Die Zukunft der Rente ist eine der politischen Kernfragen der Bundestagswahl. Die Parteiprogramme weisen bei privaten und sozialen Sicherungssystemen zwar deutliche konzeptionelle Unterschiede auf, aber es gibt auch Gemeinsamkeiten. Die Frage muss erlaubt sein, ob die Parteien das Kernproblem im Blick haben.
Der demographische Wandel spitzt sich weiter zu. In wenigen Jahren beginnt der Exit der geburtenstarken Jahrgänge aus dem Erwerbsleben. Demgegenüber stehen aber viel zu wenig junge Menschen, die die sozialen Sicherungssysteme über das Umlageverfahren finanzieren sollen. Was die Parteien in ihren Programmen vorlegen, kommt entweder zu spät oder könnte das Problem sogar noch verstärken.
Ausbau des Umlageverfahrens ist kontraproduktiv
Grüne, SPD und Linke streben Pflichtsysteme in Form von „Bürgerversicherungen“ an. Diese stützen sich – bei den letztgenannten Parteien nahezu komplett und bei den Grünen zum großen Teil – auf das Umlageverfahren. Dieses soll auf hohem Leistungsniveau noch weiter ausgebaut werden. Und das, ohne das Renteneintrittsalter oder die Beiträge zu erhöhen. Mit anderen Worten: Es ist wenig Änderung in Sicht. Die Förderung der privaten Altersvorsorge soll abgeschafft werden.
Wer soll das bezahlen? Kaum ein Wort dazu in den Wahlprogrammen. Zusätzliche Schulden? Zusätzliche Steuern? Letzteres wäre in Wahlprogrammen jedenfalls ein zu wagemutiger Schritt.
Auch das aktuelle Niedrigzinsumfeld tut diesen Plänen keinen Gefallen. Immerhin: Union, FDP und mit Abstrichen die Grünen setzen auf mehr aktienbasierte Vorsorge, sei es mit einer Generationenrente (Union) oder einer Aktienrente (FDP). Allerdings nicht in privater Verantwortung, sondern in staatlicher Regie. Ob „Vater Staat“ der bessere Kapitalanleger ist, kann mit Fug und Recht bezweifelt werden. Und fest steht: Die Renten der geburtenstarken Jahrgänge lassen sich damit nicht finanzieren, denn die Konzepte wirken erst in Jahrzehnten.
Die Deutschen sind bereit für Eigeninitiative
Staatliche Pauschallösungen schränken die Eigenverantwortung der Bürger ein. Individuelle Präferenzen bei der Vorsorge finden so gut wie keine Berücksichtigung. Erkennbar ist dies auch am Umgang der Parteien mit den Riester-Produkten. Deren schlechtes Image nehmen fast alle Parteien zum Anlass, andere Lösungen zu propagieren.
Bereits ausgearbeitete und durchaus tragfähige Reformvorschläge werden nicht aufgegriffen. So hätte im Nullzinsumfeld die Absenkung oder Abschaffung der Bruttobeitragsgarantie positive Renditeeffekte für bestehende und neue Verträge, was die Riester-Rente zukunftsfähig machen würde.
Die Politik ist gut beraten, die Mündigkeit der Bürger anzuerkennen und die staatliche Lenkung etwas zurückzufahren. Denn im Status quo sind die gesetzlichen Renten nicht finanzierbar. Ein erster Schritt, um das zu ändern, wäre die Wiedereinführung des Nachhaltigkeitsfaktors in der Rentenanpassungsformel.
Ebenso müsste eine stufenweise Absenkung des Rentenniveaus in Kauf genommen werden. Die Mehrheit der Menschen ist sich der schlechten Perspektiven bei der gesetzlichen Rente bewusst und setzt durchaus auf eigene Vorsorge. Das geht auch aus den regelmäßigen Umfragen des Deutschen Instituts für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA) hervor. Das Bewusstsein für das Thema ist hoch. Die Parteien sollten die Bereitschaft der Menschen zur Eigenvorsorge nicht unterschätzen.
Autor Prof. Dr. Michael Heuser ist Wissenschaftlicher Direktor des DIVA.