Es kommt der Zeitpunkt, da passt es nicht mehr: Eigentümer altern mit ihren Immobilien, manchmal bis sie darin kaum mehr alleine zurechtkommen. „Man kann fast sagen, sie haben sich auseinander gelebt“, sagt Roland Hustert, Geschäftsführer LBS Immobilien NordWest. Ein täglicher Auswuchs der fortschreitenden Demografie: Gerade einmal zwei Prozent der vorhandenen Wohnungen in Deutschland sind barrierearm.
Allein in Nordrhein-Westfalen fehlen rund 700.000 Wohnungen, die alten Menschen ein würdiges Leben im gewohnten Umfeld ermöglichen. Wie Eigenständigkeit und Selbstbestimmtheit in den eigenen vier Wänden mit intelligenten baulichen Konzepten so lange wie möglich erhalten bleiben können, zeigt dieses Beispiel.
Fehlende Modernisierung mündet nun in unterschiedliche Bedürfnisse
Eine ruhige Sackgasse im Südwesten von Münster, zum Aasee sind es fünf Minuten zu Fuß. Das Zweifamilien-Haus aus den 50ern am Ende der Straße wirkt mit seinen schmalen Fenstern, dem engen Gebäude-Zuschnitt und dem steil aufragenden Spitzdach mit aufgesetzter Analog-Antenne zwischen all den modern sanierten Neubauten wie aus der Zeit gefallen.
Drinnen sieht es nicht besser aus: Bäder ohne Tageslicht, kaum Bewegungsflächen in Küche und Flur, enge Treppen und Türen – gefährliche Stolperschwellen sowieso. Das Haus in Münster hat der Projektentwickler jetzt abreißen lassen. Er plant ein Mehrparteienhaus mit vier Parteien – komplett altersgerecht.
Was eigentlich gebraucht würde
Neben ausreichend großen Bewegungsflächen in allen Räumen, breiten Türen und Treppenstufen mit Lichtleisten für mehr Trittsicherheit gehören auch altersgerechte Installationen und flexibel planbare Wände zum Standard.
Die Aufgänge sind von vornherein so ausgerichtet, dass auch ein Treppenlift darin Platz findet. Ein Aufzug verbindet jede Wohnung mit den Kellerräumen. Hier sind Ladestationen für E-Bikes bzw. Elektro-Scooter untergebracht. Waschmaschine und Trockner befinden sich dagegen in den Wohnungen. „Eben da, wo die Wäsche anfällt. Das bedeutet kurze Wege für die neuen Bewohner“, sagt Hustert.
Alle vier Wohnungen im Ober- und im Erdgeschoss gehen über zwei Ebenen, die alle auch von außen mit dem Aufzug erreicht werden können. Die ausgebauten Spitzböden bzw. die Maisonette-Lösungen im Untergeschoss haben jeweils eigene Gegensprechanlagen für die Haustür. Sie sind komplett mit Küche und Bad ausgestattet, so dass sie auch abgetrennt vom Rest der Wohnung zu bewohnen wären.
65 Prozent wollen so lange wie möglich im gewohnten Umfeld leben
„Eine eventuell einmal notwendige Pflegekraft könnte so bei Bedarf in unmittelbarer Nähe zur Pflegeperson wohnen und zugleich hätte jeder weiter seinen eigenen persönlichen Bereich“, erklärt Roland Hustert das innovative Wohnprinzip.
Der besondere Clou beim Projekt in Münster: Die ehemaligen Besitzer hatten sich beim Verkauf an den Bauträger zunächst notariell die Option gesichert, eine Wohnung zu vergünstigten Konditionen zurückkaufen zu können.
„Nach einer Untersuchung von LBS und empirica wollen 65 Prozent der Menschen so lange wie möglich im gewohnten Umfeld leben“, weiß Hustert. Dass es für die Verkäufer jetzt doch noch ganz anders kommt, konnte damals niemand wissen. Sie haben die Option auf die Wohnung im Neubau kürzlich verstreichen lassen. Sie haben überraschend einen freien Bungalow in der Nähe von Verwandten gefunden, den sie jetzt barrierearm umbauen lassen wollen.
Foto: obs/LBS West