Amazon & Co.: Wie der regionale Mittelstand überlebt

Inwiefern stärkt das Unternehmen Digital Hub Region Bonn AG die Region?

Schwienbacher: Das Digital Hub Bonn vernetzt öffentliche Einrichtungen, Konzerne sowie Gründer miteinander und berät diese bei der Entwicklung neuer Strategien. Hier kommt es nicht darauf an, miteinander im Wettbewerb zu stehen, sondern herauszuarbeiten, inwiefern die vielen Gründer gemeinsam mit Universitäten, Investoren und eingesessenen Unternehmen den Wirtschaftskreislauf der Region gemeinsam stärken können. Es geht in erster Linie darum, dem Umfeld und der Region zu nützen und eben nichts wegzunehmen oder gar zu zerstören. Ziel ist es, faire Arbeitsplätze in der Region zu sichern und die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu stärken und damit den Wohlstand in der Region zu erhalten bzw. zu verbessern.

Und wie funktionieren Ihre Hypozentren in München und Bonn?

Schwienbacher: Die Hypozentren sind sogenannte Sym-Working-Spaces, in denen sich erfahrene Unternehmerinnen und Unternehmer mit agilen Start-ups begegnen, um in einem kreativen Arbeitsumfeld Geschäftsmodelle zu entwickeln und umzusetzen. Die Nutzer der Hypozentren, die bislang in München und in Bonn existieren, arbeiten nicht nur zusammen, sondern bilden eine Symbiose, indem sie gemeinsam Ressourcen wie Personal, Infrastruktur, Prozesse, Einkaufs- und Absatzkanäle, Wissen und bewährte Netzwerkpartner nutzen und sich gegenseitig unterstützen.

Verbunden sind sie zudem durch ihre Überzeugung, dass zukunftsfähiges Wirtschaften immer auch für die beteiligten Menschen und die regionale Wirtschaft fördernd sein muss. Soziale Gerechtigkeit, sinnvolles Wirtschaften in der Region und schonender Umgang mit allen Ressourcen sind Herausforderung und Antrieb zugleich. Dadurch schaffen sie ein Gegengewicht zu Profitgier und Wachstumswahnsinn der Großkonzerne.

Was meinen Sie mit Wachstumswahnsinn?

Schwienbacher: 1972 prognostizierte die Studie „Die Grenze des Wachstums“ im Auftrag des internationalen Expertenzusammenschlusses Club of Rome, dass die Wachstumsgrenzen auf der Erde im Jahr 2052 erreicht sein werden, wenn die Zunahmen von Industrialisierung, Umweltverschmutzung und Ausbeutung natürlicher Rohstoffe unverändert anhalten. Schon heute spüren wir die Folgen von Erderwärmung, Verschmutzung der Meere und Migration. Wir befinden uns mitten in einer Phase der Umbrüche und stehen kurz vor dem Kollaps. Es ist höchste Zeit, die Bremse zu ziehen. Wir beschäftigen uns seit 2013 intensiv mit dem Thema „Zukunftsfähige Geschäftsmodelle im Zeitalter der digitalen Revolution.“

Wir analysieren die Aufstellung erfolgreicher visionärer Unternehmen – darunter Kundenverhalten, Preisstrukturen, Ressourcen wie Personal und Infrastruktur. Wir identifizieren die Triebfedern für zukunftsfähiges Wirtschaften und lassen das Netzwerk der Hypozentren von diesem Know-how profitieren. Ziel für Unternehmen muss es sein, sich auf dem Markt sehr wichtig zu machen, indem sie für den Kunden und alle am Unternehmen beteiligten Parteien einen substantiellen Nutzen stiften. Unternehmen sollten die Frage „Was würden Ihre Kunden machen, wenn Ihr Unternehmen morgen vom Markt verschwindet“, nicht folgendermaßen beantworten müssen: „Wenn über Nacht mein Geschäft verschwindet, gehen meine Kunden am nächsten Tag zum Wettbewerb.“ Die Antwort muss lauten: „Wenn wir über Nacht verschwinden würden, hätten alle unsere Kunden ein riesiges Problem.“

Michael Schwienbacher, 1982 in Starnberg bei München geboren, gründete 2001 die LST Group – eine international agierende Unternehmensgruppe, die Dienstleister, Entwickler, Hersteller und Händler von Produkten für den Agrar-, Bau- und Industriebereich vereint. Nach einer Zeit des rasanten Wachstums erzielte die LST Group 2013 mit rund 400 Mitarbeitern einen Jahresumsatz von 70 Millionen Euro. Dann führte eine Neustrukturierung in die Krise, Schwienbacher musste für sieben der 21 Gesellschaften im September 2013 Insolvenzanträge stellen. Es gelang die Weiterführung der gesunden Unternehmensteile der LST Group und er vollzog, beeindruckt von den schonungslosen Mechanismen des kapitalgetriebenen Wirtschafts- und Rechtssystems, einen persönlichen Kurswechsel: Ethik statt Profitgier, Steigerung von Qualität statt Quantität sowie Symbiose statt Wettbewerb lauten seine Maximen des Wirtschaftens heute. Zu seinen persönlichen Schwerpunkten zählt die Strategie- und Geschäftsmodellentwicklung kleiner und mittlerer Unternehmen.

Foto: Hypozentrum

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