Trotz des Vorliegens einer Vorsorgevollmacht muss bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen eine gerichtliche Genehmigung vom Vorsorgebevollmächtigten eingeholt werden. Dies entschied das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in einem aktuellen Urteil.
Eine in einem Pflegeheim untergebrachte Seniorin erteilte ihrem Sohn im Jahre 2000 eine notarielle General- und Vorsorgevollmacht.
Der körperliche Zustand der Pflegebedürftigen verschlechterte sich immer mehr, so dass sie im Sommer 2012 die Pflegestufe III erreichte und mehrfach vom Stuhl und aus dem Bett fiel.
Fixierung am Rollstuhl vom Amtsgericht genehmigt
Um sie vor weiteren Stürzen zu schützen, willigte ihr Sohn ein, Gitter an ihrem Bett zu befestigen und sie tagsüber mit einem Beckengurt im Rollstuhl zu fixieren. Das Amtsgericht genehmigte die Einwilligung des Sohnes.
Hiergegen klagten sowohl der Sohn als auch die Mutter, da in der Vorsorgevollmacht die Klausel enthalten sei, wonach Entscheidungen „ohne Einschaltung des Vormundschaftsgerichts“ getroffen werden sollten.
Das BVerfG entschied am 10. Juni 2015 (Az.: 2 BvR 1967/12), dass auch in einer Vorsorgevollmacht nicht auf die gerichtliche Genehmigung bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen verzichtet werden kann.
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Bedrohliche Beschränkungen durch Dritte
Der Staat sei verpflichtet, sich schützend und fördernd vor das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung des Einzelnen zu stellen und sie vor Eingriffen von Seiten Dritter zu bewahren, wo die Grundrechtsberechtigten selbst nicht mehr dazu in der Lage seien. Dabei komme es auch nicht auf den Willen eines gesetzlichen Vertreters an, da sich durch Dritte vorgenommene Beschränkungen als besonders bedrohlich darstellten.
Das BVerfG resümiert: „Es entspricht daher der Wahrnehmung staatlicher Schutzpflichten, wenn der Gesetzgeber in Paragraf 1906 Absatz 5 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Einwilligung des Bevollmächtigten in derartige Freiheitsbeschränkungen unter ein gerichtliches Genehmigungserfordernis stellt“. (nl)
Foto: BVerfG