Wann Chinas Wirtschaft zur Normalität zurückkehrt

Angesichts von über 80.000 Infektionen und rund 2.700 gemeldeten Todesfällen, die auf den Corona-Virus COVID-19 in mittlerweile mehr als 30 Ländern weltweit zurückzuführen sind, wächst die Angst vieler Menschen vor einer Ansteckung und den wirtschaftlichen Folgen.

„Wir alle bei Matthews Asia möchten unser Mitgefühl für jeden aussprechen, der von dem Virus betroffen ist“, sagt Andy Rothman, Investmentstratege des Asien-Spezialisten Matthews Asia. Rothman, der selbst 20 Jahre in China gelebt und sowohl den Ausbruch des SARS-Virus’ 2003 als auch der Vogelgrippe 2005 in Shanghai miterlebt hat, geht in seinem neuen, umfangreichen Kommentar „Sinology: Coronavirus Q&A“ auf die drängendsten medizinischen und wirtschaftlichen Fragen rund um den Virus ein.

Im Vergleich mit der Infektionskrankheit SARS und der Vogelgrippe kommt Rothman, der täglich wissenschaftliche und ökonomische Quellen zum Thema studiert, zum Schluss: „Falls es keinen neuen starken Anstieg der Infektionen geben sollte und COVID-19 im März weitgehend unter Kontrolle gebracht werden kann, sollte die Wirtschaftstätigkeit in China (mit Ausnahme von Hubei) zur Normalität zurückkehren, bevor der Schaden schwerwiegend wird.“

Das Urteil des Investmentstrategen beruht auf folgenden Fakten:

  • Bislang sind 97 Prozent der weltweiten Infektionen mit COVID-19 in China aufgetreten. Davon sind 81 Prozent der registrierten Fälle in der Provinz Hubei, wo der Virus Ende Dezember 2019 ausbrach, wie die Weltgesundheitsorganisation WHO bestätigt. Die globale Sterblichkeitsrate beträgt aktuell 3,3 Prozent, wobei die Rate in Hubei zwischen zwei und vier Prozent, im übrigen China nur bei 0,7 Prozent liegt. Zum Vergleich: Die Sterblichkeitsrate von SARS (2002-2003) lag bei rund zehn Prozent, die von MERS (zuerst in Saudi-Arabien 2012 entdeckt) bei 35 Prozent und die der wesentlich selteneren Fälle des Ebolavirus’ (Ausbruch in Westafrika 2014) bei etwa 50 Prozent. Und allein in den USA sind in der aktuellen Saison 280.000 Menschen, die an Grippe erkrankten, ins Krankenhaus eingeliefert worden und 16.000 daran gestorben.
  • Auch wenn das Ausland und chinesische Bürger scharf kritisierten, dass lokale Behörden die ersten Warnmeldungen über den Coranavirus unterdrückt hatten, lobt die WHO die nie dagewesenen Anstrengungen der chinesischen Regierung, die Ausbreitung des Virus‘ einzudämmen. Dass die Kommunistische Partei Chinas wegen des Virus‘ gefährdet sei, gestürzt zu werden, hält Rothman aber für unwahrscheinlich.
  • Im Vergleich zu Zeiten von SARS und der Vogelgrippe ist Chinas Wirtschaft heute viel stärker von kleinen, privaten Firmen als von großen, staatsgeführten Unternehmen geprägt. Der Anteil der privaten Firmen, die vor allem mit Dienstleistungen und Binnenkonsum ihr Geld verdienen, beträgt 84 Prozent aller Unternehmen. 2004 waren es noch 61 Prozent. „Peking hat dieses Problem erkannt und über die Unterstützung privater Unternehmen gesprochen“, sagt Rothman. So könnten Chinas Banken problemlos kurzfristige, kleinere Notfallkredite gewähren, falls private Firmen Lieferprobleme oder Zahlungsschwierigkeiten erleiden sollten, etwa weil Mitarbeiter wegen des Virus nicht zur Arbeit kommen können.
  • Es sei zudem erwähnenswert, dass die chinesische Wirtschaft vor dem Coronavirus in guter Verfassung gewesen sei, so Rothman: „2019 war das achte Jahr in Folge, in dem der Verbraucher- und Dienstleistungssektor den größten Teil des Bruttoinlandsproduktes (BIP) ausgemacht hat, und der Konsum lag bei 58 Prozent des BIP-Wachstums.“ Das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen Chinas sei im vierten Quartal um 9,1 Prozent gestiegen, gegenüber 8,5 Prozent im Vorjahr.

„Meine vorsichtige Einschätzung lautet“, schließt der China-Experte seinen Kommentar ab, „sollte es zu keinem weiteren starken Anstieg der Infektion kommen, wird sich die Wirtschaftstätigkeit ab Ende März wieder normalisieren. Obwohl die makroökonomischen und die Gewinnzahlen Chinas für das erste Quartal schrecklich sein werden, dürften die Wachstumsraten für das gesamte Jahr angemessen ausfallen.“

Foto: Shutterstock

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