Aus seiner Sicht haben Lieferengpässe infolge des Angebotsschocks im Zusammenspiel mit einem Nachfrageschock durch die staatlich abgesicherten, verfügbaren Einkommen die Preise für langlebige Güter und Rohstoffe in die Höhe schnellen lassen. „Allerdings hätten aufgrund der wiederholten Lockdowns die Preise für Dienstleistungen eigentlich sinken müssen. Dies war jedoch nicht der Fall. Tatsächlich lässt sich ein Großteil der ausbleibenden Nachfrage nach Dienstleistungen auf Verhaltensveränderungen zurückführen, die sich nicht durch Preissenkungen beeinflussen lassen“,sagt Denize. So ließe sich jemand auch nicht durch einen niedrigeren Preis umstimmen, ins Kino zu gehen oder zu fliegen, wenn man Angst habe, sich dort mit Covid anzustecken. Eine Preissenkung könnte von den Haushalten gar als Signal für erhöhte Risiken interpretiert werden und die Aversion noch verstärken.
Dies stelle die Notenbanken vor ein großes Problem, denn wenn sich die Preiselastizität der Nachfrage nach Dienstleistungen verändert habe, dann sei der Anstieg der Gesamtinflation kein zuverlässiger Indikator mehr für den Anstieg der Gesamtnachfrage. Denize sagt: „Dies könnte unter den Anlegern die Sorge vor geldpolitischen Fehlern der Zentralbanken schüren. Entweder durch eine zu schnelle Straffung, die das Wachstum ausbremst, oder durch eine „hinter der Kurve bleibende“, zu abwartende Haltung, die Zweitrundeneffekte wie Lohnerhöhungen, steigende Inflationserwartungen von Haushalten und Investoren sowie ein Inflation begünstigendes Umfeld nach sich zieht.“
Noch neigten die Anleger der These einer vorübergehenden Inflation bzw. einer Rückkehr zu einer langfristigen Stagnation zu. „Der Zinssatz für 30-jährige US-Anleihen von 1,70% bei einer jährlichen Inflation von 6,2% und einem BIP-Wachstum von 5,5% für 2021 ist das perfekte Spiegelbild der von den Zentralbanken betriebenen finanziellen Repression, aber auch eines Wachstums, das zu einem letztlich begrenzten Potenzialpfad zurückkehrt“, stellt Laurent Denize fest. Wenn dies der Fall ist, sollte man seiner Meinung nach weiterhin Qualitäts- und Wachstumsaktien bevorzugen.
In einem optimistischen Szenario dürfte die Pandemie 2022 in eine Endemie übergehen, was eine Normalisierung der Geldpolitik ermögliche. Ein zu starker Zinsanstieg würde die Schuldenlast der Staaten erhöhen und die Haushaltsdefizite weiter verschärfen.
„Müssten wir die Risiken für alle Anlageklassen in absteigender Reihenfolge anordnen, würden langlaufende US-Anleihen das Feld anführen“, führt der CIO aus. Würde der Zinssatz von US-Staatsanleihen mit 30-jähriger Laufzeit auf 2,50% steigen, bedeutete dies bei einer Duration von 22,8 und ansonsten gleichen Bedingungen ein Minus von -18%, rechnet er vor.
In einem solchen, von robustem Wachstum geprägten Umfeld sind Denize zufolge Anlageklassen zu bevorzugen, die in der Lage sind, die inflationsbedingte Kapitalerosion zu begrenzen, wie etwa Aktien und Private Equity.
Die Antwort auf die Frage „Wie werden die Zentralbanken auf die Inflation im nächsten Jahr reagieren?“ dürfte also weit oben auf der Wunschliste an den Weihnachtsmann stehen…