Glücklicherweise scheint die Troika etwas offener für die Auffassung zu sein, dass eine allzu strikte Haushaltskonsolidierung wegen der nachteiligen Effekte auf das Wachstum und die Steuereinnahmen letztlich ihr Ziel verfehlt. Dennoch muss bei Nachverhandlungen über das Rettungspaket darauf geachtet werden, dass die Waage zwischen zwei schwer, aber nicht unmöglich miteinander zu vereinbarenden Zielen gehalten wird.
Einerseits muss Griechenland eine Chance bekommen, Reformen durchzuführen, ohne dabei die Wachstumsaussichten weiter zu beeinträchtigen. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass bei einem geringeren Risiko eines „Grexit“ auch die Ansteckungsgefahr schwächer ist.
Andererseits können die Nachverhandlungen selbst das Risiko eines „moral hazard“ erhöhen – sowohl im Hinblick auf Griechenland selbst als auch im Hinblick auf andere Länder, für die ein Rettungspaket geschnürt wurde, da diese eventuell ebenfalls künftig weitere Zugeständnisse aushandeln wollen.
Damit steigt das Risiko, dass die EWU zu einer Transferunion wird und schon die Bereitstellung von Geldern für die Peripherieländer die notwendigen Reformen hemmt. Insofern muss ein gewisser Mechanismus bestehen bleiben, um den Druck auf Griechenland aufrechtzuerhalten.
Zunächst jedoch dürfte der Wahlausgang wohl für Erleichterung an den Märkten sorgen. Dies gilt nicht zuletzt deshalb, weil der IWF, die Eurogruppe und Deutschland das Wahlergebnis bereits begrüßt haben und sich bereit erklärt haben, mit der neuen griechischen Regierung darüber zu verhandeln, wie die Wirtschaft wieder auf Wachstumskurs gebracht werden kann.
Der Euro ist auf über 1,27 gegenüber dem USD geklettert, an den asiatischen Aktienmärkten haben die Kurse um 1,5 – 2 Prozent zugelegt, und Rohstoffe handeln seit der Bekanntgabe des Wahlergebnisses um etwa 1 Prozent höher. Wie lange die bessere Stimmung an den Märkten anhält, wird wahrscheinlich von den Erwartungen an den EU-Gipfel zum Monatsende (28./29. Juni) abhängen.
Die politischen Verantwortungsträger Europas müssen Ergebnisse bei der weiteren wirtschaftlichen Integration, dem Ausblick auf eine gewisse Vergemeinschaftung der Fiskalpolitik (Eurobonds oder ein europäischer Tilgungsfonds) und einer besseren Kontrolle des Bankensektors in der Region vorlegen. Wenn die Ergebnisse des Gipfels enttäuschen, könnte sich die Stimmung an den Märkten bald wieder eintrüben.
Autor Valentijn van Nieuwenhuijzen ist Head of Strategy and Asset Allocation Group bei ING Investment Management.