Weltwirtschaft: Stabilisierung im zweiten Halbjahr erwartet

In diesem Jahr wurde der Triathlon in New York wegen großer Hitze abgesagt. Mit atmosphärischen Störungen hat aber auch die Weltwirtschaft zu kämpfen. Die Energy-Drinks der Zentralbanken dürften erst später im Jahr 2019 die beabsichtigte Wirkung entfalten. Ein Kommentar von Frank Häusler, Chief Strategist bei Vontobel Asset Management.


Der „Triathlon der Volkswirtschaften“ bietet derzeit ein eher depremierendes Bild: So droht dem erfolgsverwöhnten US-amerikanischen Athleten der Hitzschlag, während sein ambitionierter Verfolger aus China zusehends zurückfällt. Die deutsche Hoffnungsträgerin ist dagegen von einer ausgeprägten Erschöpfung gezeichnet und droht sogar ganz aus dem Rennen auszuscheiden. Außerdem ist die Stimmung unter den Teilnehmern gereizt.

Liquiditätsspritzen beleben nicht

Die Zentralbanken als Mitorganisatoren geben sich redlich Mühe, für einen reibungslosen Ablauf des Wettkampfes zu sorgen. Von den im Jahr 2018 angekündigten Zinserhöhungen und Liquiditätsverknappungen ist seit Anfang 2019 jedoch keine Rede mehr.

Stattdessen hat die US- Notenbank Fed die Zinsen jüngst sogar gesenkt, und die Europäische Zentralbank (EZB) beabsichtigt ihre lockere Geldpolitik auszuweiten. Zwar herrscht an den Verpflegungsstationen Hochbetrieb, doch die angebotenen Energy-Drinks spornen die Teilnehmer kaum zu mehr Tempo an. In Europa und China läuft die Konjunktur besonders schleppend.

Viele Beobachter fragen sich derzeit, ob den Zentralbanken zunehmend die Kontrolle entgleitet. Darauf sind mehrere Antworten möglich: Einerseits sind stützende geldpolitische Maßnahmen willkommen, da eine ansprechende Wirtschaftsentwicklung niedrige Zinsen und ausreichend Liquidität voraussetzt.

Anpassung der Geldpolitik ist nur folgerichtig

Andererseits verlieren die erneuten Liquiditätsspritzen zusehendes ihre Wirkung, denn auch beim Geld gilt das ökonomische Prinzip des abnehmenden Grenznutzens. Dieser liegt unserer Meinung aber immer noch weit über null. Der starke Rückgang der Anleihenrenditen zeigt auf, dass sich die Wirtschaftsaussichten deutlich eingetrübt haben.

Insofern ist die erheblich großzügigere Geldpolitik der Zentralbanken nur folgerichtig. Die Finanzierungskosten der Unternehmen sinken dadurch, wobei sich der positive Effekt erst mit einiger Verzögerung einstellen wird (siehe Grafik). Gemäß unserer Analyse werden daher die Volkswirtschaften die Früchte der geänderten Geldpolitik erst im zweiten Halbjahr 2019 ernten können.

Europäische Wirtschaft profitiert in der Regel neun Monate später von Liquiditätsmassnahmen

Angesicht der Diskussion darüber, ob den Zentralbanken zunehmend die Kontrolle entgleitet, stellt sich die Frage, ob vielleicht ein anderes Organisationskomitee das Rennen beleben könnte. Schließlich verfügen auch Regierungen über Instrumente zur Ankurbelung der Konjunktur, etwa steuerliche Anreize oder Investitionsprogramme.

In diesem Zusammenhang wird vor allem Deutschland genannt, da es die dringend benötigte Erneuerung seiner Infrastruktur ohne große Anstrengungen finanzieren könnte. Doch Berlin hat solchen Plänen eine klare Absage erteilt und will vorerst an einer schwarzen Null, sprich einem zumindest ausgeglichenen Haushaltsbudget, festhalten.

Seite 2: Wieso es gilt, ruhig zu bleiben

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