Was wird aus dem Provisionsverbot?

„Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema Provisionsverbot von dritter Seite während des Trilogs dafür instrumentalisiert werden wird, die vermeintliche Lobbymacht der Finanzwirtschaft zu thematisieren und zu skandalisieren“, sagt Frank Rottenbacher, Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistung. Aber auch er ist überzeugt: „Ein allgemeines und umfassendes Provisionsverbot ist in meinen Augen vom Tisch.“ 

Parlament und Rat haben sich recht klar gegen ein Provisionsverbot positioniert, so Rottenbacher. Nach Abschluss des Trilogs werde es auf europäischer Ebene hoffentlich bis zur Evaluierung in fünf Jahren kein Thema sein. „Es sei denn, bei einer Evaluierung der IDD oder MiFID wird es wieder thematisiert“, schränkt er ein. IDD ist die Richtlinie für den Versicherungsvertrieb, MiFID für Finanzdienstleistungen.

Und: „Welche politische Auffassung die neue Kommissarin mitbringt, ist noch abzuwarten“, so der AfW-Vorstand. Nach der Europawahl ist Mairead McGuinness, die sich für ein Provisionsverbot stark gemacht hatte, als Kommissarin – also sozusagen EU-Ministerin – für Finanzdienstleistungen, Finanzstabilität und die Kapitalmarktunion ausgeschieden. Als Nachfolgerin wurde die Portugiesin Maria Luís Albuquerque vorgeschlagen (bis Redaktionsschluss noch nicht bestätigt). Ihre Positionierung in dem Punkt ist noch nicht bekannt.

Risiko: Wahlkampf und Koalitionsverhandlungen 2025

So oder so: Aus Richtung der EU wird beim Thema Provisionsverbot wahrscheinlich erst einmal Ruhe sein. „Dies schließt aber nicht aus, dass es auf deutscher Ebene noch einmal hochkocht, zum Beispiel im Wahlkampf und bei Koalitionsverhandlungen im kommenden Jahr“, sagt Rottenbacher. 

Diese Gefahr besteht auch deshalb, weil es sich eher um ein Randthema im großen Politikbetrieb handelt und nach der nächsten Bundestagswahl (spätestens im September 2025) vielleicht selbst Union oder FDP (sofern sie dann noch eine Rolle spielt) die Provisionen in Koalitionsverhandlungen über die Klinge springen lassen, um andere Punkte durchzusetzen, die aus ihrer Sicht wichtiger sind. 

„Das Thema ‚Provisionsverbot für Anlageberater und Versicherungsmakler‘ ist und bleibt ein Streitpunkt zwischen den politischen Entscheidungsträgern in der EU und in Deutschland“, bestätigt auch Dr. Frank Ulbricht, Vorstand des Maklerpools BCA. „So ist davon auszugehen, dass das Thema in naher Zukunft wieder aus der Schublade geholt wird“, prognostiziert er. Dies allein schon deshalb, weil die jüngste EU-Regelung eine Revisionsklausel enthalte, die grundsätzlich ein Provisionsverbot zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen könnte. 

„Hier ist noch viel Musik drin“

„Hier ist also noch viel Musik drin“, so Ulbricht. Nicht ohne Grund beschäftigten sich einige Vermittler bereits mit alternativen Vergütungsmodellen wie laufenden Vergütungen, Servicegebühren oder Honoraren, sagt er. 

Karsten Kehl, BfV Bank für Vermögen: „Die sogenannte Servicegebühr hat sich im Markt etabliert.“ (Foto: BfV Bank für Vermögen)

Das kann nicht nur zur Vorbereitung auf ein womöglich doch irgendwann drohendes Provisionsverbot und zur frühzeitigen Sensibilisierung der Kunden nützlich sein. Vielmehr lassen sich damit durchaus auch für Provisionsberater Zusatzeinkünfte erwirtschaften. Voraussetzung: Es handelt sich um Dienstleistungen, die nicht bereits durch den originären Pflichtenumfang und die Provision abgedeckt sind. 

Die Herausforderung dürfte zudem vielfach sein, die Kunden von Gebühren oder Honoraren zu überzeugen. Schließlich sind sie seit Jahr und Tag daran gewöhnt, dass Finanz- und Versicherungsberatung als solche kostenlos ist. Deshalb wissen die Kunden – anders als Verbraucherschützer nicht selten behaupten – natürlich auch, dass die Finanzdienstleister nicht nur von Luft und Liebe leben, sondern von Provisionen. Aber das wäre ein eigenes Thema. 

So verbreitet sind (Zusatz-) Honorare schon

Jedenfalls ist es wahrscheinlich ratsam, schon jetzt entsprechende Modelle zu entwickeln und die Kunden zumindest in kleinen Dosen an Honorare oder Servicegebühren zu gewöhnen – und nicht erst dann, wenn es vielleicht zu spät ist. Zudem sind Zusatzeinkünfte oftmals ohne großen Zusatzaufwand möglich, wenn lediglich Leistungen vergütet werden, die ohnehin – bisher für lau – über den originären Pflichtenumfang hinaus erbracht wurden. Alternative ist, das Geschäftsmodell komplett oder für einzelne Kunden ganz auf Honorare umzustellen.

So sind solche Vereinbarungen durchaus schon an der Tagesordnung. „Mit Blick auf den Markt stellen wir fest, dass sich dort in den letzten Jahren die sogenannte Servicegebühr etabliert hat“, berichtet Karsten Kehl, Vorstand er BCA-Tochter BfV Bank für Vermögen. „Diese Gebühr kann sowohl bei Vermögensverwaltungen als auch bei Einzeldepotstrukturen zur Anwendung kommen. Die Servicegebühr wird in der Regel volumenabhängig auf das jeweilige Kundendepot berechnet“, sagt er. 

Die Handhabung bezüglich etwaiger Provisionen sei klar geregelt. „In der Vermögensverwaltung wird bei provisionspflichtigen Fonds die Provision dem Kundendepot wieder gutgeschrieben oder es werden Nettoprodukte verwendet“, so Kehl. Im Versicherungsbereich gebe es bereits seit einigen Jahren erfolgreiche Nettomodelle. Dort ist die Verrechnung von Provisionen mit Honoraren wegen des – höchst umstrittenen, aber noch immer bestehenden – Provisionsabgabeverbots bei Versicherungen problematisch.

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