Orientiert man sich an der aktuellen Berichterstattung, so entsteht leicht der Eindruck, dass eine Rezession die Tiefphase eines Konjunkturzyklus darstellt. Tatsächlich handelt es sich bei der Rezession um die Phase des Abschwungs, die sich durch eine abnehmende Wirtschaftsleistung äußert. Experten sprechen dann von einer Rezession, wenn das Brutto-Inlandsprodukt (BIP) einer Volkswirtschaft in zwei aufeinanderfolgenden Quartalen im Vorjahresvergleich rückläufig ist. Dabei ist egal, wie klein oder groß die Diskrepanz zwischen den Vergleichswerten ist.
BIP: Das Bruttoinlandsprodukt ist eine offizielle Messgröße für die Wirtschaftsleistung einer Volkswirtschaft. Es misst die Gesamtproduktion aller Waren und Dienstleistungen im Inland nach Abzug aller Vorleistungen.
Anzeichen einer Rezession
Neben dem rückläufigen BIP gibt es noch weitere Kennzeichen, fallende Börsenkurse, sinkende Produktion, abnehmendes Lohnniveau, zunehmende Arbeitslosigkeit, Rückgang der Nachfrage und des Konsums, pessimistische Marktprognosen, überhohe Lagerbestände sowie sinkende Preise.
Generell gilt: Nicht jede Rezession ist gleich, weswegen die Merkmale im Einzelfall abweichen können.
Warum ist eine Rezession ein volkswirtschaftliches Problem? Eine Volkswirtschaft, die sich abkühlt und an Fahrt verliert, kennt viele Verlierer. Dazu gehören vor allem die Beschäftigten im Niedriglohnsektor sowie Haushalte mit geringerem Einkommen. Viele Unternehmen werden zum Sparen gezwungen und versuchen, ihre fundamentalen Daten durch Personalabbau zu verbessern. Die Sozialsysteme werden durch eine steigende Arbeitslosigkeit belastet – abnehmender Konsum wiederum verringert staatliche Steuereinnahmen und die Umsätze der Unternehmen. Und: Nicht jedes Unternehmen überlebt einen solchen wirtschaftlichen Abschwung.
Stecken wir schon in der Rezession?
Diese Gleichung hat einige Unbekannte, zu denen maßgeblich das zukünftige Verhalten der US-Notenbank gehört. Sie steht innenpolitisch angesichts der hohen Inflation unter Druck. Sollte die amerikanische Notenbank ihre aktuelle Zinspolitik fortsetzen, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Rezession also hoch, denn die geplanten weiteren Zinserhöhungen könnten die Wirtschaft abrupt ausbremsen.
Diese zinspolitische Bremse kombiniert mit hoher Inflation und den derzeitigen geopolitischen Risiken macht es Anlegerinnen und Anlegern nicht gerade leicht. Bei Aktien und Unternehmensanleihen kommt es auf gut geprüfte Auswahl an: Beispielsweise bieten Unternehmen aus den USA aktuell mehr Chancen als der europäische Markt, der auch stärker unter dem Krieg in der Ukraine leidet. Den Markt und die entsprechenden Wirtschaftsindikatoren genau im Blick halten und sich flexibel anpassen – daran führt jedenfalls kein Weg vorbei.
Positive Effekte einer Rezession
Bei allen Schwierigkeiten, die eine Rezession mit sich bringt – sie kann auch Positives bewirken. Unternehmen, deren Geschäftsmodelle langfristig nicht tragfähig sind, etwa weil sie nur auf Pump ausgelegt sind, werden bisweilen ausgesiebt. So findet eine gewisse Form der Bereinigung statt. Die Nachfrage lässt nach, und damit sinkt in der Regel auch die Inflationsrate. Die Überhitzung, die in der Phase der Hochkonjunktur eingesetzt hat, kühlt allmählich ab. Und bereits die Überhitzung ist gekennzeichnet von teils negativen Merkmalen wie: geringes oder stagnierendes Wachstum , Übertreibungen und zu starker Optimismus führen zu Fehlinvestitionen, Preisanstieg, fragmentierte Märkte erfahren stärkere Konzentration
Insofern ist die derzeit weit verbreitete Furcht vor einer Rezession nur die halbe Wahrheit. Eine Rezession ist eine vielschichtige Konjunkturphase, die eine Volkswirtschaft durchaus wieder auf einen langfristig stabileren Weg führen kann.
Wann war die letzte Rezession
So dramatisch, wie derzeit über eine drohende Rezession berichtet wird, könnte der Eindruck entstehen, dass dieses Phänomen nur sehr selten auftritt und die letzte Rezession Jahrzehnte zurückliegt. Falsch – zurück in das Corona-Jahr 2020: Laut den Daten des Bureau of Economic Analysis wiesen exemplarisch in den USA die ersten beiden Quartale eine negative BIP-Entwicklung im Vorjahresvergleich auf. Durch mehr monetäre und fiskalpolitische Anstrengung konnte die Rezession jedoch schnell gestoppt werden.
Ein solcher Eingriff erscheint vor dem Hintergrund des aktuellen Inflationsgeschehens allerdings noch unwahrscheinlich. Erst ein Rückgang der Teuerungsraten könnte den Notenbanken wieder mehr Manövrierfähigkeit geben. Insofern taugt die Corona-Rezession von 2020 nur bedingt als Vergleich.
