Bundesweit sind Regionen von Hochwasser betroffen. Die Lage ist noch immer angespannt. Die Deiche sind teils aufgeweicht, die Pegel sinken langsam.
„Dass die Deiche nicht brechen, ist noch nicht entschieden“, betont Onnen Siems, Geschäftsführer der aktuariellen Beratungsfirma Meyerthole Siems Kohlruss (MSK). „Sollten die Deiche halten, wird der versicherte Schadenaufwand unter 1 Mrd. Euro liegen“, schätzt Siems. Nicht in allen Fällen werden Schäden, die durch das Hochwasser entstehen, durch die Versicherer reguliert: „Wenn das Wasser durch den Anstieg des Grundwassers ’nur‘ im Keller steht – also nicht das Grundstück überschwemmt –, dann ist der Schaden durch die Elementarversicherung im Allgemeinen nicht gedeckt“, fügt Siems hinzu.
In Niedersachsen sind nur etwas mehr als 30 Prozent der Häuser gegen Elementarschäden versichert. „Ein Grund hierfür könnte die subjektive Risikowahrnehmung sein“, vermutet Siems. „Da die Gefahr ‚Sturmflut‘ in der Regel nicht Gegenstand der Versicherung ist, erscheinen Elementarabsicherungen für viele Menschen in Niedersachsen möglicherweise weniger attraktiv.
Die Gefahr ‚Überschwemmung‘, um die es in diesem Fall geht, ist zwar meist in der Elementarversicherung abgedeckt, wird aber oft nicht als akute Bedrohung eingeschätzt“, kommentiert Siems. „Vergangene Hochwasser mit weiträumigen Auswirkungen in Europa traten in 2002 und 2013 auf, jedoch entstanden diese Ereignisse durch große Regenmengen in den Sommermonaten und trafen unterschiedliche Regionen“, erläutert Prof. Dr. Stephanie Fiedler, die Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) in meteorologischen Fragen berät.
Die damaligen Hochwasser richteten in Deutschland einen gewaltigen Versicherungsschaden an, der deutlich höher ausfiel als dies aktuell der Fall ist, sofern die Deiche nicht brechen. „2013 betrug der Schaden inflationsbereinigt 3 Mrd. Euro, 2002 sogar 6 Mrd. Euro“, bilanziert der Versicherungsmathematiker Onnen Siems. Hochwasser wie das jetzige entstehen durch Extremwetter. Im Winter sind Hochwasserereignisse durch relativ warme Temperaturen begünstigt.
Höhere Temperaturen führen zu mehr Wasserdampf in der Atmosphäre, die mit Tiefdruckgebieten vom Atlantik nach Europa gelangen und hier anstatt von Schnee in Form von Regen fallen. „Der Regen führt unmittelbar zu steigenden Pegeln im Gegensatz zu Schnee, der bei geringen Temperaturen das Wasser zunächst speichert und erst bei Tauwetter in die Region fließen lässt“, merkt Fiedler an.
Der Weltklimarat hielt fest, dass extreme Regenereignisse wie das aktuelle Extremwetter mit zunehmender Erderwärmung häufiger und intensiver ausfallen. Wie sich der Selbstbehalt der Versicherer beim aktuellen Hochwasser darstellt, hängt von mehreren Faktoren ab. „In den Kumul-XLs (Schadenexzedenten) stellt sich immer die Frage, welche Einzelschäden für die Inanspruchnahme des Rückversicherungs-Vertrages zusammengefasst werden können“, erklärt Andreas Kelb, Strategieberater bei MSK. „Erstmal müssen diese aus einer Ursache sein und räumlich und zeitlich zusammenhängen“, führt er aus.
Für die zeitliche Komponente gelten dabei in den Standardklauseln für die Gefahren Sturm und Hagel 72 Stunden, für Schäden aus Flut/Überschwemmung 168 Stunden, also eine Woche. „Den 168-Stundenzeitraum kann der Erstversicherer dabei ‚passend‘ im Sinne einer maximalen Rückversicherungsentlastung festlegen. Die 168-Stunden-Klausel wird in letzter Zeit oft auch durch 504 Stunden ersetzt, also drei Wochen“. Kelb fügt hinzu: „´Zoltan`, das Sturmtief, das sich kurz vor Heiligabend ereignete, ist definitiv als eigenständiges Ereignis zu werten, also separat abzurechnen“.