Für ein Vermittlungsunternehmen besteht ohne besondere vertragliche Vereinbarung grundsätzlich keine Pflicht, sein Vertriebssystem so zu organisieren, dass die Höhe eines erfolgsabhängigen variablen Entgelts für einzelne Vermittler unverändert bleibt. Dies hat das Bundesarbeitsgericht aktuell entschieden.
Wie die auf Finanzdienstleister spezialisierte Kanzlei GPC Law Rechtsanwaltsgesellschaft berichtet wird zwar bei Handelsvertretern angenommen, dass der Unternehmer die Pflicht habe, das Vertriebssystem so auszugestalten, dass dem Handelsvertreter eine ausreichende Einnahmemöglichkeit geboten wird. Eine solche Organisationspflicht findet aber in der Verfügungsfreiheit des Unternehmens ihre Grenze. Laut Bundesarbeitsgericht ist die Gestaltung eines Betriebes, die Frage, ob und in welcher Weise sich jemand wirtschaftlich betätigen will, Bestandteil der grundrechtlich geschützten unternehmerischen Freiheit. Es ist daher grundsätzlich das Recht des Unternehmens, den Betrieb so einzurichten und umzugestalten, wie es diesem richtig und vernünftig erscheint.
Diese unternehmerische Freiheit wird allein durch willkürliches Handeln begrenzt. Denn ein Unternehmen muss den Interessen des Handelsvertreters ausreichend Rechnung tragen und darf diesen nicht ohne vertretbaren Grund zuwiderhandeln. Dies ist dann der Fall, wenn die von dem Unternehmen getroffene Entscheidung ohne Prüfung und Abwägung der Gegebenheiten erfolgt, das eingeräumte unternehmerische Ermessen nicht ausgeübt wurde oder wenn die Entscheidung aus sachfremden Erwägungen veranlasst worden ist, schränkt das Bundesarbeitsgericht ein. Allerdings ist eine unternehmerische Entscheidung nicht bereits dann willkürlich, wenn sie sich nachträglich als unzweckmäßig oder verfehlt herausstellt.
Bei der danach gebotenen Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen des Vermittlers ist jedoch zu berücksichtigen, dass dieser überwiegend Einkommen aus Provisionen erzielt. Er ist damit bei Änderungen im Vertriebssystem in besonderer Weise von Erfolg und Misserfolg betroffen. Sind Veränderungen im Vertriebssystem erfolgreich, so profitierte der Vermittler durch höhere Provisionseinnahmen davon, erwiesen sie sich als Fehlschlag, führte dies zu weniger Vertragsabschlüssen und zu geringeren Provisionen.
Ein Vermittler kann daher ohne Vorliegen besonderer Umstände nicht annehmen, ein Unternehmen wolle sich mit der Organisation seines Vertriebssystems rechtlich binden. Aus dem Aufrechterhalten bestimmter Vertriebsstrukturen über einen langen Zeitraum und dem Einsatz eines Vermittlers in diesen Strukturen ergibt sich daher nicht, dass ein Unternehmen diesen in der zugewiesen Tätigkeit einsetzen will. Darauf weist Rechtsanwalt Dietmar Goerz von GPC Law hin:
„Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts bezieht sich zwar auf einen Arbeitnehmer. Jedoch lässt sich dessen Aussage auf Handelsvertreter übertragen“, so der Berliner Anwalt. „Es gibt ein vergleichbares Urteil des Landgericht Hannover aus dem Jahre 2001“, verweist Goerz. (te)
Foto: GPC Law