Dazu hat das OLG die Kosten der sechs Zielfonds von durchschnittlich 1,42 Prozent jeweils auf das gesamte Kapital des Dachfonds bezogen, also mit sechs multipliziert. So kam es auf 8,52 Prozent. Zusammen mit den 9,74 Prozent auf Dachfondsebene mache das laut OLG deutlich über 15 Prozent. Fertig. Schadenersatz.
Diese Berechnung wie der BGH als „Denkfehler“ und „fernliegend“ zu bezeichnen, ist noch sehr vornehm ausgedrückt. In Wirklichkeit fielen die Kosten der Zielfonds selbstverständlich nur auf das jeweils dort investierte Kapital an, also nur einmal bezogen auf das Dachfondskapital (bzw. auf rund 90 Prozent davon). Selbst inklusive der Zielfonds lagen die Kosten damit insgesamt lediglich bei etwa elf Prozent.
Nun mag der eine oder andere über die Rechenschwäche des Gerichts lächeln. Aber immerhin waren die Kosten der zentrale Punkt der OLG-Entscheidung über eine eingeklagte Anlagesumme von nicht weniger als 750.000 Euro. Wie den Richtern ein solch haarsträubender Rechenfehler unterlaufen konnte, ist insofern reichlich unverständlich.
Klarstellung vom Tisch gewischt
Zwar hatte sich der beklagte Vertrieb in der Verhandlung wohl nicht ganz eindeutig ausgedrückt, aber das Gericht hatte eine entsprechende Klarstellung vom Tisch gewischt und eigentlich müsste ohnehin nach kurzem Nachdenken schon nach dem gesunden Menschenverstand – über den OLG-Richter zweifellos verfügen – klar sein, dass es so nicht sein kann.
Insofern spricht einiges dafür, dass auch Zeitmangel der Grund war. Das OLG wollte den Fall vielleicht ohne langes Nachdenken möglichst schnell vom Tisch bekommen. Nun muss es sich erneut damit befassen und auch in diesem Fall die Frage klären, ob der Prospekt rechtzeitig übergeben worden war.
Dabei muss es wohl auch die BGH-Grundsätze aus dem anderen neuen Urteil berücksichtigen. Zeit gespart hat das OLG also sicherlich nicht. Schließlich sind „Schnellschüsse“ gegen den Vertrieb künftig generell erheblich erschwert – zumindest dann, wenn sie auf unbewiesenen Behauptungen von Anlegeranwälten basieren.
Stefan Löwer ist Chefanalyst von G.U.B. Analyse und betreut das Cash.-Ressort Sachwertanlagen. Er beobachtet den Markt der Sachwert-Emissionen als Cash.-Redakteur und G.U.B.-Analyst insgesamt schon seit mehr als 25 Jahren. G.U.B. Analyse gehört wie Cash. zu der Cash.Medien AG.
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