Wie sich ein harter Brexit auf Lagerhaltung und Warenwege auswirkt

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Das Jahresende naht und damit verbunden das Ende der zwischen der Europäischen Union und Großbritannien vereinbarten Übergangsphase.

Sofern die bestehenden Differenzen bis zum Jahresende nicht doch noch überwunden oder in letzter Sekunde eine Verlängerung der Übergangsphase beschlossen wird, gilt Großbritannien ab dem 1. Januar 2021 als Drittland ohne Abkommen. Gastbeitrag von Katja Conradt und Jan Eberhardt, Rödl & Partner

Auswirkungen auf Warenwege und Lagerhaltung

Für Unternehmen, die Handel mit Großbritannien betreiben, ist es inzwischen sehr schwierig geworden. Die derzeit bestehende Unsicherheit erschwert eine langfristige Planung.

Sollte es am 1. Januar 2021 nun tatsächlich zu einem harten Brexit, sprich einem Austritt Großbritanniens ohne Abkommen kommen, wird sich das auf Warenwege und Lagerhaltung auswirken. Die Zollabfertigungsmodalitäten, die vorher nicht erforderlich waren, werden Zeit und Mehrkosten verursachen, die sich langfristig in den Preisen niederschlagen werden.

In diesem Artikel möchten wir den Fokus auf die so genannten Konsignationslager in Großbritannien legen. Ein Konsignationslager ist ein Lager, welches der Lieferant bestimmter Waren entweder direkt beim Kunden oder in der Nähe des Kunden (Käufer) der Waren unterhält, damit dieser sich nach Bedarf bedienen bzw. Waren entnehmen kann. Mit dieser Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager findet meist der Eigentumsübergang auf den Käufer statt. Innerhalb der Europäischen Union ist dies insofern unproblematisch als dass im freien EU-Binnenmarkt keine Zollabfertigung erforderlich ist, lediglich umsatzsteuerlich gibt es bestimmte Registrierungs- und Aufzeichnungspflichten zu beachten. Es stellt sich folglich die Frage, wer sich künftig um die Aus- bzw. Einfuhrmodalitäten zu kümmern hat. Nicht nur die Kosten werden hierbei eine Rolle spielen, sondern auch die Frage, ob die Ware überhaupt vom Lieferanten in Großbritannien eingeführt werden kann, wenn dieser in Großbritannien nicht ansässig ist.

Bisherige Abwicklung eines Konsignationslagers eines deutschen Lieferanten in Großbritannien

Bis zum Ende der Übergangsphase am 31. Dezember 2020 wird Großbritannien noch als EU-Mitgliedsstaat betrachtet. Bis zum Ablauf dieser Übergangsphase werden Warensendungen aus Deutschland nach Großbritannien daher umsatzsteuerlich noch als innergemeinschaftliche Lieferungen angesehen.

Zum Zeitpunkt der Lieferung der Waren in das Konsignationslager in Großbritannien hat der deutsche Lieferant die Sendung zudem in der Intrastat-Versendungsmeldung zu erfassen, sofern die Befreiungs-Wertschwelle von 500.000 Euro im Kalenderjahr überschritten worden ist.

Aufgrund der umsatzsteuerlichen Behandlung der Entnahmen wird in Großbritannien die Entnahmemenge als innergemeinschaftlicher Erwerb des Käufers betrachtet, der neben der umsatzsteuerlichen Behandlung auch die Meldepflicht als Intrastat-Eingang in Großbritannien auslöst. Meldepflichtiger ist der Kunde in Großbritannien.

Eine Zollabwicklung, sprich Ausfuhranmeldung in Deutschland und Einfuhranmeldung in Großbritannien, ist im innereuropäischen Binnenmarktverkehr grundsätzlich nicht erforderlich. Künftig wird sich das in Bezug auf Großbritannien ändern.

Lediglich für verbrauchsteuerpflichtige Waren ist eine steuerfreie Lieferung im sogenannten EMCS-Verfahren unter Steueraussetzung möglich. Das EMCS (Excise Movement and Control System) ist ein EDV-gestütztes Beförderungs- und Kontrollsystem für verbrauchsteuerpflichtige Waren.

