Das Segment der Small and Medium Enterprises (SME), hierzulande traditionell kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) genannt, ist ein Trendthema in der gesamten Finanzdienstleistung. Auch alle großen Versicherer haben diesen attraktiven, aber sehr kleinteiligen und komplexen Sektor auf ihrer strategischen Agenda – schließlich geht es in Summe um Prämienvolumina in Milliardenhöhe. Doch wie lässt sich diese Zielgruppe effizient und erfolgreich erschließen?
Mit dieser Frage rücken automatisch auch die Vertriebsformen in den Fokus. Wir bei Finanzchef24 sehen täglich, welche Chancen insbesondere die digitale Vermittlung bietet. Der gesamte Brokermarkt hat aktuell einen Anteil von rund 35 Prozent am Gewerbeversicherungsmarkt. Aber im Online-Vergleichsportalmarkt besetzen Online-Broker derzeit nur einen Anteil von rund einem Prozent. Der Online-Brokermarkt für Gewerbeversicherungen befindet sich aktuell da, wo Baugeldvermittler in Deutschland im Jahr 2000 waren.
Da ist also noch viel Luft nach oben. Die Aufgabe für die Branche ist, Kleinunternehmer und Mittelständler in ihrer Vielschichtigkeit abzuholen. Kunden können von individuelleren Lösungen und Prozessen profitieren, Anbieter von einem wachsenden Markt.
Digitalisierung als Treiber
Die Digitalisierung mag zahlreiche der Trends und Herausforderungen angeschoben haben, mit denen die Branche aktuell konfrontiert ist. Wirklich angekommen in der digitalen Welt sind die meisten Versicherer allerdings noch nicht. Sowohl im Bereich der Wertschöpfungskette als auch in Sachen Online-Produkte oder Customer Journey tun sich die meisten Versicherer immer noch schwer. Das liegt vor allem daran, dass traditionell analoge Produkte ohne große Anpassungen digital zur Verfügung gestellt werden. Flexibilität und Schnelligkeit bleiben oft auf der Strecke.
Deshalb haben wir uns die digitale Absicherung von Kleinunternehmen und Mittelständlern seit Anbeginn auf die Fahnen geschrieben und bieten mit unserer Plattform aus einer Hand Lösungen für mehr als 1.500 Betriebsarten.
In der täglichen Interaktion mit unseren Kunden und durch unseren umfangreichen Datenschatz sammeln wir ständig neue Erkenntnisse mit und können unser Angebot kontinuierlich optimieren. So vielschichtig Kleinunternehmen und Mittelstand sind, so vielschichtig sind die Problemlagen, die sich daraus für Gewerbeversicherungen ergeben. Die Veränderung der Arbeitswelt, die bereits vor Corona in vollem Gange war, hat sich durch die Pandemie und den Digitalisierungssprung weiter beschleunigt. Zunehmende Hybridisierung und der Trend zum Kleingewerbe als digital getriebenes Einzelunternehmen eröffnen für Versicherungsunternehmen neue Chancen und Risiken. Dafür braucht es neue inhaltliche Lösungen.
Zudem suchen diese SMEs ganz anders nach Partnern und es erschließt sich für Versicherungsunternehmen eine Kundengruppe, die historisch stark lokal verortet war. Der Klein- und Mittelständler wendet sich heute bei Fragen zur Risikoabsicherungen nicht mehr nur an sein Finanzinstitut oder den Makler vor Ort, sondern setzt auf das Internet. Viele Gewerbeversicherer sind auf diese Veränderungen und jedoch noch nicht ausreichend vorbereitet. Die Lösung wird sein: Smarte Daten, bessere Fragen, mehr Schnittstellen, eine gezieltere Kundenansprache sowie Ausbau des Online-Vertriebs.