Gehen wir etwas weiter zurück. Anfang der 1990er rutschte die US-Wirtschaft in eine Rezession. Sie wurde ausgelöst von der restriktiven Geldpolitik der US-Notenbank Federal Reserve, um die steigende Inflation zu bekämpfen. Steigende Ölpreise trugen maßgeblich zum Anziehen der Inflation bei. Wichtigster Preistreiber: der irakische Überfall auf Kuwait. Der so genannte Ölpreis-Schock hielt rund neun Monate an, bis eine internationale Koalition unter Führung der USA Saddam Husseins Truppen zurückdrängen und die Ängste um die Ölversorgung auflösen konnte.
Wie wirkten sich die vergangenen Rezessionen aus?
Insgesamt gilt die 1990er-Rezession der US-Konjunktur als vergleichsweise milde, sie dauerte nur acht Monate. Dennoch wurde sie von einem Bärenmarkt für Aktien flankiert, in dessen Spitze der S&P 500 in nur 68 Tagen 20 Prozent verlor. Auch global kühlte das Wirtschaftsklima ab, sodass die europäischen Aktien ebenfalls in einen Bärenmarkt gerieten. Dieser dauerte 131 Tage und der Index verlor bis zu 24 Prozent. Besonders lehrreich ist allerdings nicht der Blick auf die maximalen Verluste der Bärenmärkte, sondern vielmehr auf die Erholung der Aktienmärkte nach diesen Rückschlägen.
Nur drei Monate nach dem Tiefpunkt des Bärenmarkts sah die Welt der Aktienmärkte bereits ganz anders aus. Der S&P 500 lag bereits wieder bei einem Plus von 23 Prozent, der MSCI Europe notierte bei Plus 25 Prozent. Ein Einzelfall, den die Märkte dem milden Rezessionsverlauf zu verdanken hatten? Nicht ganz.
Wie lange dauert eine Rezession?
Die Statistik zeigt, dass der S&P 500 bei Bärenmärkten im Schnitt sechs Monate nach dem Tiefpunkt bei Plus 25 Prozent, zwölf Monate danach sogar bei Plus 36 Prozent steht. Demgegenüber steht ein durchschnittlicher Drawdown (der maximale Wertverlust bis zum Wiedererreichen des Ursprungswertes) von 34 Prozent.
Ein ähnliches Bild zeigt sich in den anderen Indizes. Der MSCI Europe liegt ein Jahr nach Bärenmarkt-Tiefpunkten bei einem Plus von 34 Prozent, während der Drawdown 32 Prozent beträgt. Und auch im Weltindex MSCI All Country World steht zwölf Monate nach einem Bärenmarkt eine Erholung von 32 Prozent einem Drawdown von 25 Prozent gegenüber.
Sogar lang anhaltende Bärenmärkte, etwa während der Rezessionen Anfang der 2000er (New Economy-Blase) und während der großen Finanzkrise ab 2007, konnten sich mit etwas Distanz wieder erholen. Bei ersterer verlor der S&P bis zu 49 Prozent und konnte bis zwölf Monate nach dem Tiefpunkt immerhin 33 Prozent wieder gutmachen. Bei zweiterer ging es sogar 57 Prozent nach unten, dafür folgte eine Erholung von 68 Prozent ein Jahr später.
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Welche Branchen sind mehr, welche weniger betroffen
Rezessionen sind herausfordernd für eine Volkswirtschaft, sie können ihr perspektivisch aber auch helfen. Aktienmärkte und Rezessionen vertragen sich nicht besonders gut, aber dennoch haben die Märkte sich, historisch betrachtet, bisher immer wieder erholt. Für Anlegerinnen und Anleger bedeutet das vor allem eines: Ruhe bewahren. Breite Abschwünge in der Wirtschaft und an der Börse sind schmerzhaft, rote Zahlen sieht niemand gern im Portfolio. Aber: Nicht jede Aktie und nicht jedes Unternehmen leidet in einem solchen Negativszenario gleichermaßen. Schon auf Sektor-Ebene werden Unterschiede deutlich.
Die Automobil-Industrie etwa muss mit durchschnittlich minus 61 Prozent maximalem Drawdown in Marktkrisen vergleichsweise hohe Verluste verkraften. Auch der Immobiliensektor wird mit minus 59 Prozent durchschnittlichem maximalen Drawdown in Krisenzeiten stark gebeutelt.
Als krisenresistenter erweisen sich Wirtschaftszweige, auf die Verbraucher auch in schweren Zeiten nicht verzichten können. Basiskonsumgüter wie Haushaltswaren und Lebensmittel führen das Feld mit einem maximalen durchschnittlichen Drawdown von 23 Prozent an. Auch der Gesundheitssektor steht in Krisenzeiten mit einem Drawdown-Durchschnittswert von 31 Prozent, zumindest relativ gesehen, besser da als viele andere Bereiche.
In der aktuellen Marktphase beweisen diese Bereiche, zumindest bislang, erneut ihre Resilienz. Aber auch der Telekommunikationssektor, Versorger und Versicherungsunternehmen stehen relativ gut da, weil sie über einen festen Kundenstamm mit meist lang laufenden Verträgen verfügen.
Generell setzen wir bei Unternehmen weiterhin auf Kriterien wie Preissetzungsmacht und eine starke Marktposition und die Fähigkeit, die Margen zu halten. Einzelne Anlagechancen sehen wir auch bei festverzinslichen Wertpapieren mit derzeit hohen Renditeniveaus. Wer das Risiko im Portfolio generell möglichst reduzieren möchte, für den eignen sich defensive Aktien, eine höhere Cashquote, gegebenenfalls eine höhere Anleihenquote oder eine Goldbeimischung. Vollständig auszusteigen kann im schlimmsten Fall sehr teuer werden. Denn: Die Börse klingelt weder zum Ausstieg noch zum Wiedereinstieg.