Geld regiert die Welt! Dieser Ausdruck steht dafür, dass Geld Macht hat. Macht, Dinge zu verändern. Nur wollen wir überhaupt eine Veränderung? Gerade uns in Deutschland ging es in den letzten Jahrzehnten sehr gut, unsere Ingenieurskunst und unser Einfallsreichtum hat uns ein hohes Maß an Wohlstand beschert und zur viertgrößten Industrienation der Welt gemacht. Gleichzeitig finden wir eine lebenswerte Gesellschaft in unserem Land vor.
Natürlich gibt es – wie überall – auch Probleme, verglichen mit vielen anderen Teilen der Welt ist jedoch ein gutes und sicheres Leben hier möglich. Viele Dinge, man denke beispielsweise an alle Arten von Infrastruktur, die wir tagtäglich nutzen, verdanken wir Entscheidungen, die in der Vergangenheit getroffen wurden. Natürlich möchten auch wir unseren nachfolgenden Generationen ebenfalls eine lebenswerte Umwelt und Gesellschaft hinterlassen.
Herausforderung Dekarbonisierung
Es mag paradox klingen, aber um die Lebensbedingungen, die wir selbst vorgefunden haben, zu erhalten, bedarf es Veränderungen. Eine große Herausforderung dabei ist die Dekarbonisierung der Wirtschaft, um sie mittel- bis langfristig wettbewerbsfähig zu halten. Der damit einhergehende hohe Kapitalbedarf bietet einzigartige Anlagemöglichkeiten. Die Finanzbranche hat das erkannt. Laut Morningstar sind Ende 2022 bereits rund 2,5 Billionen US-Dollar in nachhaltigen Investmentfonds angelegt. Das ist knapp das 5-fach des deutschen Bundeshaushalts. Tendenz steigend. Von dieser Dynamik möchten natürlich sowohl Fondsgesellschaften als auch Banken und Versicherer profitieren. Kundinnen und Kunden sehen sich mit einem immer größeren Angebot an nachhaltigen Anlagemöglichkeiten konfrontiert. Das ist einerseits gut und stärkt den Wettbewerb, andererseits verlieren Kunden – und mitunter auch Profis – den Überblick, was genau in den vielfältigen Angeboten steckt und was zu den eigenen Präferenzen passt.
Aus diesem Grund wurden drei wichtige Europäische Verordnungen geschaffen, die sich gegenseitig ergänzen. Seit dem 10. März 2021 gilt in der gesamten Europäischen Union die Offenlegungsverordnung (Transparenzverordnung). Diese Verordnung soll dafür sorgen, dass Finanzmarktteilnehmer, Finanzberater sowie Finanzprodukte transparent hinsichtlich ihres Umgangs mit Nachhaltigkeit berichten. In der Taxonomieverordnung ist dagegen geregelt, was unter ökologisch nachhaltigen Wirtschaftstätigkeiten zu verstehen ist.
Mit den Anpassungen an der IDD zum 2. August 2022 besteht nunmehr die Pflicht in der Beratung, Kunden nach ihren Präferenzen hinsichtlich Nachhaltigkeit zu befragen. Diese Präferenzen basieren auf Informationen, die gemäß den anderen beiden Verordnungen veröffentlicht werden. Jüngst hat die BaFin in einer Mystery Shopping Aktion Testkäufer entsandt, um unter anderem zu überprüfen, ob Kunden hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspräferenzen befragt werden. Das erfreuliche Ergebnis: In 87 von 100 Gesprächen wurden die Testkäufer hinsichtlich ihrer Nachhaltigkeitspräferenzen befragt und in der überwiegenden Zahl der Beratungen entsprach die Empfehlung auch den geäußerten Nachhaltigkeitspräferenzen.
Nachhaltigkeit avanciert zum Wettbewerbsfaktor
Nachhaltigkeit ist mittlerweile klar zum Wettbewerbsfaktor avanciert. Bei den Fondspolicen lassen sich dabei mehrere aktuelle Entwicklungen beobachten. Einerseits wachsen die Fondspaletten der Anbieter immer weiter an, indem insbesondere nachhaltige Fonds neu aufgenommen werden. Dies kommt aktiven Kunden entgegen, die eine große Auswahl an Investmentfonds bevorzugen und dabei auch Spezialthemen abdecken möchten. Andererseits lässt sich aber auch die gegenteilige Strategie am Markt beobachten. Kleine, sehr bewusst gestaltete, exklusive Fondspaletten, bei denen neben den Aspekten Risiko und Rendite eben auch Nachhaltigkeitskennzahlen eine wesentliche Rolle spielen, versprechen eine hohe Qualität der zur Auswahl stehenden Investmentfonds.