Online-Vertrieb als Schlüssel für (Neu)Kunden
Der digitale Vertrieb in der Gewerbeversicherung befindet sich, wenn man den Anteil am Neugeschäft betrachtet, noch in einer Nische. Allerdings handelt es sich um eine überproportional wachsende Nische mit einem interessanten Kundenprofil. So sind beispielsweise die Neukunden bei uns im Schnitt deutlich jünger als Gewerbetreibende im Marktvergleich. Zudem weisen sie eine deutlich größere Entwicklungsdynamik aus. Das eröffnet lukrative Möglichkeiten, um mit Beratung und Produkten im Laufe der Unternehmensentwicklung anzudocken.
Ganz gut läuft der digitale Prozess bereits auf der Strecke vom Kundenantrag bis zum Abschluss.
Noch ausbaufähig ist es ab dort, wo der Kunde bereits angedockt ist – also bei Bestandsprozessen und beim Aftersales. Unternehmen werden in Backoffice-Prozesse investieren müssen. Hier kann noch viel erreicht werden. Ein nur sporadischer Kontakt führt zur Interaktionslücke beim Kunden. Es entsteht eine Funkstille nicht nur mit Nicht-Versicherten, sondern auch mit versicherten Kunden. Digitalisierung und Echtzeit-Interaktion sind ein effizienter Weg, um mit Kunden in Kontakt zu bleiben und um sie zu binden.
Wir sehen bei der Gewerbeversicherung noch vor uns, was den Versicherungen im Privatkundengeschäft bereits gut gelungen ist. Doch ist die Komplexität im Gewerbesegment höher. Der nachhaltig erfolgreiche Weg zu diesen Kunden wird maßgeblich über ein digitaleres Backoffice führen.
Komplexität abbauen, Zielgruppe besser abholen
Der Schlüssel für die optimale Beratung und das richtige Produkt sind die gestellten Fragen im Abschlussprozess. Welche Fragen versteht der Kunde? Wo bleibt er hängen? Wer Antworten will, die ihn im Umgang mit dem Kunden tatsächlich weiterbringen, der muss die richtigen Fragen stellen. Ein Beispiel: Wenn man nach Größen wie Lohn- und Gehaltssumme fragt, steigen Unternehmer vielfach aus. Wenn man jedoch nach dem Umsatz fragt, kann er unkompliziert antworten – noch dazu, wenn man ihm gewisse Bandbreiten anbietet. Unternehmer wollen bei Versicherungsprodukten nicht nur den Preis vergleichen, sondern die Leistungsfähigkeit.
Das ist gerade bei kleineren Firmen wichtig, die individuell zugeschnittene Versicherungen brauchen, weil sie in ihrem Gewerk verschiedene Tätigkeiten abbilden. Wir selbst schlagen Versicherern daher einen passenden Fragenkatalog vor und bringen so mittlerweile rund 80 Prozent der Kunden durch den Prozess. Das reduziert Komplexität. Es muss gelingen, künftig im Gewerbeversicherungsbereich nicht nur vergleichsaffine Kunden anzusprechen. Denn die Zielgruppe ist viel größer. Die Gewerbeversicherungsbranche darf nicht nur darauf warten, dass Kunden kommen. Die Branche muss die Kunden von morgen gezielt finden.
Eine gezieltere Ansprache kann ein Schlüssel sein, der insbesondere überall dort Türen öffnet, wo sich Unternehmer und Mittelständler treffen. Sei es auf den Webseiten der Industrie- und Handelskammern, bei Zulieferern und Großhändlern oder auf Plattformen zur Vermittlung von Aufträgen. Diese Knotenpunkte, wo potenzielle Gewerbekunden anzutreffen sind, können gut mit Angeboten zu Versicherungen ergänzt werden. Klar zugeschnittene Kooperationen ermöglichen es zudem, mit speziellen Produkten individuelle Zielgruppen anzusprechen.
