschein ungelesen unterschreiben. Dennoch ist es korrekt, sie nicht vollständig aus der Verantwortung zu entlassen und die Unterschrift nicht gänzlich zu ignorieren.
Schon im Sommer hatte der BGH bezüglich einer (angeblich) „blinden“ Unterschrift unter die Beratungsdokumentation entschieden, dass eine „umfassende Würdigung des Einzelfalls“ erforderlich ist (III ZR 296/15). Weder kann also der Anleger generell bestreiten, den Inhalt gekannt zu haben, noch kann der Vertrieb ihn ohne nähere Prüfung auf das „Kleingedruckte“ festnageln.
Datum keine „negative Tatsache“
Die Gerichte müssen sich also die Mühe machen, der Sache individuell auf den Grund zu gehen und können die Fälle nicht im Schnellverfahren pauschal aburteilen. Bemerkenswert sind in der aktuellen Entscheidung die Rechtsfolgen, falls der Prospekt nach Überzeugung des Gerichts tatsächlich übergeben wurde und nur das Datum unbekannt ist.
In diesem Fall handelt es sich nicht um eine “negative Tatsache” und der Anleger muss den Zeitpunkt alleine beweisen, so der BGH. Der Vertrieb ist dann nicht zur Mithilfe an der Aufklärung des Sachverhalts verpflichtet, auch nicht „mit zumutbaren Mitteln“. Das dürfte nicht wenigen Vermittlern den Hals retten.
Zweite Entscheidung pro Vertrieb
Ebenfalls Entlastung für den Vertrieb – genauer gesagt: Die Vermeidung neuer Haftungsrisiken bei einer Vielzahl von Fonds – bringt das zweite BGH-Urteil, das vergangene Woche veröffentlicht wurde. Demnach müssen Prospekte von Private-Equity-Dachfonds regelmäßig nicht die genauen Kosten der Zielfonds enthalten, auch dann nicht, wenn bereits einzelne Zielfonds ausgewählt wurden (III ZR 254/15).
Dieses Urteil ist auch aus einem anderen Grund bemerkenswert: Es belegt, mit welch absurden Entscheidungen der unteren Instanzen sich der Vertrieb teilweise herumschlagen muss. So meinte das OLG Karlsruhe herausgefunden zu haben, die „Weichkosten“ des Fonds hätten inklusive der Kosten auf Zielfonds-Ebene über 15 Prozent gelegen und wären daher nach der BGH-Rechtsprechung aufklärungspflichtig gewesen.
Der BGH weist darauf hin, dass es bei der 15-Prozent-Grenze nicht um „Weichkosten“ gehe, sondern um die Vertriebsprovision. Hierzu auch die Managementgebühren auf Zielfondsebene zu zählen, war ohnehin schon ziemlich gewagt und wurde vom BGH kassiert. Noch weitaus skurriler allerdings ist die Berechnung des OLG zu den Kosten, die angeblich von den sechs bereits ausgewählten Zielfonds verursacht wurden.