Umsatzsteuerliche Abwicklung

Im Rahmen der sogenannten “Quick-Fixes” wurde die umsatzsteuerliche Handhabung von Konsignationslagern in der EU ab dem 1. Januar 2020 weitestgehend vereinheitlicht.

Werden die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt, ist bei der Warenverlagerung in ein Konsignationslager nicht von einem innergemeinschaftlichen Verbringen in das Lager auszugehen, sondern von einer innergemeinschaftlichen Lieferung an den dortigen Abnehmer im Zeitpunkt der Entnahme aus dem Lager. Diese Regelung gilt auch in Großbritannien.

Diese Regelung hat zur Folge, dass nicht der liefernde deutsche Unternehmer (wie oftmals vor dem 1. Januar 2020), sondern sein Käufer die Erwerbsbesteuerung in dem Bestimmungsmitgliedstaat durchzuführen hat. Für den deutschen Unternehmer besteht aus diesem Grund in dem anderen Mitgliedstaat keine Registrierungspflicht, sodass er keine Umsatzsteuer-Id-Nr. für sein in dem anderen Mitgliedstaat gelegenes Konsignationslager erhält.

Der deutsche Unternehmer hat bei der Warenentnahme aus dem ausländischen Konsignationslager eine innergemeinschaftliche Lieferung zu melden. Damit entfällt die umsatzsteuerliche Erfassung als innergemeinschaftliches Verbringen beim Transport der Ware in das Konsignationslager. Sowohl die Versendung in das Lager als auch die innergemeinschaftlichen Lieferungen an den Abnehmer sind jedoch entsprechend in der Zusammenfassenden Meldung anzugeben.

Künftige Abwicklung des Konsignationslagers eines deutschen Lieferanten in Großbritannien

Für Warenlieferungen in ein Konsignationslager von Deutschland nach Großbritannien entfällt im Falle eines harten Brexits die Intrastat-Meldepflicht. Der Warenverkehr wird künftig über die Extrastat mit der Ausfuhranmeldung aus Deutschland erfasst werden. Die Intrastat–Eingangsmeldung in Großbritannien wird ebenso entfallen, und die Warenlieferung künftig mit der Einfuhranmeldung statistisch erfasst.

Entnahmen aus dem Konsignationslager werden aus deutscher Sicht als Ausfuhr und aus Sicht Großbritanniens als Einfuhr gewertet. Das wird zur Folge haben, dass Ausfuhranmeldungen über das Zollanmelde-IT-System Atlas erstellt werden müssen.

Das Vereinfachungsverfahren bei der Ausfuhr (ehemaliger Zugelassener Ausführer) kann nur dann in Anspruch genommen werden, wenn der Länderkreis vom Hauptzollamt um Großbritannien erweitert worden ist. Die Erweiterung des bewilligten Länderkreises muss schriftlich beim jeweils für das deutsche Unternehmen zuständigen Sitz-Hauptzollamt beantragt werden.

Bei Beibehaltung der derzeitigen Konsignationslagerabwicklung wäre der deutsche Lieferant für die Einfuhrverzollung zuständig. Dies setzt jedoch voraus, dass der Einführer über eine britische Zollnummer verfügt. Diese kann aktuell bei der britischen Zollbehörde beantragt werden. Grundsätzlich sollte die Erteilung der UK-Zollnummer innerhalb von 14 Tagen möglich sein.

Da Großbritannien beschlossen hat, die EU-Zollvorschriften nach dem 1. Januar 2021 vorerst anzuwenden, muss der Zollanmelder in Großbritannien ansässig sein. Da der deutsche Lieferant im Zweifel in Großbritannien nicht ansässig ist, muss er einen Zollagenten beauftragen, der die Zollanmeldung im Wege der indirekten Stellvertretung gegenüber der Zollverwaltung in Großbritannien abgibt. Dieser Zollagent wird Zoll und Einfuhr-Umsatzsteuer-Schuldner. Etwaige Zoll und Einfuhr-Umsatzsteuer-Abgaben wird dieser dem deutschen Lieferanten wiederum weiterbelasten.

