Auch wenn der drohende Default der USA vorerst abgewendet scheint, bleiben die wesentlichen Fragen im Schuldenstreit ungeklärt. Was würde ein Bonitätsverlust der größten Volkswirtschaft der Welt für die Anleihemärkte bedeuten?
Gastkommentar: Alessandro Bee, Bank Sarasin
Das hartnäckige Tauziehen um eine Erhöhung der Schuldenlimits in den USA zwischen US-Präsident Barack Obama und dem US-Kongress hat aufgezeigt, wie sehr die Kreditwürdigkeit der USA inzwischen angeschlagen ist. Die Ratingagentur S&P beziffert die Wahrscheinlichkeit, dass die USA das höchste Kreditwürdigkeits-Rating AAA in der nächsten Zeit verlieren werden auf 50 Prozent.
Für eine Anleihe mit einer geringeren Kreditwürdigkeit verlangen Anleger in der Regel auch eine höhere Risikoprämie, also höhere Zinsen. Müssen die USA nun mit einem sprunghaften Anstieg der Zinsen rechnen, wie das bereits in Italien und Spanien zu beobachten ist? Ein solcher Zinsschock würden die USA und damit wahrscheinlich auch die globale Wirtschaft in eine Rezession führen.
Die größten Anleger in US-Staatsanleihen in den letzten zehn Jahren waren die US-Notenbank, Japan und vor allem China. Die Chinesen haben einen riesigen Exportüberschuss mit den USA, möchten aber gleichzeitig ihre Währung nur sehr langsam gegenüber dem US-Dollar aufwerten. Das bringt mit sich, dass China einen Teil seiner Export-Erlöse aus dem Handel mit den USA wieder in US-Dollar anlegen muss, ansonsten würde sich der US-Dollar stark abwerten.
Alternativen zu US-Staatsanleihen sind Mangelware
Aus diesem Grund wird ein großer Teil der chinesischen Export-Erlöse in US-Staatsanleihen investiert. Selbst wenn nun US-Staatsanleihen als weniger kreditwürdig eingestuft würden, stellen sie im Vergleich mit Unternehmensanleihen oder gar Aktien die noch immer sicherste Anlage dar. Das heißt aber gleichzeitig, dass die Chinesen, selbst wenn die USA ihr AAA-Rating verlieren, weiterhin US-Staatsanleihen kaufen werden, um den Wechselkurs stabil zu halten. Ähnliches gilt für Japan, welches auch versucht, den Yen gegenüber dem US-Dollar stabil zu halten.
Hinzu kommt, dass es schlicht keine Alternativen zu US-Staatsanleihen gibt. Der einzig vergleichbar große Markt ist der Markt für japanische Staatsanleihen – in Anbetracht der massiven Verschuldung Japans wohl keine sinnvolle Anlage. Der deutsche Staatsanleihenmarkt gilt zwar als sehr sicher, er ist aber fast sieben Mal kleiner als der US-Markt. Deutsche Staatsanleihen sind deshalb für einen solch großen Investor wie China kein adäquater Ersatz für US-Staatsanleihen.
Die großen Käufer von US-Staatsanleihen, China und Japan, müssen US-Staatsanleihen erwerben, um ihr Währungsgerüst aufrecht zu erhalten. Und selbst wenn sie ihre Währungsreserven umschichten wollten: Es fehlen ihnen schlicht die Alternativen. Das macht es für diese zwei Investoren schwierig, eine höhere Risikoprämie einzufordern oder US-Staatsanleihen gar im großen Stil zu verkaufen.
Deshalb dürfte eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit der USA kurzfristig keinen großen Einfluss auf die US-Zinsen haben, da die Nachfrage aus Asien nicht vom AAA-Status abhängt.
Der Autor ist Ökonom bei der Schweizer Privatbank Sarasin & Cie. AG
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