Wie KI das Marketing der Versicherer revolutioniert

Roger Gatti, Head of Product bei Nexoya
Foto: Nexoya AG
Roger Gatti: "Spätestens wenn Kreativität gefragt ist, kommt die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen und der Mensch ist gefordert."

Das Direktmarketing erfolgt noch heute über den klassischen Postweg. Doch die zunehmende Nutzung mobiler Endgeräte wie Smartphones, Tablets oder Smartwatches verändert die Anforderungen an die Versicherer dramatisch. Wie der Einsatz von Künstlicher Intelligenz die Performance und Effizienz im Marketing steigert, Mitarbeitende entlastet und Versicherer wettbewerbsfähig macht. Von Roger Gatti

Versicherungsunternehmen haben sich lange auf Werbung in traditionellen Kanälen wie Radio, Fernsehen oder gedruckten Medien verlassen. Das Direktmarketing erfolgt noch heute häufig über den klassischen Postweg. Doch die Welt wird immer digitaler, und die stark zunehmende Nutzung von mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablets oder Smartwatches in allen Altersgruppen verändert die Anforderungen an Versicherer dramatisch.

Strategie und Kanäle auf dem Prüfstand

Um bestehende Kunden zu binden und neue zu überzeugen, überdenken immer mehr Marketingverantwortliche ihre Kommunikationsstrategie genauso wie die eingesetzten Instrumente und bespielten Kanäle. Für eine gute Marketing-Performance ist es entscheidend, nah an den Bedürfnissen der Zielgruppen zu sein. Das Ziel ist es, eine moderne und digitale Marke zu etablieren, die das bestehende konservative Image verändern und innovativen Wettbewerbern die Stirn bieten kann.
In der Branche zeigt sich ein heterogenes Bild: Die einen Versicherer begnügen sich damit, für analoge Werbeträger entwickelte Inhalte auch digital als PDF-Dokument anzubieten. Andere haben bereits neue Technologien wie KI in ihre Prozesse integriert, um mithilfe von Chatbots Fragen der Nutzer rund um die Uhr in Echtzeit beantworten zu können, bis hin zum Abschluss neuer Verträge.


Das könnte Sie auch interessieren:

Oder sie nutzen KI dazu, ihre digitalen Aktivitäten zu optimieren. Denn der digitale Werbemarkt wächst schnell und immer dynamischer. Diese Entwicklung eröffnet Werbetreibenden ständig neue Chancen. Je mehr Kanäle bespielt werden, desto anspruchsvoller wird das Management der digitalen Multi-Channel-Kampagnen. Wegen der hohen Komplexität der Daten und ihrer fehlenden Harmonisierung beanspruchen Datenanalyse und manuelle Kampagnenoptimierung viel Zeit und sind anfällig für Fehler.

Auf dieser Basis können Marketingverantwortliche lediglich eingeschränkte Entscheidungen treffen, wo sie die Ressourcen am besten einsetzen. Eine weitere Herausforderung ist die Verwaltung der Budgets, wenn diese über immer mehr Kanäle gestreut werden. Die Folgen sind ein begrenzter Einblick in die Leistung der einzelnen Kampagnen und deren Auswirkung auf den Gesamtumsatz, oft nicht zielgenaue Budgetzuweisungen, nicht optimal eingesetzte Ressourcen und ein nicht ausgeschöpftes Potenzial.  

KI als Co-Pilot für komplexe Prozesse

Um diese komplexe Situation erfolgreich zu managen, sollten Versicherungsunternehmen ihr Werbebudget möglichst effizient verteilen. Viel Potenzial bieten Plattform-Lösungen, die auf KI basieren. Sie können das Performance-Marketing wie ein Co-Pilot bei hochkomplexen Prozessen unterstützen.

Die Technologie kann viele Daten – auch historische – in kurzer Zeit analysieren, Muster erkennen, Vorhersagen berechnen und helfen, Transparenz zu fördern und datenbasierte Entscheidungen zu treffen. Der größtmögliche Nutzen liegt dabei in der kanalübergreifenden Budgetallokation auf Kampagnenebene. Denn eine gute Leistung scheitert häufig daran, dass die Budgets zu statisch sind. Zudem macht eine Channel-orientierte Budgetverteilung es unmöglich, schnell auf Marktveränderungen zu reagieren.

Generali Schweiz steigerte die Starts des Prämienrechners um 38 Prozent

So setzt die Generali Schweiz seit nunmehr vier Jahr auf die KI-Technologie. Und sie verbessert die Effizienz im Performance-Marketing. So übernimmt sie die kanalübergreifende Budgetverteilung für Instagram, Facebook, Display&Video 360 und Display Ads bei Google. In der Praxis integriert die Lösung die Daten aus allen Werbekanälen. KI-Algorithmen untersuchen sie laufend auf Kampagnenebene und machen sie vergleichbar. Dabei wird unter anderem die Sättigung in den verschiedenen Kampagnen und Kanälen erkannt und verglichen. Das ist wichtig, da Kampagnen gewisse Sättigungseffekte zeigen. Unendlich mehr Budget bringt nicht automatisch eine unendlich gute Performance.

