Was die Inflation für die betriebliche Altersvorsorge bedeutet

Foto: Longial / Ergo Group AG
Ulrike Taube ist Geschäftsführerin der Longial GmbH.

Während die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 noch bei 3,1 Prozent im Jahresdurchschnitt lag, klettert sie nun, angefeuert durch die Corona-Pandemie, den Ukraine-Krieg und den damit einhergehenden steigenden Rohstoff- und Verbraucherpreisen sowie den Lieferengpässen auf 7,9 Prozent in 2022. Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für die betriebliche Altersvorsorge? Von Ulrike Taube, Longial

Bereits seit der Preisrevolution im 16. Jahrhundert bekannt, verbindet man den Begriff der Inflation, also die kontinuierliche Steigerung des Preisniveaus bei einer Vielzahl von Waren und Dienstleistungen in einer Volkswirtschaft, heute vor allem mit dem Ersten Weltkrieg. Denn damals führte eine Kette von inflationstreibenden Ereignissen zu einer über die Jahre immer weiter steigenden Entwertung des Geldes sowie einer Absenkung der Kaufkraft und mündete schließlich in die Hyperinflation des Jahres 1923.

Hyperinflation 1923

Auch die Kassen der Altersvorsorgeträger wurden in jenen Zeiten immer leerer, da die Zahl der Hinterbliebenenrenten kriegsbedingt sprunghaft anstieg. Des Weiteren schlug der Weltkrieg bei einigen Rentenversicherern zusätzlich stark zu Buche, die ihr Vermögen in Kriegsanleihen angelegt hatten. Durch die anschließende Hyperinflation wurden bei der gesetzlichen Rentenversicherung sogar 90 Prozent des angesammelten Kapitals vernichtet.

Und heute?

Während die Inflationsrate laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 noch bei 3,1 Prozent im Jahresdurchschnitt lag, klettert sie nun, angefeuert durch die Corona-Pandemie, den Ukrainekrieg und den damit einhergehenden steigenden Rohstoff- und Verbraucherpreisen sowie den Lieferengpässen auf 7,9 Prozent in 2022.

Was bedeutet dies für die betriebliche Altersvorsorge von heute? Grundsätzlich sind laufende Renten vor dem Hintergrund des § 16 BetrAVG inflationsgesichert. Gleichwohl hängen mögliche Einschränkungen bei besonders hoher Inflation immer auch vom Durchführungsweg sowie der Art der Zusage ab. Geschützt sind Direkt- und Unterstützungskassenzusagen, die unter § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG fallen. Denn hier ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Rentenanpassung zu prüfen, für welche die Entwicklung des Verbraucherpreisindexes (VPI) oder der Nettolohnentwicklung vergleichbarer Arbeitnehmergruppen herangezogen werden.

Eine Erhöhung der Betriebsrenten parallel zum VPI garantiert so, wenn auch zeitlich verzögert, einen nahezu vollständigen Inflationsausgleich. Allerdings sind auch Fälle bekannt, in denen der Arbeitgeber aus wirtschaftlichen Gründen nicht in der Lage ist, eine Anpassung vorzunehmen. Eine Anpassungsprüfung entfällt, wenn die Betriebsrente jährlich unabhängig von der aktuellen Inflationsrate sowie von der wirtschaftlichen Lage des jeweiligen Unternehmens automatisch um ein Prozent erhöht wird (§ 16 Abs. 3 Nr. 1 BetrAVG).

Anpassungsprüfungen teils obsolet

Möglich ist dieses Verfahren für Zusagen, die nach dem 31. Dezember 1998 erteilt wurden (§ 30c Abs. 1 BetrAVG). Im Rahmen von Direktversicherungen beziehungsweise Pensionskassen sind Anpassungsprüfungen ebenfalls obsolet, wenn alle Überschüsse, die der Versorgungsträger für die Rentner erwirtschaftet, zur Erhöhung der Versorgungsleistung verwendet werden (§ 16 Abs. 3 Nr. 2 BetrAVG). Eine tatsächliche Erwirtschaftung entsprechender Überschüsse durch Versicherer oder Pensionskassen ermöglicht daher ebenfalls einen gewissen Inflationsschutz.

Zu einer Rentenanpassung in Höhe von mindestens ein Prozent verpflichtet sind nach § 16 Abs. 5 BetrAVG hingegen aus Entgeltumwandlung finanzierte Unterstützungskassen- und Direktzusagen. Überhaupt nicht zu einer Rentenanpassung verpflichtet sind Unternehmen oder Versorgungsträger im Rahmen von Beitragszusagen mit Mindestleistung (BZML) sowie „reinen“ Beitragszusagen (§ 16 Abs. 3 Nr. 3 BetrAVG bzw. § 1 Abs. 2 Nr. 2a BetrAVG).

Bedeutung in der Praxis

Neben den vorstehend beschriebenen möglichen Zusatzbelastungen durch anpassungsbedingte erhöhte Versorgungsleistungen insbesondere außerhalb einer versicherungsförmigen Durchführung können sich beim Arbeitgeber die Pensionsrückstellungen im Rahmen von Direktzusagen – je nach Vertragsgestaltung– durch Gehalts- und Rententrends erhöhen. Andererseits steigen mit wachsender Inflation auch die Zinssätze. So verlangsamt sich der Abwärtstrend des für die handelsrechtliche Bewertung ausschlaggebenden Zehn-Jahres-Durchschnitts-Rechnungszinses der letzten Jahre bereits spürbar. Sollten die Zinsen noch weiter steigen, wird sich parallel dazu auch dieser erhöhen und zu zinsinduzierten bilanziellen Entlastungen der Arbeitgeber bei den Pensionsverpflichtungen führen.


Bei Arbeitnehmern können die Kaufkraftverluste für unverfallbar ausgeschiedene Anwärter besonders relevant sein, insbesondere wenn die Versorgung erst mittel- oder gar langfristig ansteht und die Inflationsraten anhaltend hoch bleiben. Für aktive Versorgungsanwärter ist in Bezug auf die moderne Zusageart der beitragsorientierten Leistungszusage (boLZ) anzumerken, dass Entgeltumwandlungen nicht selten auch an die Entwicklung der Beitragsbemessungsgrenze (BBG) gekoppelt sind.

Insofern könnte die Geldentwertung durch eine höhere Dotierung kompensiert werden, sofern der Arbeitnehmer die entsprechenden Beitragsanpassungen akzeptiert. Weniger anfällig für die Inflation waren die früher meist üblichen endgehaltsabhängigen Zusagen, da sie an die Höhe des Gehalts gekoppelt waren. Abschließend bleibt festzuhalten, dass die Folgen der Inflation auf die Betriebsrenten vor allem von der Vertragsgestaltung, dem Durchführungsweg und der Zusageart abhängen.

Autorin Ulrike Taube ist Geschäftsführerin der Longial GmbH, ein Unternehmen der Ergo Group AG.

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