Die “Rückvergütung” der Einfuhr-Umsatzsteuer in Großbritannien ist jedoch nur im Rahmen der Umsatzsteuerdeklaration möglich. Dies setzt voraus, dass sich der deutsche Lieferant in Großbritannien umsatzsteuerlich registriert, was er im Zweifel bis dato noch nicht getan hat.

Für verbrauchsteuerpflichtige Waren gilt das EMCS-Verfahren ab dem 1. Januar 2021 zwischen der EU und Großbritannien nicht mehr.

Ab dem kommenden Jahr würde sich die Beförderung von verbrauchsteuerpflichtigen Waren nach den Ausfuhrvorschriften des jeweiligen Verbrauchsteuergesetzes richten.

In Großbritannien wird künftig im Rahmen der Abgabe der Einfuhranmeldung die entsprechende Verbrauchsteuer (bspw. auf Alkohol, Tabak und Energie) erhoben werden.

Ab dem 1. Januar 2021 ist die Entnahme der Waren aus dem Konsignationslager in Großbritannien als steuerbarer und steuerpflichtiger Umsatz in Großbritannien zu bewerten. Dies setzt voraus, dass der Steuerpflichtige in Großbritannien umsatzsteuerlich registriert ist und seinen Umsatzsteuerdeklarationspflichten nachkommt. Zu entrichtende Einfuhr-USt. kann im Rahmen der Umsatzsteuererklärung als Vorsteuer geltend gemacht werden. Die Entnahmen aus dem Konsignationslager müssen ab diesem Zeitpunkt mit britischer Umsatzsteuer fakturiert werden. Im unternehmensinternen Fakturierungsprogramm ist sicherzustellen, dass die Rechnung mit Ausweis der britischen Umsatzsteuer erfolgt.

Risiken einer Konsignationslagerabwicklung für den Fall eines harten Brexits

Neben der Beantragung einer britischen Eori-Nummer und der Beantragung einer britischen Umsatzsteuer-ID-Nummer dürfte sich die Lagerbestandsabwicklung zum 31. Dezember 2020 als problematisch darstellen.

Für den Lagerbestand zum 31. Dezember 2020 erhält der deutsche Lieferant keinen Nachweis über das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Ausgangsvermerke im Rahmen der Ausfuhrabfertigung bzw. Alternativnachweise werden erst für Lieferungen ab dem 1. Januar 2021 ausgestellt.

Zur Vermeidung von statistischen Meldeproblemen sowie umsatzsteuerlicher Probleme in Deutschland und Großbritannien wäre es daher sinnvoll, den gesamten Lagerbestand zum 31. Dezember 2020 zu fakturieren. Diese “Zwangsfakturierung” ist im Vorfeld mit dem Kunden in Großbritannien abzustimmen.

Schlussbemerkungen und Hinweise

In den letzten beiden Wochen im Dezember 2020 sollte kein Aufbau des Lagerbestandes mehr erfolgen, um umsatzsteuerliche Risiken zu minimieren.

Zur Vermeidung einer künftigen umsatzsteuerlichen Registrierungspflicht in Großbritannien könnte alternativ über die Einrichtung eines Zolllagers in Großbritannien – sei es durch den Kunden oder einen Beauftragten – nachgedacht werden. Voraussetzung für die Nutzung eines Zolllagers in Großbritannien dürfte jedoch die Zollpflicht der zu liefernden Waren sein.

Das bedeutet, dass die aus Deutschland zu liefernden Waren nach dem künftigen britischen Zolltarif mit einem Drittlandszollsatz belegt sein müssen. Für Waren, die keinem Drittlandszollsatz unterliegen und für welche nur Einfuhr-USt. in Großbritannien anfällt, wird die britische Zollverwaltung vermutlich die Bewilligung eines Zolllagers verweigern. Es bleibt entsprechend abzuwarten, was die kommenden Wochen und Monate an Neuerungen bringen werden.

Die Autoren Katja Conradt und Jan Eberhardt sind Rechtsanwälte in der Kanzlei Rödl & Partner.

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