Warum sich Facebooks Libra nicht mit Blockchain erklären lässt

Die Folgen des Rund-um-Services sind ebenfalls zu sehen. Peter Steinlechner meldet für das Onlineportal golem im Dezember 2018, dass das WeChat Profil als Ersatz für den Personalausweis gilt. Ähnliches wäre auch für Facebook denkbar, was sowohl soziale als auch finanzielle Daten erhebt. Wozu diese Daten führen können, schildert Sophia Seiderer für Die Welt bereits 2012 ausführlich. So ist es denkbar, dass ein Scoring etabliert wird. Es könnte beispielsweise bei Kreditentscheidungen eine Rolle spielen. 

Was Zuckerberg vermutlich beabsichtigt

Diesen Zustand, dass sich sehr viel über eine Plattform abbilden lässt, nennt man auch Locked-In Effekt. Es bedeutet, dass Nutzer bei einem Wechsel der Plattform hohe Kosten in Kauf nehmen müssen. Sich nicht mehr länger ausweisen zu können, scheint insofern ein relativ hohes Gut zu sein, welches nicht leichtfertig aufs Spiel gesetzt wird.

Ähnliche Absichten dürfte Facebook besitzen. So ist für den Betrieb ein Facebookkonto nötig. Die Pflicht zur Nutzung des Klarnamens gilt laut Facebook schon länger. Künftig wird sie jedoch mit dem Hinweis auf Regulierung und rechtliche Aspekte wie das Geldwäschegesetz einfacher durchzusetzen sein. Damit baut Mark Zuckerberg weiter an dem wertvollsten Gut, was er bereits seit Jahren Kunden zum Kauf beispielsweise in Form von Werbeanzeigen anbietet: Daten. 

Das Potential liegt in Libra – und nicht in Calibra

Neu daran ist insbesondere die Bündelung unterschiedlicher Datenpunkte. Aufgrund des Engagements von Unternehmen wie Visa und Uber im Projekt Libra steht anzunehmen, dass Facebook so weitere Daten gewinnen kann und künftig trotz Regulierung in der Lage ist, ein um ein Vielfaches besseres Targeting anzubieten. Denkbar wäre beispielsweise die Möglichkeit von Predictive Analytics. Hier werden Kunden gesucht, die aktuellen Käufern so ähnlich wie möglich sind. Diese werden dann beworben und kaufen mit einer höheren Wahrscheinlichkeit die beworbenen Produkte. 

Somit stützt Calibra das angeschlagene Geschäftsmodell von Zuckerberg und verschiebt die Suche nach neuen Erlösquellen bis auf Weiteres. So argumentiert auch Rob Martin für das PCMag. Er kommt zu dem Schluss, dass das Geschäftsmodell von Facebook stets auf dem Verkauf von Werbung basieren wird. Basis dafür, so Martin weiter, seien Daten. Nachdem Facebook in den vergangenen Monaten einige Optionen zur Bildung von Zielgruppen nicht mehr anbieten darf, sucht das nach dem Abgang von Sheryl Sandberg verbleibende Spitzenteam von Mark Zuckerberg nun nach Lösungen für ihr wachsendes Dilemma.

Wie die Welt darauf reagiert

Die Papiere des sozialen Netzwerks rückten bis Handelsende am Dienstag um 4,24 Prozent auf 189,01 US-Dollar vor und zogen so an der Nasdaq-Börse den ganzen Technologiesektor mit nach oben. Führende Experten wie Mark Mahaney und Zachery Schwartzman, beides Analysten der Royal Bank of Canada, erklärten dem Wall Street Journal gar, die Einführung und ihre Folgen seien für die Welt vergleichbar zur Vorstellung von iOS als Betriebssystem von Apple. 

Ein besonders Augenmerk besitzen Banken auf das Angebot von Facebook nun auch grenzübergreifende Geldtransfers anzubieten. Christian Kirchner schreibt für das Onlineportal Finanz-Szene, dass eine Überweisung von 200 US Dollar etwa sieben Prozent betragen. Hier verweist er auf eine Pressemitteilung der Weltbank, die für 2018 ein Überweisungsvolumen von 500 Milliarden US Dollar belegt. Die Gewinnspanne der Banken liegt also etwa bei 35 Milliarden Euro per Jahr. 

Positive Stimmen auch bei den Banken

Umso überraschender ist es, dass die ersten Stimmen der Banken positiv sind. So berichtet Chris Giles für die Financial Times aus London, dass der Vorstand der Bank of England der Initiative gegenüber durchaus offen sei. Allerdings, so zitiert Giles weiter, handele es sich nicht um ein Freifahrscheint für das Unternehmen. Ähnlich berichten auch andere Medien über die Zentralbank in Frankreich und den Niederlanden. 

Bedenkt man, dass Facebook aufgrund des Angebots von Stablecoins in der Lage ist, eigene Finanzströme außerhalb der durch Länder und Banken kontrollierten bestehende Wege abzubilden, scheint die Reaktion umso überraschender. 

Über das Wochenende schlägt die Stimmung jedoch um. Die Welt am Sonntag zitiert Burkhard Balz, Vorstand der Bundesbank, mit kritischen Aussagen zu Libra: „Sollte Libra in größerem Umfang verwendet werden, sind weitreichende Implikationen für die Finanzbranche, für die Finanzstabilität und für die Geldpolitik nicht auszuschließen“. Weiter appelliert er im Interview an seine europäischen Kollegen, eine eigene Alternative zu den überwiegend amerikanischen Angeboten zu schaffen.

Dämpft Telegram den vermeintlichen Erfolg von Facebook?

Das letzte Wort über Erfolg und Niederlage ist jedoch noch nicht gesprochen. Es steht abzuwarten, wie affin die Nutzer von Facebook 2020 sein werden, wenn Calibra offiziell gelauncht wird. Anders liegt der Sachverhalt bei Telegram. Der Konkurrenz von Messengerdienst WhatsApp bringt bereits im dritten Quartal diesen Jahres eine eigene Krypotwährung auf den Markt, die ähnliche Funktionalitäten besitzt wie Calibra. 

Was Facebook und Telegram voneinander unterscheidet, ist die Zielgruppe. So befinden sich bei dem als sehr hoch verschlüsseltem und hochgradig anonymisierbaren Messenger vor allem technikaffine Nutzer. Diese sind zumindest in der Theorie offener für das Thema als Facebooks Cat-Content User dies sind. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Vorhaben in den kommenden Monaten weiter entwickelt.

 

Foto: Shutterstock

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