Weiterbildung für Finanzdienstleister: Lernen, lernen, lernen

Auf die Frage, ob es einen Einblick hat, welcher Anteil der in Anspruch genommenen Weiterbildungen für die Teilnehmenden kostenpflichtig und welcher kostenlos ist, antwortet das BWV indes sehr knapp: „Nein“. Dennoch ist davon auszugehen, dass die allermeisten Weiterbildungen von Versicherungsgesellschaften kostenlos sind. Das dürfte für die eigenständigen Bildungsanbieter, die auf Einnahmen angewiesen sind, eine Herausforderung sein. Doch es gibt durchaus Vermittler, die für ihre Weiterbildung Geld bezahlen, auch um sich freiwillig über den vorgeschriebenen Umfang hinaus informieren. 

Welchen Anteil an den in Anspruch genommenen Fortbildungen haben gesetzliche Weiterbildungsverpflichtungen wohl in Relation zu freiwilligen Fortbildungen oder Zusatzqualifikation? „Das lässt sich so ganz trennscharf nicht sagen, da die meisten unserer Weiterbildungsangebote zumindest teilweise auch im Rahmen der gesetzlichen Weiterbildungsverpflichtung anerkannt werden“, antwortet Ronny Schröpfer, Geschäftsführer der Deutsche Makler Akademie (DMA). „Aber wer bei uns bucht, bezahlt ja auch freiwillig Teilnahmegebühren. Diese sind zwar von unserem Förderverein gefördert, aber dennoch haben die Vermittler ja auch zahlreiche kostenfreie Möglichkeiten, ihre gesetzliche Weiterbildungspflicht zu erfüllen. Deshalb schätzen wir den Anteil an freiwilliger Weiterbildung mit unseren Angeboten sehr hoch ein“, so Schröpfer weiter.

Going Public: Präsenzanteil geht wieder zurück

Dr. Wolfgang Kuckertz, Vorstand der Going Public Akademie für Finanzberatung, berichtet hingegen: „Durch die inzwischen umfangreichen gesetzlichen Pflichten dominieren diese Themen inzwischen die Aus- und Fortbildungstätigkeit. Es gibt für Vermittler immer weniger Luft, Weiterbildung über die gesetzlichen Inhalte hinaus zu nutzen“. Dennoch gebe es Themen, die sehr sinnvoll zur Steigerung des Erfolgs sind, sich aber der gesetzlichen Regelung entziehen. „Themen wie strategische Unternehmens­ausrichtung, Verkauf oder Recruiting sind unverzichtbar, aber schwer in das enge Gerüst der gesetzlichen Weiterbildungspflicht zu integrieren. In der letzten Zeit steigt das Interesse an diesen Qualifizierungen spürbar an“, so Kuckertz weiter. „Dennoch werden Pflicht-Ausbildungen und Pflicht-Weiterbildungen dauerhaft den größeren Anteil der Qualifizierungen ausmachen“, betont er.

Und wie hat sich dabei der online durchgeführte Anteil nach dem Ende der Pandemie entwickelt? „In unseren Schulungsmodellen hatten wir bereits vor der Pandemie nur einen geringen Präsenzanteil von circa 30 Prozent“, berichtet Kuckertz. „Dieser Anteil wurde auch nach der Pandemie nicht mehr erreicht, wenn auch im Jahr 2022 – also noch während der Pandemie – ein Nachholeffekt und eine Präsenz-Sehnsucht zu spüren war.“ So habe der Präsenzanteil Mitte 2022 bis Mitte 2023 schon wieder bei circa 20 Prozent gelegen. „Ab Mitte 2023 wurde wieder deutlich bewusster mit Reisekosten und -aufwendungen agiert. So ging in 2023 der Präsenzanteil Pandemie-unabhängig wieder zurück und liegt derzeit bei unter 15 Prozent“, sagt Kuckertz, der Going Public zusammen mit seinen Vorstandskollegen Ronald Perschke und Frank Rottenbacher führt.

