Wer kauft schon Versicherungen nachts um halb drei?

Markus Heyen ist Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Versicherungen bei Accenture D-A-CH, Michael Wöbking, Leiter Technologieberatung Accenture in der D-A-CH-Region
Foto: Accenture
Markus Hayen & Michael Wöbking: "Der nächste Schritt zu besseren Kundenservice"

Exklusiv: Die Verlagerung von Kapazitäten in die Cloud bringt Wettbewerbsvorteile, treibt aber auch die Kosten stark in die Höhe. FinOps bietet hier einen Ausweg an. Denn in der intelligenten Steuerung, Skalierung und Elastizität der Cloud-Aktivitäten liegt der eigentliche (Kosten)-Vorteil. Von Markus Heyen und Michael Wöbking

Die erste Welle der Cloud-Transformation ist im deutschen Versicherungsmarkt weitgehend abgeschlossen und die Versicherer nutzen die Produktivitäts- und Effizienzvorteile von Cloud-Anwendungen. So betreibt die Mehrheit der Versicherer mittlerweile ein hybrides Setup aus lokalem Rechenzentrum und dessen virtuellem Abbild in einer Cloud-Umgebung.

Mit FinOps Cloud-Konsum und Cloud-Kosten managen

Und die Versicherer haben gelernt: Die Cloud-Nutzung als solitäres Strategieelement ist keine effiziente Alternative zu den Hardware-Kosten des physisch vorhandenen Rechenzentrums. Die reine Verlagerung vom Rechenzentrum in die Cloud bringt fünf bis zehn Prozent Kosten- oder Wettbewerbsvorteile, im besten Fall oft auch höhere Initialkosten. Durch die zunehmende Nutzung unterschiedlicher Cloud-Services innerhalb der IT-/Fachabteilungen laufen Services (OnPrem/Cloud) parallel. Die lässt die Cloud-Kosten schnell aus dem Ruder laufen.

„Die Kosten für die Cloud waren für viele Versicherer lange Zeit eine Black Box.“

Markus Hayen

FinOps bietet hier entsprechende Lösungen an. Denn in der intelligenten Steuerung, Skalierung und Elastizität der Cloud-Aktivitäten liegt der eigentliche Vorteil. Diese Flexibilität ermöglicht es Versicherern, ihre Rechenkapazitäten exakt an ihre Prozesse und Services anzupassen. Statische und enorme Einmalinvestitionen können so optimiert werden. Darüber hinaus entsteht eine Kultur der Governance und Verantwortlichkeit rund um die Cloud-Ökonomie, die dabei hilft, den maximalen realen Wert aus der Cloud zu ziehen.

Einfach mal abschalten – wie funktioniert FinOps?

Die Kosten von Cloud-Lösungen wurden lange Zeit nur als Möglichkeit gesehen, große Investitionen zugunsten geringer wiederkehrender Ausgaben zu ersetzen. Das Einsparpotential flexibel anpassbarer Cloud-Kapazitäten blieb dabei weitgehend unter dem Radar und wurde nicht ausreichend berücksichtigt. FinOps verändert diese Sichtweise von Versicherungsunternehmen auf ihre Cloud-Anwendungen und bietet einen ganzheitlichen Ansatz für das IT-Kostenmanagement. Es umfasst die Überwachung, Analyse, Prognose und Anpassung von IT-Services in Echtzeit und schließt weiter die Lücke zwischen IT, Finanzen und Business.


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Die Vorteile von FinOps sind für Versicherungsunternehmen ein logischer nächster Schritt. Während die Kosten für ein lokales Rechenzentrum eher statisch, dafür aber gut kalkulierbar sind, waren die Kosten für die Cloud für viele Versicherer lange Zeit eine Black Box. Inzwischen stellen viele Institute fest, dass ihre Ausgaben für die Cloud höher sind als ursprünglich angenommen – Tendenz steigend. Das ist wenig überraschend, wenn die Cloud nur als digitales Abbild einer physischen IT-Infrastruktur gesehen wird.

Eine weitere Schwierigkeit besteht darin, dass sich Unternehmen, die sich mitten in ihrer Umstellung hin zur Cloud befinden, mit doppelten Kosten konfrontiert sind, die sich aus dem schnellen Wachstum der Cloud und dem langsamen Schrumpfen der On-Premise-Infrastruktur ergeben. Dies wirft die Frage auf, wie IT-Bestände und komplexe geschäftskritische Systeme so umgestaltet werden können, dass mehr Wert aus der Cloud und den verlorenen Daten gezogen werden kann? Auch hier kommen die Vorteile von FinOps zum Tragen. Immer mehr Versicherer erkennen das Einsparpotenzial, nachdem sie die wichtigsten Bereiche ihrer Systemlandschaft in die Cloud migriert haben. FinOps schafft Transparenz innerhalb der IT und optimiert so die Cloud- und On-Premise-Nutzung, zum Beispiel durch die bedarfsgerechte Skalierung einzelner Services.

Hier kommt der große Vorteil der Cloud gegenüber herkömmlichen statischen Rechenzentren zum Tragen, die für einen Dauerbetrieb von 365 Tagen im Jahr und eine jahrzehntelange Nutzung ausgelegt sind – inklusive unsicherer Kapazitätsplanung. Cloud-Dienste lassen sich an den Bedarf anpassen und zeitlich befristen. Das bringt Kostenvorteile, denn schließlich wird kaum eine Versicherung nachts um drei abgeschlossen.

