Bei Wahlen in der Nähe der Ferienzeiten (in Schottland haben die Sommerferien dann bereits begonnen) besteht die Gefahr einer geringen Wahlbeteiligung. Zudem passt der Zeitpunkt nicht zu der Botschaft der konservativen Regierungspartei, dass die Wirtschaft wächst und die Inflation „wieder normal“ ist. Letzteres impliziert, dass die Zinssätze in Kürze gesenkt werden, was sicherlich die Unterstützung für die Regierungspartei erhöhen würde.
Premier Sunak wies in seiner Ankündigung der Wahlen darauf hin, dass sich die Inflation wieder normalisiert hat, nachdem die jüngsten Zahlen für April gezeigt hatten, dass die Verbraucherpreisinflation von 3,2 % im Jahresvergleich auf 2,3 % gesunken war. Der starke Rückgang der Inflation ist vor allem auf niedrigere Energiekosten für Haushalte und Basiseffekte zurückzuführen. Gleichwohl war die Inflation höher als erwartet, im Konsens war man von 2,1 % ausgegangen. Infolgedessen verschoben sich die Erwartungen für die erste Zinssenkung der Bank of England (BoE) von Juni auf September. Das führt effektiv zu höheren Hypothekenkosten für diejenigen, die in naher Zukunft eine Refinanzierung vornehmen. Darüber hinaus deutet unser Inflationsmodell darauf hin, dass die Inflation etwa ab Juli ansteigen wird und sich damit vom Ziel der BoE von 2 % entfernt. Dies könnte die Behauptung der Regierung, die Inflation habe sich wieder normalisiert, in Frage stellen.
Was würde sich unter Labour ändern?
In Meinungsumfragen hat die Labour-Partei einen scheinbar uneinholbaren Vorsprung von 21 Prozentpunkten vor den Konservativen. Die Labour-Partei hat ihre eigenen politischen Ziele jedoch noch nicht verkündet. Einen kleinen Einblick gab Schattenschatzkanzlerin Rachel Reeves jedoch bei einer Rede im März. Sie sprach von drei Imperativen für die Wirtschaft:
Der erste Imperativ ist „die Gewährleistung von Stabilität“. Dies darf als deutlicher Seitenhieb auf die Regierung gesehen werden, vor allem unter Sunaks Vorgängerin Liz Truss. So erklärte Reeves, die Vorlage einer Prognose durch das unabhängige Office for Budgetary Responsibility (OBR) gesetzlich vorschreiben zu wollen für den Fall, dass eine Regierung signifikante und dauerhafte Steuer- und Ausgabenänderungen ankündigt. Truss war die erste Premierministerin, die in ihrer kurzen Amtszeit keine Bewertung eines finanzpolitischen Ereignisses durch das OBR vornehmen ließ.
Der zweite Schwerpunkt der Labour-Partei, „Investitionen durch Partnerschaft mit der Wirtschaft“ zu fördern, dürfte ein Entgegenkommen für die Wirtschaft signalisieren. Zu zeigen, dass eine Labour-Regierung erfolgreich mit Unternehmen zusammenarbeiten kann, ist nicht nur wichtig, um ausländische Direktinvestitionen anzuziehen, sondern auch, um den Ruf der Partei an den Finanzmärkten zu bessern.
Drittens wurde der Fokus auf „Reformen zur Steigerung der Produktivität und des Wohlstands“ angekündigt – auch wenn zum jetzigen Zeitpunkt nur wenige politische Initiativen bekannt sind.
Reeves sprach zudem über „securonomics“. Dies sollte wohl signalisieren, dass Labour eine etwas überlegtere Haltung zum internationalen Handel und der Globalisierung einzuschlagen erwägt. Dies scheint sich mehr an den aktuellen „Washington Consensus“ anzulehnen, was letztlich eine protektionistische Politik gegenüber China bedeuten könnte.
Was die Steuerpolitik betrifft, so strebt die Partei offensichtlich eine Verbesserung der öffentlichen Dienstleistungen an, was höhere öffentliche Investitionen bedeuten wird. Das Ziel wird wahrscheinlich darin bestehen, den laufenden Haushalt mit Hilfe von Steuereinnahmen auszugleichen, aber die Aufnahme von Krediten zuzulassen, um höhere öffentliche Investitionen zu finanzieren. Auf diese Weise soll die Gesamtverschuldung mittelfristig gesenkt werden.
Labour vermeidet zwar die Diskussion über Steuererhöhungen, aber im Wahlkampf wird die Partei unweigerlich dazu gezwungen sein, Details zu nennen. Einige Steuererhöhungen werden wahrscheinlich notwendig sein, was angesichts der „fiskalischen Belastung“, die sich aus den seit sieben Jahren eingefrorenen Einkommenssteuerschwellen ergibt, schwierig ist. Da immer mehr Arbeitnehmer höhere Grenzsteuersätze zahlen, wird die Steuerbelastung bis zum Ende des aktuellen Prognosezeitraums des OBR voraussichtlich auf den höchsten Stand seit 1948 ansteigen – ein schweres Erbe, das angetreten werden muss.
Lösung der strukturellen Herausforderungen zentral
Der Schlüssel zur erfolgreichen Steigerung von Wachstum und Lebensstandard liegt darin, Lösungen für die langfristigen strukturellen Herausforderungen der britischen Wirtschaft zu finden. Zu diesen Herausforderungen gehören die demografische Alterung, die Anpassung an den Klimawandel, ein feindlicheres Außenhandelsumfeld und ein schwaches Produktivitätswachstum.
Dies wird hoffentlich auch zu besseren Renditen für die Anleger:innen führen, die die britischen Kapitalmärkte seit einiger Zeit weitgehend gemieden haben.