Vinyl-Investments: Schönes Knacken

Foto: Florian Sonntag
Heikedine Körting in ihrem Tonstudio an der Rothenbaumchaussee in Hamburg

Schallplatten erleben seit einigen Jahren ein Comeback. Taugen sie auch als Geldanlage?

Nie ist für eine Schallplatte mehr Geld ausgegeben worden als für „Once Upon a Time in Shaolin“ – ein Einzelstück der New Yorker Hip-Hop-Band Wu-Tang Clan aus dem Jahr 2015, das 88 Jahre lang kommerziell nicht verwertet werden darf. Das jedenfalls sieht die vertragliche Vereinbarung mit dem Käufer vor, der 1,77 Millionen Euro für die Platte zahlte. Auch andere Vinyl-Raritäten konnten schon stolze Preise erzielen, zum Beispiel das „White Album“ der Beatles von 1968 mit der Seriennummer 0000001 aus dem Privatbesitz von Schlagzeuger Ringo Starr. Mit einem Erlös von 700.000 Euro ist sie bis heute die teuerste Platte aus einer kommerziellen Veröffentlichung.

Doch auch abseits solch exklusiver Sammlerstücke erleben Vinyl-Platten seit einigen Jahren ein Comeback: Im Jahr 2022 konnten nach Angaben des Bundesverbands Musikindustrie (BVMI) Einnahmen von 124 Millionen Euro mit ihnen erzielt werden. Das Plus (5,1 Prozent) fiel zwar deutlich geringer aus als 2021 (20,1 Prozent). Insgesamt erreichte der Verkauf von Vinyl-LPs dennoch ein neues Zehn-Jahres-Hoch. Im Vergleich zu 2013 haben sich die Umsätze mehr als vervierfacht. Mit über 100 Millionen Euro hatten sie 2021 erstmals seit Anfang der 1990er-Jahre wieder einen dreistelligen Millionenbetrag erreicht – den (alten und neuen) Plattenliebhabern sei Dank.

Gunter Schäfer, Chief Communications Officer der Fondsgesellschaft Ökoworld, zählt zu diesen Plattenliebhabern. Zwar war er zwischenzeitlich auf CDs umgestiegen, doch der Tod einer Pop-Ikone brachte ihn zurück zum Vinyl. „Ich habe vor 15 Jahren sehr viel Vinyl aus meiner Sammlung verkauft, weil ich Platz in den Regalen schaffen wollte. Doch als im Jahr 2016 David Bowie starb, war ich so emotionalisiert, dass ich mir in den Tagen nach seinem Tod einen gebrauchten Dual-Plattenspieler gekauft habe, um mein Vinyl wieder abspielen zu können. Anschließend habe ich sehr viele Bowie-Platten gekauft, um seine Musik wieder mit Knistern und Knacken hören zu können“, erzählt Schäfer. Heute genieße er es, in sein Musikzimmer zu gehen, sich eine Platte zu greifen, die leicht muffige Hülle zu riechen und die Nadel auf die Platte zu setzen. „Das sind Momente wie ein gutes Essen, das man selten zu sich nimmt, dann aber umso mehr genießt.“

Auch Heikedine Körting liebt Schallplatten. Sie gilt als Deutschlands „Hörspielkönigin“ und hat über 2.500 Hörspiele produziert, darunter Klassiker wie „Die drei ???“, „TKKG“ und „Das Schloss-Trio“. Körting, die mit mehr als 180 Goldenen und mehreren Platin-Schallplatten ausgezeichnet wurde, schätzt besonders die Akustik von Vinyl: „Ich finde, dass Schallplatten einen anderen Klang haben, sie klingen schöner.“ Deshalb veröffentliche Sony jede neue Folge der „drei ???“ nicht nur als Stream und auf CD, sondern nach wie vor auch auf Schallplatte und Kassette.