Am Ende dieses Prozesses liefert die Plattform detaillierte Vorschläge für konkrete Budgetallokationen und Ziele, wie erwartete Kosten-pro-Prämienrechnerstart oder Kosten-pro-Offerte für jede einzelne Kampagne. Der Marketingverantwortliche behält die volle Kontrolle: Er entscheidet, ob er den Prozess vollautomatisiert durchführt, oder ob er die Vorschläge der KI vorab prüft und manuell annimmt oder ablehnt. Anschließend schreibt die KI-Lösung die festgelegten Budgets und Kampagnenziele automatisiert in die Kanäle zurück. Alle drei bis sechs Monate sorgt ein Rekalibrierungsprozess dafür, dass die Daten genau und relevant bleiben. Dieser umfassende Ansatz gewährleistet dem Marketing eine ganzheitliche Sicht.

Als Ergebnis gab es eine kumulierte Steigerung der Hard-Conversions um 72,5 Prozent und 38,44 Prozent mehr Starts des Prämienrechners – innerhalb von drei Monaten und sechs Optimierungsrunden und bei gleichem Budget. Darüber hinaus ermöglicht die KI-Technologie volle Transparenz über alle Kampagnen.

51 Prozent mehr Nutzer des Prämienrechners

Die Mobiliar ist die älteste private Versicherungs- und Vorsorgegesellschaft der Schweiz. Das Marketing wollte seine Leistung über mehrere Produktkategorien hinweg steigern. Für jede Kategorie bestanden Top- und Low-Funnel-Aktivitäten, die unterschiedliche Marketingziele verfolgten. Die Aufgabe bestand darin, diesen vielfältigen Marketing-Mix zu optimieren und gleichzeitig die operativen Kosten niedrig zu halten.

Die wichtigsten Herausforderungen waren dabei: Das manuelle Tracking der Performance über Kanäle und Produkte hinweg, unterschiedliche Conversion-Werte für Produkte, manuelle Anpassungen von Budgets in Kampagnen und Top- versus Low-Funnel-Kampagnen.
Das heißt, das Marketing wünschte sich eine Abdeckung des gesamten Spektrums ihres Funnels: Top-Funnel-Kampagnen mit Fokus auf „Produktseite angeschaut“, genauso wie Low-Funnel-Kampagnen mit Fokus auf „Prämienrechner Start“.

Die Mobiliar hat in Zusammenarbeit mit Nexoya mehrere Produktkategorien optimiert. Die Flexibilität der Algorithmen bei der Berücksichtigung individueller Conversions-Werte ermöglichte es, verschiedene Produktkategorien in einem Optimierungsportfolio zu kombinieren. Darüber hinaus wurde jedem Schritt für jedes Produkt ein Conversions-Wert zugewiesen, was die Verbesserung des tatsächlichen Geschäftswerts erleichterte. Der Erfolg des Projekts hing zudem von der Fähigkeit ab, einen Mix aus verschiedenen Zielen zu optimieren.

Die KI-Lösung schärfte die Kampagnen in Richtung Consideration im Mid-Funnel und tatsächliche Conversions im Low-Funnel. Das Ergebnis waren verwertbare Einblicke in die optimale Budgetzuweisung über alle Stufen hinweg. Bevor sie im Einsatz war, erwies sich die wiederholende Anwendung von Budgetvorschlägen bei der regelmäßigen Optimierung einer großen Anzahl von Kanälen und Anzeigen-Sets als große Belastung für die Ressourcen. Dank der automatisierten Budgetanwendung konnte Die Mobiliar ihre Marketingkanäle mit der KI-Lösung effizient und effektiv verwalten.

Datenschutz und Faktor Mensch

Beim Einsatz der Technologie steht spätestens mit der Ankündigung des Artificial Intelligence Act (AIA), eines Gesetzes der EU-Kommission zur KI, die Aggregation und Anonymisierung von Daten hoch im Kurs. Moderne Technologien wie anonymisierte Aggregationsmodelle und andere Analysen ermöglichen eine präzise Bewertung von Kampagnen, ohne die Privatsphäre der Nutzer zu beeinträchtigen.
Dieser Paradigmenwechsel erfordert strategische Kalibrierung und drängt Werbetreibende dazu, transparente und vertrauenswürdige Analysetools einzusetzen. Bei der Nutzung von Nexoya beispielsweise spielen einzelne IDs keine Rolle, da die Lösung keine Endkundendaten liest und auch keinen Trackingpixel benötigt.

Und der Mensch? Die neuen Technologien machen Mitarbeitende im Marketing in absehbarer Zeit keinesfalls überflüssig. Spätestens wenn Kreativität gefragt ist, kommt die Künstliche Intelligenz an ihre Grenzen und der Mensch ist gefordert. Er trifft zudem die Entscheidung, und zwar auf Basis der Informationen, die die Künstliche Intelligenz ihm zuarbeitet, und mit all seiner Erfahrung. Mitarbeitende werden sich daher in die strategische Richtung entwickeln. Es geht darum, mit Unterstützung der KI Einsichten zu gewinnen und Opportunitäten zu erkennen. Die Aufgabe der Marketing-Teams wird es sein, diese Erkenntnisse kreativ einzusetzen, um strategische Entscheidungen zu treffen.

Zum Autor: Der Produktstratege Roger Gatti ist Head of Product bei der Nexoya AG in Zürich. Zuvor leitete Gatti als Chief Product Officer bei 1plusX den Aufbau einer KI-basierten Data-Management-Plattform. Davor war Gatti im Produktmanagement des Schweizer Finanztechnologie-Anbieters Crealogix sowie bei Google und Swisscom.

Weitere Artikel
Abonnieren
Benachrichtige mich bei
0 Comments
Inline Feedbacks
View all comments