Vontobel: Robuste US-Konjunktur, flaues globales Wachstum

Der Chefstratege des Schweizer Asset Managers Vontobel, Christophe Bernard, über die Aussichten der Kapitalmärkte in 2016 und warum die US-Konjunktur robust bleiben wird.

Christophe Bernard, Vontobel, sieht gute wirtschaftliche Chancen in den USA

Vor dem Jahreswechsel die Prognosen zu aktualisieren, gehört zu den Lieblingsbeschäftigungen von Ökonomen. Wir bei Vontobel sind in dieser Hinsicht keine Ausnahme. Aus unserer Sicht lässt sich mit ziemlicher Sicherheit sagen, dass die robuste Wirtschaftsdynamik in den USA anhält, und wir sind dementsprechend positioniert. Die Aussichten für den Rest der Welt sind weniger klar. Die Anleger sollten deshalb sehr selektiv vorgehen und gegen Überraschungen gewappnet sein, insbesondere was den Ölpreis betrifft. Dank unserer beträchtlichen Cash-Position können wir Marktchancen nutzen. Um das Bild abzurunden, prüfen wir die Treffsicherheit unserer früherer Prognosen – ein nützliches, wenngleich manchmal ernüchterndes Unterfangen.

Prognosen für 2015 geringfügig schlechter bestätigt

Ein Vergleich unserer ursprünglichen Wirtschaftsprognosen für 2015 mit den effektiven Daten zeigt, dass die Entwicklung der Weltwirtschaft geringfügig hinter unseren Erwartungen zurückgeblieben ist. Verantwortlich hierfür sind aber weder die USA, wo das erste Quartal aufgrund des unerwartet harten Winters schwach ausfiel, noch die Eurozone, die sich als bewundernswert widerstandsfähig erwies.

Der Grund für das Auseinanderklaffen von Erwartung und Realität ist die flaue Konjunktur der aufstrebenden Volkswirtschaften. Der Doppeleffekt aus Konjunkturabkühlung in China und Rohstoffpreisverfall traf die „Emerging Markets“ schwer, namentlich Brasilien und Russland.

USA: Motor der Weltwirtschaft

Wir erwarten, dass die US-Wirtschaft auch 2016 als Motor der Weltwirtschaft fungiert, einen Gang höher schaltet und mit 2,8 Prozent wächst, nach 2,6 Prozent im Jahr 2015. Die kräftige Binnennachfrage wird dazu beitragen, die Negativeffekte der schwachen Exporte und stagnierenden Industrietätigkeit zu dämpfen. Insgesamt bleiben die US-Fundamentaldaten gut unterstützt, weil der erstarkte Arbeitsmarkt den Konsum befeuert, der für 69 Prozent des US-Bruttoinlandprodukts verantwortlich ist.

Angesichts des festen US-Dollar, des eher trüben Ausblicks für die „Emerging Markets“ und des geringen Preisdrucks rechnen wir damit, dass die US-Notenbank (Fed) sehr behutsam vorgeht, die Zinsen erstmals im Dezember 2015 anhebt und 2016 bezüglich des Tempos der geldpolitischen Straffung vorsichtig agiert.

Die Eurozone profitiert vom schwächeren Euro, einer anhaltenden Erholung in der sogenannten Peripherie und einer etwas expansiveren Fiskalpolitik in manchen Ländern. Der Übergang der chinesischen Wirtschaft von einem export- und industriegetriebenen Wirtschaftsmodell zu einer Dienstleistungswirtschaft wird die Exporte der Schwellenländer nach China und die Rohstoffpreise generell jedoch nachhaltig unter Druck setzen.

Seite zwei: Von „Aktien-Bullen“ und Ermüdungserscheinungen

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