Zumal es Warnsignale gebe: Der Anleihenmarkt signalisiert höhere Zinsen als erwartet und das ist kein gutes Signal für einen müde wirkenden Markt, der seine gute Entwicklung ohnehin nur einer kleinen Gruppe von Technologieunternehmen verdankt. Die Frage des unabhängigen Münchner Vermögensverwalters ist jedoch nicht als Aufruf zu verstehen. Vielmehr beleuchtet er das Phänomen, warum Investoren und Fondsmanager ihre Ertragsperlen tendenziell zu früh verkaufen.
Verkaufen können
Untersuchungen zeigen, dass Fondsmanager recht gut darin sind, die richtigen Aktien für Neuinvestitionen zu finden. Diese Positionen schlagen in der Regel den Markt. Genau umgekehrt verhält es sich bei Verkäufen: In der Regel verkaufen Fondsmanager Aktien, die sich anschließend besser entwickeln als der verbleibende Rest des Portfolios. „Was sie mit den guten Kaufentscheidungen verdienen, verspielen sie oft beim Verkauf“, schreibt von Wallwitz. Eine große Rolle spiele der Besitztums-Effekt, der dazu führt, dass die Wertpapiere im Portfolio deutlich emotionaler betrachtet werden. „Wir denken rationaler über Käufe (von etwas, das wir nicht haben) nach, als über Verkäufe (von etwas, das wir haben).
Verluste realisieren heißt Fehler einzugestehen
Auch die Verlustaversion, die daher rührt, dass wir Verluste emotional stärker gewichten als ebenso hohe Gewinne, führe in der Praxis führe dazu, dass Investoren Gewinne mitnehmen aus Furcht, diese wieder abzugeben. Umgekehrt suchten sie das Risiko, wenn sie hinten liegen, getrieben von der Hoffnung, dass das Blatt sich wendet und sie den Verlust nicht realisieren müssen. „Im einen Fall verkaufen sie ihre Gewinner zu früh, im anderen halten sie an ihren Verlierern lieber fest, als sich ehrlich zu machen und den Fehler einzugestehen“, erläutert Georg von Wallwitz. Portfoliomanager denken unterschiedlich über Käufe und Verkäufe und schenken der jeweiligen Entscheidung unterschiedlich viel Aufmerksamkeit. „Oft konzentrieren sie sich darauf, die nächste großartige Idee zu finden. Dann sehen sie den Verkauf vor allem als Möglichkeit, Geld für Käufe zu beschaffen, also als nachgeordnetes Problem“, weiß von Wallwitz.
Zu frühen Gewinnmitnahmen ist schwer beizukommen
Portfoliomanager haben viele Methoden entwickelt, um bessere Verkaufsentscheidungen herbeizuführen. Etwa gibt es die Übung, alle Werte im Portfolio zu verkaufen und das Geld dann neu anzulegen, mit frischem Blick. Aber es hat sich gezeigt, dass dies kaum eine Wirkung erzeugt, denn die Portfoliomanager kaufen doch immer wieder dieselben Titel, an deren Besitztum sie sich gewöhnt haben. Ebenfalls von geringem praktischem Wert seien Fondsmanager-Weisheiten wie „Quit while you are ahead“ oder „You never lose your shirt by taking profits“. Diese Regeln machen Wallwitz zufolge nur Sinn in Glücksspielen, wo niemand auf das Anhalten einer Strähne vertrauen kann. „Ein Fondsmanager befindet sich aber nicht in einem Nullsummenspiel und die positive Entwicklung eines Unternehmens und damit der Aktie kann Jahrzehnte lang anhalten“, so von Wallwitz. Investoren, die sich als Eigentümer einer Firma begreifen, wüssten das.
„Notiere keine Einstandskurse mehr“
Der Investmentexperte empfiehlt, mit einem Plan und einem Bild in die Zukunft zu gehen. Es sei völlig irrelevant, ob man ein Wertpapier oder ein sonstiges wirtschaftliches Gut teurer oder billiger gekauft hat, als es gegenwärtig gehandelt werde. „Ich habe schon lange aufgehört, mir Einstandskurse zu notieren, das lenkt nur ab“, schreibt von Wallwitz. Einzig die zukünftige wirtschaftliche Perspektive zähle bei der Entscheidung über Kauf oder Verkauf. Georg von Wallwitz rät Anlegern: „Macht euch rechtzeitig ein eigenes Bild und lest Geschäftsberichte. Verwechselt keinesfalls Einstandskurse mit einem Plan. Richtet euer Interesse auf die Zukunft und überschätzt nicht die Vergangenheit.“ Das vollständige „Börsenblatt“ von Georg von Wallwitz finden Sie hier.