„Vor ein paar Jahren war das große Ding im Weihnachtsgeschäft von Tchibo ein Schallplattenspieler. Es war unglaublich, wie viele Menschen sich damals einen Plattenspieler gekauft haben“, sagt Körting. „Trotzdem bleibt es natürlich eine Nische. Viele Kinder haben heute gar keine Tonträger mehr, weil sie alles nur noch auf Spotify oder Tonies hören. Sie schlafen abends nicht mehr mit einer Kassette oder eine Schallplatte ein. Dabei ist es einfach toll, die Nadel auf die Platte zu setzen. Und die LP knackt so schön.“

Lediglich eine Nische

Tatsächlich ändern die jüngsten Verkaufserfolge nichts daran, dass die Bedeutung physischer Tonträger immer weiter abnimmt. Im Jahr 2022 lag der Umsatzanteil des Streamings laut BVMI bei 73,3 Prozent bzw. 1,5 Milliarden Euro. CDs machten mit 12,9 Prozent den größten Teil physischer Verkäufe aus, gefolgt von Vinyl mit sechs Prozent.

Auch im Bereich Geldanlage sind Schallplatten lediglich eine Nische – hohe Verkaufserlöse lassen sich laut Investmentexperten nur in Ausnahmefällen erzielen. „Bei Schallplatten müssen Sie auf jeden Fall darauf achten, dass es sich um Originalpressungen (Erstausgaben) handelt. Bekannte Bands, vor allem solche, die bei Sammlern beliebt sind, erzielen weitaus höhere Preise“, rät Gerald Pilz in seinem 2020 erschienen Buch „Reich mit Raritäten“. Die besten Preise seien zu erreichen, wenn man seine Platten einzeln veräußert. Bei einem Verkauf als Sammlung falle der Erlös regelmäßig niedriger aus. Die höchsten Preise würden ohnehin bei Raritäten auftreten.

Außerdem ist Geduld gefragt. „Sie können mit Ihrem Investment in Schallplatten langfristig nur dann eine hohe Rendite erzielen, wenn Sie die Raritäten von morgen als solche schon heute zu geringen Preisen kaufen. Was jetzt schon im Preis deutlich gestiegen ist, kann langfristig keine besondere Dynamik entfalten“, gibt Pilz zu bedenken. Allerdings sei es für Laien schwierig zu beurteilen, welche preiswerten Schallplatten in einigen Jahren zu den gefragten Exemplaren zählen werden.

Gunter Schäfer spekuliert nicht auf hohe Renditen, wenn er in Vinyl investiert. In den letzten Wochen habe er sich zwei Platten aus den 1980er Jahren gekauft, „Afterburner“ von ZZ Top und „Born in the USA“ von Bruce Springsteen. „Der Preis lag jeweils bei zehn Euro, mehr war es nicht. Umso mehr habe ich mich gefreut, diese Schätze aus meiner Jugend wieder um mich zu haben, sie anfassen und beschnuppern zu können.“ Für ihn habe der Wert einer Schallplatte nichts damit zu tun, ob es eine Erstpressung ist oder eins von Millionen Exemplaren. „Ich bin keiner von denen, die von der ‚Revolver‘-Platte der Beatles eine Erstpressung haben müssen oder ein nummeriertes ‚White Album‘. Mir sind die Platten an sich wichtig, die Songs, die mich wahnsinnig erinnern“, sagt Schäfer.

Bei Heikedine Körting ist das ganz ähnlich. „Dadurch, dass ich so viele Hörspiele produziert habe, habe ich große Archive in der Rothenbaumchaussee in Hamburg und in Hasselburg in Schleswig-Holstein, wo mein Mann und ich 1977 ein Gutshaus übernommen haben“, erzählt sie. Dort sei in einem Kavaliershaus alles voller Bänder, Schallplatten und Kassetten. „Die habe ich aber nicht in der Hoffnung aufbewahrt, dass sie vielleicht später mal viel wert sind, sondern aus seelischen Gründen.“ Und die sind ja meist noch viel wichtiger als finanzielle Gründe.

Kim Brodtmann, Cash.

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