Diese sind insbesondere bei Tariflinien mit Zusätzen wie „green“, „grün“ oder „Eco“ zu finden. Alternativ bieten viele Versicherer auch vorgefertigte Portfolios für unterschiedliche Risikotypen an. Sie stellen sozusagen die Hausmeinung des Versicherers hinsichtlich einer optimalen Fondsaufteilung für den jeweiligen Anleger dar. Das jüngst erschienene Fondspolicen-Nachhaltigkeits-Rating hat diese Entwicklung am Markt aufgegriffen und die Kategorien „Aktiv“ und „Exklusiv“ eingeführt.
Seit der ersten Durchführung des Ratings im Jahre 2020 ist eine stetige Verbesserung zu beobachten, sowohl was das Angebot, als auch was die Verfügbarkeit von Nachhaltigkeitskennzahlen (beispielsweise auch für Sicherungsvermögen) betrifft. Auch abseits der Produktgestaltung ist Nachhaltigkeit ein Thema, dass die Versicherer bewegt. Im entsprechenden Kompetenz-Rating wurde unter anderem die strategische Verankerung der Nachhaltigkeit untersucht. Auch wenn es hier noch einiges zu tun gibt, sind einige Anbieter in diesem Bereich schon sehr weit.
Kritik an Nachhaltigkeitsratings
Apropos Ratings, diese sind im Bereich der Nachhaltigkeit zuletzt etwas in die Kritik geraten, da sie häufig zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen. Das liegt allerdings auch in der Natur der Sache. So analysiert beispielsweise der Ratinganbieter „Refinitiv“ nach eigenen Angaben über 630 Datenpunkte aus dem ESG-Bereich, um die verschiedenen Nachhaltigkeitsscores zu berechnen. Je nachdem, welche Schwerpunkte bei der Aggregation gelegt werden, ist das Ergebnis in sich zwar schlüssig und Unternehmen können anhand dieser Scores verglichen werden, ein Vergleich mit anderen Ratinganbietern ist jedoch nicht zielführend.
Das liegt sowohl an unterschiedlichen Systematiken, als auch an den jeweiligen Untersuchungsgegenständen. So liegt der Fokus einiger Ratinganbieter eher auf den ESG-Risiken, bei anderen auf der ESG-Wirkung eines Unternehmens. Dazu ein Beispiel zur Verdeutlichung. Bei einem auf Fotovoltaik spezialisierten Unternehmen, mit Hauptsitz in einem Überschwemmungsgebiet, würde man bei einem Rating mit Fokus auf ESG-Risiken ein schlechtes Abschneiden erwarten, bei einem Rating mit Fokus auf die ESG-Wirkung ist mit dem gegenteiligen Ergebnis zu rechnen.
Wer die Hoffnung hat, dass die geplante ESG-Rating-Regulation (EU 2023/0177) an diesem Zustand etwas ändert, dürfte enttäuscht werden. In Art. 26 ist klar geregelt, dass die Aufsichtsbehörden weder in den Inhalt noch in die Methoden von ESG-Ratinganbietern eingreifen dürfen. Es geht vielmehr darum, Interessenskonflikte aufzulösen und die Transparenz zu verbessern um die Ratings vergleichbar zu machen. Wer jedoch ein ESG-Rating verwenden möchte, muss – wie bisher auch – das Rating auf seine Aussagekraft hin überprüfen und sich selbst ein Bild davon machen, ob der Ratinggegenstand sowie die angewandte Systematik den eigenen Präferenzen entspricht.
Informationsüberangebot überfordert Berater und Kunden
Mit diesem Informationsüberangebot sehen sich nun Berater und Kunden gleichermaßen konfrontiert. Die Weiterbildungsmöglichkeiten sind zahlreich und vielfältig. Neben Blogposts, Büchern, Newslettern und vielen mehr finden nahezu täglich Webinare statt. Dennoch bestehen laut einer Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes noch einige Barrieren, die auf Unsicherheiten im Umgang mit der Materie hinweisen. Demnach ist die Wirkungsweise nachhaltiger Geldanlagen oftmals nicht klar. Es ist natürlich fatal, wenn mit nachhaltigen Geldanlagen neben Rendite eben auch nachhaltige Aspekte im Vordergrund stehen, dann ist das Verständnis der Wirkung essenziell.
Insgesamt bleibt festzuhalten, dass die Investitionschancen im Bereich der nachhaltigen Geldanlage attraktiv sind, das Produktangebot umfangreich und das informatorische Umfeld vorhanden ist. Eine sich weiter entwickelnde Regulatorik sowie neue innovative Anlagekonzepte dürften den bestehenden Trend hin zu nachhaltiger Geldanlage noch weiter verstärken. Das alleine wird zwar die Welt nicht retten, ist aber ein guter Schritt in die richtige Richtung.
Autor Andreas Kick ist Prokurist & Partner beim Institut für Vorsorge und Finanzplanung GmbH.