Bessere Schnittstellen kreieren
Bei Bestandsprozessen in der Versicherungsabwicklung lassen sich viel Geld und Zeit einsparen, wenn bislang händisch durchgeführte Abläufe weiter optimiert und digitalisiert werden. Kunden wollen bei einem Online-Broker eine Beispielrechnung vornehmen. Aber erst eine funktionierende Schnittstelle gewährleistet, dass der Kunde einen realistischen Preis angezeigt bekommt. Das ist bisher selten der Fall, weshalb Preislogiken noch immer parallel nachgebaut werden. Mögliche Schnittstellen gibt es indes bereits bei der automatischen Antrags- oder Schadenübermittlung, also bei allem, was der Kunde bereits eingegeben hat.
Ein entscheidender Hebel sind funktionierende Schnittstellen zwischen Versicherern, Kunden und Maklern. Sie sorgen im Vergleichsfall dafür, dass der Kunde einen realistischen Preis angezeigt bekommt. Dabei bauen Insurtechs mit Partnern entweder eigene Schnittstellen oder orientieren sich an den BiPRO-Normen. BiPRO-Schnittstellen im Gewerbesegment hören heute bei Tarifierungs- und Antragsschnittstellen auf – wenn Versicherer überhaupt in der Lage sind, diese darzustellen.
Bestands- und Schadenschnittstellen im Gewerbesegment finden stand heute (fast) noch gar nicht statt, was weniger an BiPRO liegt als vielmehr an den Versicherungsunternehmen selbst. Bessere Schnittstellen zwischen Maklern und Versicherern sind das A&O. Wir bei Finanzchef24 sind deshalb längst dazu übergangen, zusammen mit Versicherern Schnittstellen selbst zu bauen.
Individuellere Beratung etablieren
Der Trend zur Hybridisierung des Arbeitsplatzes muss in Zukunft spiegelbildlich in der Beratung hybride Prozesse zur Folge haben. Denn Hand in Hand mit den Disruptionen am Arbeitsplatz werden Kundenbedürfnisse individueller. Wir empfehlen, analoge und digitale Beratungsformen zu kombinieren. Die Online-Bedarfserfassung wird im Idealfall durch eine Offline-Unterstützung via Telefonat oder Videocall unterstützt.
Die Möglichkeit eines direkten Kontakts zu einem spezialisierten Berater zu haben, ist in vielen Betriebsarten und Berufsgruppen sehr wichtig. Die Gewerbeversicherungskunden tun sich seit der Corona-Pandemie mit Online-Beratung und -Suche leichter. Für den Online-Vertrieb war die Krise ohne Frage der finale Proof of Concept für das Geschäftsmodell.
Besonders Branchen, die von der Krise nicht unmittelbar betroffen waren oder sogar davon profitiert haben, haben Versicherungsprodukte in den vergangenen 1,5 Jahren online deutlich stärker nachgefragt – beispielsweise Handwerker oder E-Commerce Händler. Die Gastronomie- oder Hotelbranche, die besonders unter den Corona-Restriktionen gelitten hat, war naturgemäß zunächst mit der Existenzabsicherung beschäftigt. Seit den Lockdown-Lockerungen zeigt sich jedoch, dass nun auch diese Branchen den Online-Kanal bei der Wahl und Suche von Gewerbeversicherungsprodukten für sich verstärkt nutzen.
Der Markt dreht sich
Lange haftete Gewerbeversicherungen der Makel an, kompliziert und unbeliebt zu sein. Dieses Bild dreht sich langsam und die Gewerbeversicherung bekommt einen höheren Stellenwert in der strategischen Ausrichtung vieler Versicherer. Digitalisierung sowie Kaufbereitschaft von Kunden in der digitalen Welt schreiten unaufhörlich voran. Zudem verändern aktuelle Trends und Bedürfnisse die Nachfrage.
Im Fokus befinden sich besonders Kleinunternehmer und der Mittelstand. Sie profitieren in der Tendenz von besseren Tarifstrukturen und fallenden Prämien. Bei der Umsetzung ist aber noch Luft nach oben: Und das in allen Aspekten, angefangen von der Kundengewinnung bis hin zur Betreuung und gemeinsamen Schadenbearbeitung.
Autoren: Benjamin Papo, CEO bei Finanzchef24 und Sebastian Hischke, Leiter Partnermanagement bei Finanzchef24