Das Problem ist: Jeder kann Finfluencer werden. Auch diejenigen, die überhaupt keine Ahnung von Finanzthemen haben. Und bei manchen ist daneben auch noch die Motivation unredlich. Deshalb hat selbst die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) schon Warnungen ausgesprochen und auch die Verbraucherschutzverbände mahnen zur Zurückhaltung und Vorsicht.
Vielfach ist es so, dass sich vor allem junge Menschen nicht nur allgemein aus den Feeds ihrer Social-Media-Apps informieren, sondern sogar ihre Anlageentscheidungen allein anhand von Informationen treffen, die sie in den sozialen Medien finden. Es ist auch allgemein bekannt, dass die Selbstreinigungskräfte bei Social Media nur sehr eingeschränkt funktionieren.
Frankreich hat daher 2023 als erstes europäisches Land ein umfassendes Gesetz für Influencer-Werbung auf den Weg gebracht, das die Bewerbung bestimmter Produkte verbietet. Die Partei Die Grünen fordert nun hierzulande eine ähnliche juristische Nachjustierung. Die Grünen empfehlen der EU-Kommission, auf europäischer Basis die Tätigkeit von Influencern im Internet in bestimmten Bereichen zu beschneiden. Unter anderem sollen sogenannte Finfluencer keine Finanzprodukte mehr bewerben dürfen.
Die deutschen Gesetze sagen zu diesem Thema bisher nur wenig Ausdrückliches. Zum Beispiel fehlt bisher eine übereinstimmende rechtliche Definition des Begriffs des Influencers. Klar ist, dass Influencer-Marketing Werbung darstellt, für die allgemeinen gesetzlichen Regelungen gelten. Für das Handeln von Influencern auf den sozialen Kanälen sind daher Regelungen unter anderem aus den Bereichen des Wettbewerbsrechts, des Urheberrechts sowie des Markenrechts relevant.
Vor allem das Wettbewerbsrecht sieht eine Reihe von Regelungen vor, die in Bezug auf die Werbung von Influencern Transparenz fordern. So sieht das Telemediengesetz (TMG) vor, dass Diensteanbieter kommerzielle Kommunikation klar kennzeichnen müssen und dass die Person, in deren Auftrag geworben wird, klar identifizierbar sein muss. Dass Werbung klar erkennbar und vom übrigen Inhalt der Angebote klar trennbar sein muss, schreibt zudem auch Paragraf 22 Absatz 1 Satz 1 Medienstaatsvertrag (MStV) vor. Das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) regelt für den Fall der Nichteinhaltung der Vorschriften insbesondere Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche. Das UWG sieht hier vor, dass dazu Mitbewerber, Wettbewerbsverbände oder Verbraucherschutzvereine aktiv werden können.
Die deutsche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat sich auf Basis der bestehenden Gesetze bereits wiederholt zur Kennzeichnungspflicht auf Instagram geäußert. Dem Konzept der Rechtsprechung folgend, setzte der deutsche Gesetzgeber bisher weiter auch auf Transparenz statt Verbot.
Wie ein Gesetz konkret aussehen könnte, das die Tätigkeit von Finfluencern reguliert, lässt die Initiative der Grünen noch offen. In Betracht ziehen könnte man, nach dem Vorbild Frankreich ein sogenanntes „Finfluencer“-Zertifikat einzuführen, das von der Bafin vergeben werden könnte. Dazu müssten aber erst Kriterien entwickelt werden, nach denen ein solches Zertifikat erteilt würde. „Gute“ von „schlechten“ Finfluencern zu unterscheiden, ist zwar möglich, die Bafin gibt hier auch schon Tipps. Dies aber in einen Kriterienkatalog umzumünzen, wäre sicher nicht ganz einfach und würde auch die Gefahr von Überregulierung mit sich bringen.
Frankreich hat Mitte letzten Jahres das Gesetz zur Regulierung des kommerziellen Einflusses und zur Bekämpfung der Exzesse von Influencern in sozialen Netzwerken erlassen. Erreichen wollte Frankreich damit eine strengere Kontrolle von Werbung auf sozialen Plattformen und zugleich den Grundstein legen für ein EU weites einheitliches Gesetz auf diesem Gebiet.
357 aktive deutschsprachige Finfluencer
Das Gesetz stuft Influencer neu als Berufskategorie ein und verlangt in der Folge, dass die Aktivitäten der Influencer vertraglich festgehalten werden. Das gilt explizit für alle Influencer, die sich an ein französisches Publikum richten. Auch Influencer, die im Ausland agieren, werden damit von der Neuregelung erfasst. Im Ausland tätige Influencer müssen einen rechtlichen Repräsentanten in einem EU-Land bestimmen und eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Im Falle von Schäden kann so der Repräsentant haftbar gemacht werden und auf die Versicherung bei Schadensersatzansprüchen zurückgegriffen werden.
Neben der strengen Pflicht, Werbung klar zu kennzeichnen, um den Verbraucher zu schützen, ist auch das Bewerben von bestimmten Produktkategorien verboten. Dazu zählen chirurgische Schönheitseingriffe, gesundheitsschädliche Drogen, aber eben auch Kryptowährungen sowie Wett- und Glücksspiel. Finfluencer und die Bewerbung von Finanzprodukten wird ebenfalls ausdrücklich geregelt. Die direkte oder auch indirekte Bewerbung von Finanzverträgen und die Erbringung von Dienstleistungen bezogen auf digitale Vermögenswerte ist untersagt. Verstöße können mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren und einer Geldstrafe von 300.000 Euro geahndet werden.
Ob sich die Forderungen, wie sie in dem Papier der Grünen stehen, durchsetzen, ist nur schwer einzuschätzen. Eine aktuelle Studie, die die HHL Leipzig Graduate School of Management zusammen mit Partnern durchgeführt hat, hat 357 aktive deutschsprachige Finfluencer auf Instagram mit insgesamt über 10 Millionen Followern identifiziert. Die Finfluencer-Szene gewinnt laut der Studie auch weiter Einfluss. Vor diesem Hintergrund ist durchaus vorstellbar, dass die Initiative der Grünen Fahrt gewinnen könnte. Auch der Umstand, dass es Tendenzen gibt, den Krypto-Finanzmarkt wegen einiger Unregelmäßigkeiten und auch Insolvenzen weltweit stärker zu regulieren, könnte dazu beitragen, dass sich der Gesetzgeber dieses Themas stärker annimmt. Bemerkenswert ist, dass offenbar auch Branchenverbände, wie etwa der Bundesverband Influencer Marketing den Vorstoß begrüßen. Eine solche Unterstützung wäre sicher notwendig, um den Gesetzgeber in Bewegung zu bringen. Auf der anderen Seite gibt es doch einige juristische Herausforderungen, so dass auch mit Blick auf die langen Gesetzgebungsprozesse auf EU-Ebene eher nicht damit zu rechnen ist, dass der Vorschlag der Grünen zügig umgesetzt wird. Man wird vermutlich auch in näherer Zukunft weiter auf Transparenz und weniger auf Regulierung setzen.
Thomas Fischl ist Partner bei Reed Smith und Mitglied der Entertainment & Media Group.