Häuser und Wohnungen in Deutschland werden immer teurer. Umso lauter warnen Experten derzeit vor dem Platzen einer Immobilienblase. Aber: Ist die Angst vor einem plötzlichen Preissturz berechtigt? Dr. Rainer Eichwede, Kapitalmarktexperte bei Schwäbisch Hall, geht dieser Frage nach.
Platzt demnächst die Blase am Immobilienmarkt? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Experten, Kreditinstitute und Medien. Auch die Bundesbank warnt seit längerem vor Übertreibungen bei den Immobilienpreisen in deutschen Städten. Extrembeispiele gibt es in der Tat: In Hochschulstädten kostet Wohnen für Studenten durchschnittlich 717 Euro Miete pro Monat! In Deutschland geben Geringverdiener heute die Hälfte ihres Einkommens für Mieten aus. Aber haben wir es wirklich mit einer Spekulationsblase zu tun, die kurz vorm Platzen steht? Meine Meinung zu drei gängigen Aussagen:
Behauptung 1: „Die Immobilienpreise explodieren und haben sich von der Einkommensentwicklung abgekoppelt.“
Ja, es gibt extreme Preisanstiege, vor allem in begehrten Innenstadtlagen. Sie heben den Bundesdurchschnitt: Immobilienkäufer müssen heute 6,4 Jahreseinkommen aufwenden. Diese Entwicklung ist aber eben nicht flächendeckend. Denn in rund 70 von 401 Landkreisen kostet eine Immobilie vier Haushalts-Nettoeinkommen oder weniger. Auch wenn wir zurückblicken, relativiert sich der Preisanstieg: Bezogen auf das Jahreseinkommen sind Immobilien heute wieder so erschwinglich oder so teuer wie zuletzt in den 90er-Jahren. Schauen wir uns den internationalen Vergleich an: Die Preisentwicklung in Deutschland hinkt gegenüber den meisten Ländern in Europa hinterher und bewegt sich im unteren Mittelfeld.
Behauptung 2: „Die Deutschen müssen sich für den Immobilienkauf immer stärker verschulden.“
Richtig: Das Kreditvolumen für Immobilienfinanzierungen hat wegen der gestiegenen Preise zugenommen. Aber: Es handelt sich in aller Regel um grundsolide Finanzierungen mit hohen Til-gungsraten und langer Zinsbindung. Deutsche Kreditvergabestandards sind im internationalen Vergleich nicht erst seit der Finanzkrise streng. Das konstatiert auch regelmäßig die Bundesbank.
Behauptung 3: „Es wird mehr gebaut als nötig.“
Falsch, das Gegenteil ist der Fall. Der Neubau kommt der Nachfrage weiterhin nicht hinterher, das Angebot an Wohnraum bleibt vielerorts zu gering. Das trifft insbesondere auf genau die Ballungszentren mit den höchsten Preissteigerungen zu. Die schon bestehende Lücke von einer Million fehlenden Wohnungen lässt sich auch in den nächsten Jahren kaum aufholen.
Meine Prognose: Ja, die Preissteigerungen der vergangenen Jahre werden sich nicht endlos fortsetzen. Aber auch wenn der Aufwärtstrend bei Immobilien langsam an Fahrt verliert, ist nicht mit einem plötzlichen Preissturz zu rechnen. Schwächelt jetzt die Konjunktur, bremst das den Preisanstieg, aber verkehrt ihn nicht ins Gegenteil.
Untersuchungen zeigen, dass die Nachfrage nach Immobilien bis 2030 und darüber hinaus hoch bleiben wird – das gilt vor allem in den Ballungsgebieten. Denn die Zahl der Haushalte wird weiter steigen, weil es mehr Junge-Single- und Rentnerhaushalte geben wird.Also: Wer heute schon eine Immobilie besitzt, muss keinen Wertverfall befürchten.
Und: künftige Immobilienkäufer können nicht darauf bauen, dass die Preise rasch sinken werden. Ich rechne damit, dass sie sich auf dem aktuellen hohen Niveau seitwärts einpendeln. In begehrten Regionen werden sie auch weiter steigen, wenn die Zinsen niedrig bleiben.
Dr. Rainer Eichwede ist Kapitalmarktexperte und Leiter Finanzsteuerung bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall.
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