„Inzwischen stellen viele Institute fest, dass ihre Ausgaben für die Cloud höher sind, als unsprünglich angenommen.“

Michael Wöbking

Wie gut sich die Cloud bedarfsgerecht skalieren lässt, zeigt das Beispiel der Kfz-Versicherung: Am 30. November ist der Stichtag für den Wechsel der Autoversicherung. Viele Versicherte nehmen dies zum Anlass, ihre Kfz-Versicherungstarife zu überprüfen und Versicherungsvergleiche durchzuführen, um Preisunterschiede zu nutzen und Geld zu sparen. Für Versicherungen bedeutet dies, dass sich zum Jahresende sowohl Kündigungen als auch Neuabschlüsse häufen. Für das Jahresendgeschäft werden daher skalierbare und elastische Services aus der Cloud immer wichtiger und können helfen, entscheidende Geschwindigkeits- und Effizienzgewinne zu realisieren.

Musste früher die lokale IT-Abteilung diese Lastspitzen mit eigens dafür angeschafften Serverkapazitäten abfangen, können Versicherer diese Kapazitätsspitzen heute dank der Cloud-Services einfach skalieren und anpassen. Sobald die Kapazitäten nicht mehr benötigt werden, werden die Dienste automatisch angepasst. Das hält die Kosten auf einem Minimum, während ein klassisches IT-Rechenzentrum 365 Tage im Jahr den Betrieb aufrechterhalten muss – und entsprechende Kosten verursacht.

Die Ära der dynamischen Cloud-Kosten-Verwaltung

IT-Controlling von gestern und FinOps von heute sind zwei unterschiedliche Disziplinen. FinOps soll helfen, Entscheidungen über sinnvolle und effiziente Technologieinvestitionen zu treffen und anfallende IT-Kosten besser zu steuern und zu optimieren. Dabei können anfallende Kosten „getaggt“ und verursachergerecht abgerechnet werden. Ein Rahmen- und Regelwerk legt dabei fest, wer innerhalb der Organisation beispielsweise Cloud-Dienste nutzen und auch wieder abbestellen darf. Damit trägt FinOps auch zu einer besseren Zusammenarbeit im agilen Zeitalter bei. In der Folge sind erhebliche Kosteneinsparungen möglich. Immerhin macht das Netzwerk bei Versicherern in der Regel 30 Prozent des gesamten IT-Budgets aus.

Durch die Auslagerung in die Cloud lassen sich allein hier zehn bis 40 Prozent einsparen. Im Bereich der Software sind weitere Einsparungen zwischen zehn und 30 Prozent möglich, bei den Serverkapazitäten sind es sogar zwischen 20 und 60 Prozent. Solche Einsparpotenziale sind nicht nur in der Versicherungsbranche, sondern in der gesamten Geschäftswelt einzigartig. Versicherungsunternehmen, die diese Möglichkeiten noch nicht vollständig ausgelotet haben, sind gut beraten, dies zeitnah anzugehen und umzusetzen. Denn das frei werdende Budget kann in Zukunftsprojekte und damit in die Wettbewerbsfähigkeit investiert werden.

FinOps als Teil der Unternehmenskultur

Die Einführung von FinOps ist kein Selbstläufer und erfordert einen kulturellen Wandel im Unternehmen. Es geht nicht nur darum, die Kosten des Cloud-Betriebs zu managen, sondern auch darum den technologischen Fortschritt mit der Geschäftsstrategie in Einklang zu bringen. Dazu ist es notwendig, dass die einzelnen Fachbereiche mehr Verständnis füreinander entwickeln müssen und sich austauschen. Ein eher „traditionelles“ Verständnis von IT, Systemarchitekturen und Rechenkapazitäten passt nicht mehr in die moderne cloudbasierte Welt. Gerade in agilen Arbeitswelten verschmelzen die klassischen Fach- und IT-Abteilungen weiter und die einzelnen Kompetenzen werden in agilen Projekten temporär in einem agilen Team optimal zusammengeführt.

Die Implementierung von FinOps ist für Versicherungen entscheidend, um die Kontrolle über ihre Cloud-Ausgaben zu optimieren, eine höhere Kostentransparenz zu gewährleisten und effizientere Prozesse zum Ressourcenmanagement zu etablieren. Nur so kann das eigentliche Einsparpotenzial der Cloud erkannt und gehoben werden. Versicherungsunternehmen sind dank FinOps in der Lage, präzisere Budgets und Prognosen zu erstellen, wodurch finanzielle Stabilität und langfristige Planung gewährleistet werden.

Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die Förderung der abteilungsübergreifenden Zusammenarbeit zwischen Finanz-, IT- und Business-Teams, was zu besseren Entscheidungen und Strategien führen kann. Die dadurch erhöhte Flexibilität und Anpassungsfähigkeit führt zu einer Steigerung der Innovationskraft und Wettbewerbsfähigkeit von Versicherungsunternehmen. Durch die Einführung von FinOps können Versicherungen nicht nur ihre finanzielle und operative Performance verbessern, sondern im nächsten Schritt auch ihren Kunden einen besseren Service bieten und ihre Position im Wettbewerb stärken.

Die Autoren: Markus Heyen ist Geschäftsführer und Leiter des Bereichs Versicherungen bei Accenture D-A-CH, Michael Wöbking, Leiter Technologieberatung Accenture in der D-A-CH-Region

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