Wahlen in Frankreich: „Furcht vor einer Implosion der europäischen Märkte ist überzogen“

Mark Dowding, Chief Investment Officer bei BlueBay, RBC BlueBay Asset Management:

„Aufgrund eines relativ positiven Verbraucherpreisindex in den USA besteht die Hoffnung, dass ein erneuter Abwärtstrend bei der Inflation die Tür für künftige Zinssenkungen öffnen könnte. Der Dot Plot der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), der die Zinserwartungen der Währungshüter widerspiegelt, dämpfte aber die Hoffnungen auf eine geldpolitische Lockerung 2024: Er deutet nun auf eine Zinssenkung in diesem Jahr hin, nachdem er zuvor noch drei Zinsschritte prognostiziert hatte. Kommentare von Fed-Chef Jerome Powell bekräftigten jedoch das Gefühl, dass – abhängig von den Daten im Sommer – ein erster Schritt im September möglich bleibt.

Die Wahlen zum Europäischen Parlament am vergangenen Wochenende bestätigten in weiten Teilen die Umfragen, die eine Verschiebung nach rechts vorhergesagt hatten. Die größten Verlierer waren in der gesamten Europäischen Union die grünen Parteien.

Den größten politischen Schock verursachte jedoch nicht das Wahlergebnis selbst, sondern die Reaktion des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Die Entscheidung, drei Jahre früher als erwartet Parlamentswahlen im Land einzuberufen, hat alle überrascht. Der Schritt erfolgte, nachdem Marine Le Pens Rassemblement National mit beeindruckenden 31,5 Prozent der französischen Stimmen deutlich stärker abschnitt als Macrons Partei. 

Macrons Kalkül scheint zu sein, dass er entweder eine Koalition bilden kann, um Le Pen zu stoppen und so sein Mandat zu bekräftigen sowie den Schwung der Rassemblement National aufzuhalten. Oder er hofft, dass die Partei im Falle eines Sieges ihre Amtszeit verpfuscht und so Le Pens Präsidentschaftskandidatur im Jahr 2027 vereitelt wird. 

Dies hat jedoch etwas von einem Glücksspiel. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob sich dieser Schritt auszahlt. Politiker wie der Brite David Cameron können ein bisschen was darüber erzählen, wie einem sowas um die Ohren fliegen kann.

Tatsache ist, dass Macron bei den Wählern derzeit sehr unbeliebt ist. Seine Partei liegt in den Umfragen bei 13,5 Prozent. Er wird hoffen, dass sich in einer Stichwahl genug Wähler zusammenschließen, um Le Pen zu stoppen. Es könnte aber sein, dass dies naiv ist.

In jedem Fall hat sein Schritt zu einer Risikoprämie für französische Vermögenswerte geführt, die sich auf alle anderen EU-Anlagen übertragen hat. Macron war eine treibende Kraft für eine stärkere europäische Integration. Seine Schwäche beeinträchtigt daher auch diese Agenda.

Wir sind der Meinung, dass die Spreads 10-jähriger französischer Staatsanleihen gegenüber Bundesanleihen im Vorfeld der Wahlen Ende des Monats bei rund 70 Basispunkten liegen können. Ein Sieg Le Pens könnte einen Anstieg auf 85 Basispunkte oder mehr bedeuten. Wir halten seit einiger Zeit an unserer pessimistischen Haltung gegenüber französischen Staatsanleihen fest. Diese beruht auf einer Kombination aus fiskalischen und politischen Risiken. 

Wir nähern uns nun dem Sommer. Mit den bevorstehenden Wahlen im Vereinigten Königreich und in Frankreich steht die Politik weiterhin im Mittelpunkt des Interesses. Es ist bemerkenswert, wie das Großbritannien nach links rückt, während der Rest Europas nach rechts driftet. Es ist jedoch nicht das erste oder das letzte Mal, dass das Vereinigte Königreich nach seiner eigenen Pfeife tanzt. Wir können froh sein, dass wir uns mit der Fußball-Europameisterschaft etwas ablenken können.“

Mark Dowding
Mark Dowding (Foto: BlueBay)
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