EXKLUSIV

Vom „Ökosuizid“ zum Optimismus? Eine Reise durch die Bedrohung der Artenvielfalt (Teil 3)

Albatros am Midway Atoll
Foto: PantherMedia / DanitaDelimontMicro (Kevin Schafer)
Albatros am Midway Atoll: Die Vögel halten die bunten kleinen Plastikstückchen, die auf der Meeresoberfläche treiben, für Beute.

Biodiversität steht nicht nur in einem komplexen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Sie hat Rückkopplungen mit Armut, Migration und Frieden. Gastbeitrag von Dr. Marlene Waske, Arete Ethik Invest

Wir setzen unsere Reise fort, nach Süden

Die Weltnaturschutzunion IUCN warnte bereits 2013, dass ein Drittel der Nadelhölzer vom Aussterben bedroht ist. Für das Klima haben sie eine immense Bedeutung: Nadelwälder können dreimal mehr Kohlenstoff einlagern als Regenwälder. Und doch sind einige Arten kaum noch zu finden. Die Monterey-Kiefer kommt beispielsweise nur noch an wenigen Orten in Mexiko und Kalifornien vor, zusammengezählt auf einer Fläche von weniger als 30 Quadratkilometern – das entspricht ungefähr der Fläche der Insel Borkum. Ob Leguan, Zwergfaultier oder Harlekinfrosch – auch in Südamerika bedrohen der Verlust des Lebensraumes, zunehmender Tourismus und eingeschleppte Arten immer mehr einheimische Tier- und Pflanzenarten. Doch nicht nur Tiere finden in ihren angestammten Regionen immer weniger Lebensraum – Ökosystemleistungen sind nicht nur für die Wirtschaft der Industrienationen existenziell wichtig sind. Sie haben auch einen Einfluss auf das globale Zusammenleben.


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Laut UNHCR verließen im Jahr 2023 rund 26,4 Millionen Menschen ihre Heimat aufgrund von Katastrophen und klimabedingten Ereignissen wie Dauerregen, langanhaltenden Dürren, Hitzewellen und Stürmen; sowohl kurz- als auch langfristig. Das ist die höchste Zahl seit einem Jahrzehnt. Länder im globalen Süden sind nicht nur die Hotspots der Biodiversität, also die Gebiete, in denen die Artenvielfalt besonders hoch ist. Sie sind auch besonders betroffen vom Klimawandel und dem Artenverlust, was vielen Menschen die Lebensgrundlage raubt. Migration und die Hoffnung auf ein besseres Leben sind der Ausweg. Biodiversität steht nicht nur in einem komplexen Zusammenhang mit dem Klimawandel. Sie hat Rückkopplungen mit Armut, Migration und Frieden.

Von der Küste Chiles stechen wir noch einmal in See. Die letzte Etappe unserer Reise führt uns über den Pazifik, in dessen Norden, beinahe genau zwischen Japan und den USA, das Midway Atoll liegt – sowie zwei der globalen fünf Müllstrudel. Auf dem Midway Atoll, 2.000 Meilen entfernt von jeder Zivilisation, spielen sich dramatische Szenen ab: Die unbewohnte Insel liegt isoliert im Nord Pazifik. Albatros-Kolonien haben hier ihre Brutplätze gefunden. Doch die schätzungsweise acht Milliarden Tonnen Plastik, die wir seit dem Beginn der Massenproduktion von Kunststoff schätzungsweise hergestellt haben, finden ihren Weg auch hierhin. Die Vögel halten die bunten kleinen Plastikstückchen, die auf der Meeresoberfläche treiben, für Beute. Sie fressen sie und verfüttern sie auch an ihre Jungen. Ihre Mägen füllen sich mit unverdaubarem Plastik – und ein gefüllter Magen sendet keine Hungersignale. Die Tiere verhungern. Mit etwas gehörigem Zynismus könnte man jetzt sagen: Was geht mich schon irgendein Vogel am anderen Ende der Welt an – doch: Wir sind auf dem besten Weg, uns selbst ein ähnliches Schicksal ereilen zulassen. Mikroplastik, also kleinste Plastikteilchen, die oft kleiner sind als der Durchmesser eines menschlichen Haares, wurden bereits in der Plazenta von Schwangeren nachgewiesen und im Stuhlgang von Neugeborenen.

Zurück zum Optimismus III

Und dennoch: Wir verstehen immer besser und akzeptieren, dass wir nicht in einem Vakuum handeln. Bereits im Jahr 2015 wurde das Konzept von „Planetary Health“ entwickelt: Ein multidisziplinäres Forschungsparadigma, ein umfassendes Gesundheitskonzept, das die Gesundheit der Menschen und anderer Lebewesen, der Populationen und Ökosysteme und des gesamten Planeten in einen gemeinsamen Kontext bringt und verstanden hat, dass alles Leben untrennbar miteinander verbunden ist. Entwickelt wurde das Konzept von der Rockefeller Foundation und es wird aktuell zu einer wissenschaftlich-medizinischen Disziplin mit über 25 Fachgebieten ausgebaut. Eine holistische Betrachtung des Menschen als Teil eines großen Ganzen, in dem kein Teil ohne den anderen existieren kann. Es ist recht einfach: Entweder wir beenden die Art, wie wir leben, oder die Art, wie wir leben, beendet unsere Existenz.

Lesen Sie hier, wie es weitergeht.

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