Dauerhafte Veränderung des Lern-Rahmens

Noch ausgeprägter ist die Entwicklung bei der DMA. Dort schoss der Online-Anteil von 37 Prozent im Jahr 2018 auf bis zu 88 Prozent während der Pandemie (siehe Grafik). 2022 ging er geringfügig zurück, stieg 2023 aber sogar über das Corona-Niveau. „Auch jetzt steigt nur noch der Onlineanteil. Lediglich einige Inhouseveranstaltungen finden gerne wieder in Präsenz statt“, so Geschäftsführer Schröpfer. Der durch Corona erzwungene Push bei der Digitalisierung führt also zu einer dauerhaften Veränderung des Lern-Rahmens.

Anders verhält es sich bei Vertrieben, die eigene Schulungen anbieten. „Schon vor der Pandemie haben wir auf digitale und hybride Weiterbildungsformate gesetzt. Deren Nachfrage erreichte während der Pandemie ihren Höhepunkt und verblieb auf sehr hohem Niveau“, sagt Markus Knapp, Mitglied des Vorstands der Deutschen Vermögensberatung (DVAG). „Gleichzeitig ist die Beliebtheit von Präsenzformaten wieder deutlich erstarkt. Wir sind überzeugt, dass persönliche Begegnungen und Lernen in Gemeinschaft Schlüssel für den Lernerfolg sind. Unsere Bildungsstätten im gesamten Bundesgebiet schaffen hierfür optimale Rahmenbedingungen. Heute haben wir ein ausgewogenes Verhältnis in unserem Bildungsangebot, das aktuell bei 47 Prozent online und 53 Prozent Präsenz liegt.“

Matthias Wald, Swiss Life: „Wir setzen wieder auf persönlichen Austausch und Präsenzschulungen“. Foto: Swiss Life/Aaron Leithaeuser

Auch bei Swiss Life hat der persönliche Austausch einen hohen Stellenwert. „Bereits vor 2020 haben wir Online-Konferenzen durchgeführt, sodass wir während der Pandemie problemlos auf digitale Formate umstellen konnten, ohne Veranstaltungen abzusagen“, berichtet Dr. Matthias Wald, Leiter Vertrieb bei Swiss Life Deutschland. „Heute setzen wir wie vor der Pandemie auf persönlichen Austausch und Präsenzschulungen“. Dafür hat Swiss Life bereits vor Beginn der Pandemie mehr als 30 Millionen Euro in ein Aus- und Weiterbildungszentrum in Hannover investiert. „Gleichzeitig prüfen wir, welche Schulungsformate sich für die digitale Weiterbildung eignen. So bilden wir beispielsweise mehrtägige Schulungen zur Wissensvermittlung eher digital ab. Von den rund 360 Schulungsveranstaltungen, die wir im vergangenen Jahr für unsere vier Finanzberatungsgesellschaften Swiss Life Select, Tecis, Horbach und Proventus durchgeführt haben, wurde der überwiegende Teil in Präsenz durchgeführt“, so Wald.

Thema Nachhaltigkeit verliert an Bedeutung

Auch inhaltlich haben sich die Schwerpunkte zuletzt verschoben. So scheint das Thema Nachhaltigkeit (ESG) wieder deutlich an Bedeutung zu verlieren. Es hatte nach der Einführung der Verpflichtung, ab August 2022 (34d-Vermittler) beziehungsweise ab April 2023 (34f) die Nachhaltigkeitspräferenzen der Kunden abzufragen, entsprechend großen Raum eingenommen. „Als eigenständige Schulungsprogramme spielt Nachhaltigkeit von Investments keine Rolle mehr. Der Nachholbedarf der gestandenen Vermittler ist erfüllt und so liegen die Kenntnisse zur Präferenzabfrage und zur Produktbewertung ausreichend vor“, berichtet Going-Public-Vorstand Kuckertz.

Einen größeren Stellenwert hat das Thema hingegen noch bei der DMA: „Es gibt einige Vermittler, die sich mit dem Thema Nachhaltigkeit identifizieren und das Thema auch entsprechend bei Ihren Kunden positionieren. Diese haben sich zum Beispiel in unserem Expertenlehrgang ‚Experte/-in nachhaltige Versicherungen und Finanzen (DMA)‘ seit 2018 umfassend und tiefgehend mit der Thematik beschäftigt und weitergebildet. Diese halten Ihr Wissen stets mit unseren Online-Seminaren aktuell, hier sind über 50 Teilnehmer je Seminarthema keine Seltenheit“, berichtet Schröpfer. 

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