Von Krise keine Spur: Europäische Versicherer präsentieren sich solide

Silhouette von Mensch und Sonne
Bildagentur PantherMedia / zatvor
Von Krise keine Spur. Die europäischen Versicherer geben sich selbstsicher.

Die Strategie-und Managementberatung Zeb hat zum fünften Mal untersucht, wie es um die europäische Versicherungsbranche bestellt ist, und dafür die 25 größten Gesellschaften in diesem Segment detailliert unter die Lupe genommen.

In einem wirtschaftlichen und politischen Umfeld, das zunehmend von Krisen bestimmt wird, stehen die 25 großen europäischen Versicherer Ende des Jahres 2023 stabil da. Die Unternehmen haben ihren Kurs nach dem Coronajahr 2020 solide fortsetzen können und sowohl Inflation, Ukrainekrieg als auch Pandemie insgesamt gut bewältigt. Das zeigt die aktuelle European Insurance Study von der münsterschen Unternehmensberatung Zeb.

Wachstum, Profitabilität und Solvenz

Die Studie zeigt im Detail, dass die Bruttoprämien der Top-25-Versicherer in Europa im Geschäftsjahr 2022 um 4,4 Prozent gestiegen sind, nach starken 8,6 Prozent im Vorjahr. Das Wachstum sei weniger auf den Gewinn neuer Kunden als auf Preisanpassungen für bestehende Kunden zurückzuführen. Ein Blick auf die Profitabilität ergibt sich laut Zeb eine ähnliche Tendenz. Hier waren die Nettoerträge in 2020 durch die Coronakrise um 21,8 Prozent eingebrochen. Nach einer Erholung im darauffolgenden Jahr machte sich in 2022 unter anderem die Inflation über eine teurere Schadenregulierung bemerkbar, sodass die Nettoerträge der Top-25-Versicherer in Europa um 20,6 Prozent zurückgingen und damit wieder hinter den Zahlen von 2021 zurückblieben, so Zeb. Stabil zeigte sich hingegen die Solvenzquote. Sie lag in 2022 im Durchschnitt bei 223 Prozent.

„Die Bandbreite der Solvenzquoten hat in den letzten Jahren deutlich abgenommen. Schwankten diese in 2018 noch zwischen 152 und 384 Prozent, lag die Spanne in 2022 nur bei 163 bis 293 Prozent. Es scheint sich ein Marktstandard von etwas über 200 Prozent herauszubilden. Das zeigt sich an den drei europäischen Marktführern. Sie liegen mit Solvenzquoten von 215 Prozent für die Axa, 230 Prozent für die Allianz und 221 Prozent für die Generali eng beieinander“, sagt Guido Enck, Senior Manager bei Zeb.

Geschäft verschiebt sich von Life zu Non-Life

Während die Bruttoprämien der 25 europäischen Topversicherer in 2022 im Bereich Non-Life um 10,6 Prozent gewachsen sind, verbuchten die Unternehmen im Lebenbereich einen Rückgang um 1,9 Prozent. Hier machte einerseits der Anstieg der Zinsen Einlageprodukte von Banken wieder attraktiver. Zudem konnten viele Menschen inflationsbedingt weniger sparen und haben weniger Geld für ihre Altersvorsorge beiseitegelegt. Andererseits profitierte das Non-Life-Geschäft. In unsicheren Zeiten und durch mehr Naturkatastrophen stieg die Nachfrage nach Versicherungsschutz sowohl bei Privat- als auch bei Gewerbekunden. Hinzu kam der Inflationsdruck, der Prämien nach oben getrieben hat. Die Versicherer stellen sich seit einigen Jahren auf diese erkennbare Verschiebung der Prämien von Life zu Non-Life ein, so Zeb. Während der Anteil der Lebensversicherungen am Portfolio der europäischen Top 25 in 2017 noch bei 60 Prozent lag, waren es im vergangenen Geschäftsjahr 2022 nur noch 52 Prozent.

Dr. Jan Hendrik Sohl, Partner bei Zeb, sieht in dem stärkeren Wachstum im Bereich Non-Life einen nachhaltigen Trend. „Dies verändert die Branche, viele Versicherer sind dabei, sich neu zu positionieren. Setzt sich diese Entwicklung fort, wird der Non-Life- den Life-Bereich absehbar überholen, vielleicht sogar schon im Jahr 2023“, sagt Sohl.

Vier Topversicherer

Die Studienautoren haben sich im Rahmen ihrer Untersuchung zudem die vier größten europäischen Versicherer bis ins erste Halbjahr 2023 hinein angesehen und untersucht, warum sie in den letzten Jahren so erfolgreich waren. Aktuell betreuen Axa, Allianz, Generali und Zurich über 338 Millionen Kunden und Kundinnen weltweit und kommen zusammen auf eine Marktkapitalisierung von gut 240 Milliarden Euro. Zwischen 2017 und 2022 haben die vier Gesellschaften bei den Bruttoprämien um gut 20 Prozent zugelegt. Laut Zeb sind sie damit dreimal so schnell gewachsen wie die anderen 21 untersuchten europäischen Versicherer. Auch die Profitabilität der vier Topversicherer hätte sich in den letzten Jahren sehr positiv entwickelt, so die Analyse.

Laut Zeb erklärt sich dieser außerordentliche Erfolg zum einen damit, dass die Portfolios der Top 4 besonders breit gestreut seien. Das gelte sowohl geografisch als auch beim Produktangebot. Dadurch würden die Schadeninflation und der harte Preiskampf im Kfz-Geschäft weniger stark ins Gewicht fallen. Außerdem sei es den vier Versicherern gut gelungen, die Inflation erfolgreich an die Kunden durchzureichen. Hinzu komme, dass die genannte Vier sich stark im wachsenden und ertragreichen Segment der Industrie- und Rückversicherungen engagieren würden und in den Wachstumsmärkten Asiens, Afrikas und Südamerikas sehr gut unterwegs seien.

„An den großen 4, den ‚European Giants‘, lässt sich ablesen, was Versicherer erfolgreich macht. Auch andere Häuser können sich an diesen Erfolgsfaktoren orientieren. Die Top 4 zeigen, welche Themen die Branche prägen werden. Dazu gehören ein klarer Blick auf die eigene, optimale Ausrichtung des Lebensversicherungsportfolios, die Reduktion von Komplexität in allen Bereichen, der Ausbau der Kundenbeziehungen etwa über eigene Ökosysteme, der gezielte Einsatz von künstlicher Intelligenz sowie ein klares Bekenntnis zur Dekarbonisierung“, sagt Zeb-Partner Dieter Kipp.

Solide geschlage

„Die europäischen Versicherer haben sich im letzten Geschäftsjahr bis ins erste Halbjahr 2023 hinein solide geschlagen. Sie zeigen sich entgegen pessimistischer Prognosen zu Beginn des Jahres krisenfest. Im ersten Halbjahr 2023 hat ihnen dabei die vergleichsweise geringe Anzahl an Naturkatastrophen in die Hände gespielt“, bilanziert denn auch Arne van Tongern, Senior Manager bei Zeb. „Vor allem die vier größten Versicherer haben vieles richtig gemacht und die Inflation durch gezielte Preiserhöhungen kompensiert. Vor diesem Hintergrund kann die Branche zuversichtlich auf das kommende Jahr blicken“, glaubt van Togern.

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