Die chinesische Volkswirtschaft wird derzeit von zwei Ereignissen auf die Probe gestellt: dem Corona-Virus, das sich aktuell in China ausbreitet, und dem Handelskrieg mit den USA. Was das für Anleger bedeutet und wie es weitergeht.
Schock Nr. 1: Der Corona-Virus
Angesichts der Sterblichkeitsrate und der Ausbreitungsgeschwindigkeit im Vergleich zu früheren Viren nehmen wir an, dass die Auswirkungen des Corona-Virus auf die chinesische Wirtschaft das Niveau von SARS erreichen wird. Dessen Auswirkungen lagen Schätzungen zufolge bei 1-2% der Wirtschaftsleistung des Landes. (Angesichts der schwierigen Datenlage könnten die Verluste sogar bei 3% gelegen haben.) Durch den Corona-Virus erwarten wir wirtschaftliche Einbußen von 1-1,5%, was bei einer voraussichtlichen Wachstumsrate der chinesischen Wirtschaft von circa 4,7% (aktuelle offizielle Angabe: 6%) beachtlich ist.
Nach anfänglichen Unsicherheiten scheint China die Situation nun recht effizient zu meistern. Im aktuellen Kontext überschwänglicher Märkte besteht jedoch die Gefahr, dass die globalen Carry-Trades fallen. Vor diesem Hintergrund betonen wir erneut die Vorteile einer Portfolio-Diversifikation mit widerstandsfähigeren Aktien.
Schock Nr. 2: Der Handelskrieg mit den USA
Die Auswirkungen des Handelskrieges mit den USA auf die chinesische Wirtschaft waren vermutlich gravierend. In vielen Berichten ist von stillgelegten Fabriken die Rede. Der Konflikt dürfte wie ein Querschläger durch die gesamte chinesische Wirtschaft gefahren sein. Die Folge waren eine Reihe von Zöllen, welche im Januar, März, Mai, Juni und September 2019 eingeführt wurden.
Ein Teil des Schocks dürfte noch immer in Chinas Wirtschaft nachhallen. Dass sich dies in den Konjunkturdaten kaum widerspiegelt, ist überraschend. Mittlerweile haben China und die USA ein sehr einseitiges Handelsabkommen unterzeichnet und wir erwarten, dass China, im Zuge der wirtschaftlichen Erholung in der zweiten Jahreshälfte, beginnen wird, einen Teil der darin getroffenen Vereinbarungen wieder zurückzunehmen.
Positive Impulse für Chinas Wirtschaft
Es lassen sich derzeit jedoch auch eine Reihe von positiven Impulsen für die chinesische Wirtschaft ausmachen:
In der Vergangenheit haben sich Lockerungsmaßnahmen, insbesondere das mächtige Instrument der Mindestreservequote, als umsichtig erwiesen. Sie dürften ihre Wirkung in 12 bis 24 Monaten entfalten (Fernald, Spiegel, Swanson, Fed Working Paper 2014-07). Die geldpolitischen Mechanismen sind in China tatsächlich andere, da Geldmengen dorthin umgeleitet werden können, wo die Zentralregierung sie gerade benötigt, während der Geldpreis auf den Konjunkturzyklus und die Folgen dieser zielgerichteten Aktivitäten reagiert. Es wird oft behauptet, große chinesische Unternehmen hätten einen direkten Draht zur Regierung, was bedeuten würde, dass die Wirtschaft in China viel schneller reagieren könnte, als dies in westlichen Ländern der Fall ist.
Die Inflation sollte allmählich nachlassen, sobald die Schweinepest-Krise überwunden ist. In der Zwischenzeit weisen andere Subindizes einen gedämpften Inflationsdruck auf. Direkte und indirekte Konsumindikatoren deuten darauf hin, dass sich der Verbrauch stabil im mittleren bis oberen Segment hält. Die Wertentwicklung des MSCI Consumer Discretionary-Sektors deutet auf einen verringerten Preissteigerungsspielraum hin. Dieser Bereich hatte sich seit Oktober erfreulich erholt, bevor er mit dem Ausbruch des Corona-Virus einbrach.
Die Bedingungen des Phase-1-Abkommens zwischen den USA und China sind aus chinesischer Sicht sehr ungünstig und werden darum sehr wahrscheinlich nicht allzu lange gelten. Dennoch erwarten wir, dass das Abkommen positive Auswirkungen haben wird, beispielsweise durch die Rücknahme von einigen Zöllen und einer Verringerung der wirtschaftlichen Unsicherheit. Ein Teil des durch den Handelsstreit entstandenen Schadens wird jedoch bleiben. So haben US-Unternehmen als Ergebnis des Konflikts, einen Teil ihrer Produktion aus China ausgelagert. Die Folge davon sind einige Kosteneinsparungen, wie im Erzeugerpreisindex deutlich wird. Dies wird wahrscheinlich weiterhin zur Verbraucherinflation beitragen.
Die chinesische Regierung erklärte, dass sie die Wirksamkeit ihrer Steuerpolitik verbessern wolle und es zudem Vorschläge für eine künftigen Erweiterung geben werde.
Und schließlich sollte der Aufwand für die Entschuldung chinesischer Nicht-Finanz-Unternehmen nicht unterschätzt werden. Mit dem Nachlassen der beiden genannten Wirtschaftsschocks sollte dies die Bilanzen von Finanzunternehmen entlasten.
Erholung in der zweiten Hälfte des Jahres 2020
Wir erwarten, dass diese Reihe von politischen Entscheidungen in der zweiten Hälfte des Jahres 2020 schließlich zu einer deutlichen Belebung der Wirtschafts-Aktivitäten in China führen wird. Diese Erholung wird nicht nur dem asiatisch-pazifischen Raum zugutekommen, sondern auch Lateinamerika, Deutschland und zudem US-Wachstumswerten.
Autor Sébastien Galy ist Senior-Makrostratege bei Nordea Asset Management.
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