Die Erfahrung lehrt, dass selbst der vermeintlich sparsame Azubi oder Bafög-Empfänger von seinem Einkommen wenigstens 20 Euro im Monat zurücklegen kann. Meist sind es sogar eher 50 oder 80 Euro. Das beginnt damit, ob man noch ein, zwei Jahre günstig bei den Eltern lebt, um Rücklagen bilden zu können, oder rasch in die eigenen vier Wände strebt.
Geldfresser im Alltag erkennen
Und auch dabei kann man sich für die günstigere Wohngemeinschaft entscheiden, in der man lernt, zu teilen und sich zu arrangieren, oder das Appartement für sich allein, das aber deutlich mehr Kosten und Nebenkosten verursacht und meist etliche Anschaffungen für den eigenen Hausstand erfordert. Letzteres stellt dann wiederum Ballast dar, wenn man mit einer Partnerin zusammenziehen oder für ein paar Jahre ins Ausland gehen will. Und bei beiden Mietentscheidungen kann man nochmals über Größe, Lage und Ausstattung deutlich mehr ausgeben oder weniger. Die Spreizung reicht dann rasch von 500 bis 1.000 Euro – pro Monat.
Hinzu kommen die Nebenkosten, die über das Heizen und Duschen variabel sind. Jedes Grad weniger Raumtemperatur senkt die Kosten um sechs Prozent. Und beim Duschen kann man nach zwei Minuten fertig sein – oder noch nach zehn Minuten unter der Brause stehen. Und auch für diese gibt es Sparduschköpfe, die den Verbrauch ohne Komfortverlust deutlich reduzieren.
Ukraine-Krieg schafft Bewusstsein
Interessant, dass dieses Allgemeinwissen seit dem Ukraine-Krieg in aller Munde ist, weil dadurch die extreme Energieabhängigkeit von Russland Thema wurde. So stiegen die Preise für Erdgas, Öl und Kohle binnen Tagen um 40 Prozent. Diese Dynamik bewirkte bei vielen Menschen eine Verhaltensänderung, schlicht weil sie nicht mehr Budget zur Verfügung haben.
Hätten sie ihr Heiz-, Dusch- und Mobilitätsverhalten schon vor Jahren verändert, hätten sie heute Rücklagen im vierstelligen Bereich. So aber ging ihr Geld an Diktatoren wie Putin in Osteuropa, in der arabischen Welt oder in Südamerika. Schließlich, um wieder zur eigenen Sparquote zu kommen, finden sich viele Geldfresser bei der Gestaltung des Alltags: Der Coffee to go, die Dose Redbull für unterwegs oder der schnelle Snack auf die Hand summieren sich schnell auf fünf Euro pro Tag – oder weitere 100 Euro pro Monat.
Konsum erzeugt Abhängigkeit
Auch unbedachte Handyverträge oder Downloads zehren das verfügbare Budget auf, ohne wirklichen Nutzen zu stiften. Im Kern ist die Frage, wie reflektiert wir mit unseren Gewohnheiten umgehen und wie sehr wir den Werbeversprechen der Industrie erliegen, die viel mehr unser Geld statt unseres Wohls will. Denn Konsum verursacht viele Emissionen, erzeugt Müll, viele Produkte machen dick oder blöd – und Konsum erzeugt Abhängigkeit.
Der Engpass beim Vermögensaufbau – und das ist der Beginn von Freiheit und der Kontext zum kritischen Konsumbewusstsein – liegt darin, dass man tendenziell mehr ausgibt als man einnimmt. Deshalb sollte man wenigstens zehn Prozent seiner Einkünfte zurücklegen – am Monatsanfang. 30 Prozent sind besser. Auch sei erwähnt, dass ab 3.000 Euro netto im Monat noch mehr Einkommen nicht mehr glücklicher macht. Das ist untersucht: Der Hebel liegt in der Sparquote und dem daraus resultierenden Vermögensaufbau.
Sieben Prozent Rendite realistisch
So summiert sich das monatliche Kindergeld von derzeit 204 Euro von der Geburt bis zum 25. Lebensjahr – immer konsequent angelegt und mit sieben Prozent verzinst – auf dann gut 154.000 Euro. Mit Fonds, Immobilien, Firmenbeteiligungen oder Aktien ist eine solche Verzinsung realistisch, zumal über 25 Jahre hinweg als Mittelwert. Das gilt auch für Invests in saubere und grüne Technologien. Dazu gehört, breit in Branchen und Kontinente zu streuen, um Risiken zu minimieren, und Ruhe zu bewahren und Geduld aufzubringen.
Denn ständige Umschichtungen und Kurswechsel gefährden den linearen Trend. Günstig bei fallenden Kursen sind etwa gute Nerven – oder gar nicht hinschauen und die Talsohle ignorieren – oder sie zum Zukauf nutzen. Denn was passiert, sind immer nur Momentaufnahmen. Und auf lange Sicht bringen die erwähnten Finanzprodukte ihre prognostizierten Renditen.
Investition in eigene Bildung
Vor der Investition in Sachwerte steht ohnehin die Investition in die eigene Bildung und Persönlichkeitsentwicklung. Deshalb schaden schlecht bezahlte Jobs in der Jugend oder Ehrenämter nicht, um Erfahrung zu sammeln etwa in Bereichen wie Disziplin, Vertrauen oder Selbstorganisation. Dazu gehören auch das WG-Wohnen oder die Erfahrung von Verzicht. Und: Berufstätige, die stets die Hälfte jeder Gehaltserhöhung zurücklegen, müssen nicht mal auf etwas verzichten und der Zinseszinseffekt arrangiert den Rest.
Zu unterscheiden sind bei Begriffen wie „Wohlstand“ oder „Reichtum“ vier Stufen. Auf der untersten Stufe besteht finanzielle Abhängigkeit, bei der sich im besten Fall Ein- und Ausgaben die Waage halten. Dazu zählen auch Zins und Tilgung für Schulden aus der Vergangenheit, auch Leasingraten, denen kein Sachwert gegenübersteht. Durch Verzicht an anderer Stelle geht hier die Rechnung „auf null“ auf.
Genug Geld bedeutet Freiheit
Finanzielle Sicherheit herrscht auf der zweiten Stufe, wenn jemand drei Monate ohne Einnahmen seine Ausgaben bestreiten kann. Da beginnt bereits die Freiheit, seinen Job zu wechseln oder sich eine Auszeit zu gönnen. Finanzielle Unabhängigkeit charakterisiert die dritte Stufe, wenn die passiven Einkünfte, zum Beispiel Miete, Dividende oder Zinsen, reichen, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Wer aber die passiven Einkünfte schont und reinvestiert, weil er weiter von den Erträgen seiner Arbeit lebt, verbreitert weiter seine Substanz.
Auf der vierten und letzten Stufe reden wir von finanzieller Selbstverwirklichung, wenn das Vermögen so groß ist, dass es über den Tod seines Besitzers hinaus noch wirkt und Kraft entfaltet. Das kann zum Beispiel in Form einer Stiftung geschehen, die dauerhaft nicht ihre Substanz verzehrt, sondern aus ihren Erträgen Gutes bewirkt.
Duc Pham ist selbstständiger Finanzcoach in Berlin. Er gibt Privatleuten Online-Kurse zum Umgang mit Geld und hat Berater- und Dozentenjobs bei Banken bundesweit.